Die Woche in Europa - Familien-Versöhnung in Brüssel

Argentiniens Präsident Fernandez, Ministerpräsident Gonsalves von St. Vincent und den Grenadinen, EU-Ratspräsident Michel und EU-Kommissionsprässidentin von der Leyen
Argentiniens Präsident Fernandez, Ministerpräsident Gonsalves von St. Vincent und den Grenadinen, EU-Ratspräsident Michel und EU-Kommissionsprässidentin von der Leyen Copyright Francois Walschaerts/Copyright 2023 The AP. All rights reserved.
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Von Stefan Grobe
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Während Russland durch seine Aufkündigung des Getreide-Abkommen für Unsicherheit in Entwicklungsländern sorgte, trafen sich in Brüssel die EU und die Länder Lateinamerikas und der Karibik zu einem Mega-Gipfel. Es war wie eine Versöhnung in einer Familie.

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Diese Woche war ein perfektes Beispiel dafür, wie Kriegshandlungen unbeabsichtigte Folgen haben können.

Nach dem ukrainischen Angriff auf die Brücke von Kertsch zwischen der Krim und Russland, kündigte Moskau das vor einem Jahr geschlossene Getreideabkommen.

Im Rahmen dieses von der UNO und der Türkei vermittelten Abkommens konnte die Ukraine Getreide per Schiff über das Schwarze Meer exportieren.

Eine große Erleichterung für die Entwicklungsländer, die von den steigenden Lebensmittelpreisen betroffen waren.

Doch jetzt ist dieses Schema in akuter Gefahr - mit potenziell verheerenden Folgen.

"Es bedeutet, dass Hunderttausende von Menschen auf der ganzen Welt ohne Grundnahrungsmittel dastehen werden", sagte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell.

"Dies ist ein Thema für die UN-Generalversammlung. Wir können nicht einfach nur dasitzen und uns beschweren. Hier wird Hunger als Waffe eingesetzt."

Die Märkte reagierten zunächst kaum.

Die Weigerung des Kremls, das Getreideabkommen zu verlängern, war irgendwie erwartet worden.

Zur Beruhigung der Märkte trug bei, dass die Türkei erklärte, sie werde die diplomatischen Bem ühungen um eine Lösung intensivieren.

Zur gleichen Zeit hatte die EU eine gesamte Region zu Gast, in der die Lebensmittelpreise infolge des Ukraine-Krieges stark angestiegen waren: Lateinamerika und die Karibik.

Das erste Gipfeltreffen der beiden Kontinente seit acht Jahren diese Woche in Brüssel wurde von beiden Seiten als eine Art Familientreffen nach einer langen Zeit der Entfremdung gefeiert - trotz zahlreicher politischer Differenzen.

Doch die Symbolik, dass sich 60 Länder treffen und gemeinsame Werte betonen, war keine geringe Leistung.

"Es war ein hervorragender Gipfel und es fühlte sich wirklich wie ein Neuanfang für alte Freunde an", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

"Wir brauchen uns gegenseitig. Dies sind Zeiten großer geopolitischer Veränderungen, und gleichgesinnte Freunde wie wir müssen zusammenstehen."

Und der Vorsitzende der Staaten Lateinamerikas und der Karibik, der Minsterpräsident von St. Vincent und den Grendainen, Ralph Gonsalves, fügte hinzu: "Was wir anstreben müssen, ist nicht nur eine Beziehung zwischen Staaten, sondern eine Beziehung zwischen Zivilisationen".

Dazu ein Interview mit Anna Ayuso, Senior Research Fellow am Barcelona Centre for International Affairs.

Euronews: Lassen Sie mich mit dem Gipfel selbst beginnen - 60 Länder, eine riesige Zusammenkunft, wie man sie selten sieht, nicht einmal bei der UNO. War dies der Beginn einer wunderbaren neuen Freundschaft oder eher ein dröges Familienfest, an dem Sie teilnehmen mussten, ob Sie wollten oder nicht?

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Ayuso: Wir können sagen, dass dies ein neuer Anfang für etwas ist, das schon lange existiert. Und es ist wirklich nicht nur ein Bild des Wiedersehens. Der Gipfel ist der Moment, an dem alle ihre Karten auf den Tisch legen, und wir können sehen, in welchen Fragen wir uns einigen können und in welchen anderen wir Differenzen haben, die andauern.

Euronews: Einige lateinamerikanische Länder brachten jahrhundertealte Schuldzuweisungen über Kolonialismus und Sklaverei auf den Tisch - wie wichtig ist dieses Thema für den Subkontinent?

Ayuso: Für viele Menschen in Lateinamerika ist es wichtig anzuerkennen, dass es eine historische Schuld gibt. Wir haben eine Vergangenheit mit asymmetrischen Beziehungen, die in gewissem Sinne immer noch bestehen. Daher ist man in Lateinamerika der Meinung, dass diese Asymmetrie auf irgendeine Weise angegangen werden sollte.

Euronews: Natürlich schwebte über dem Gipfel der Schatten von Wladimir Putin. Warum waren Kuba und Venezuela bereit, den Krieg Russlands zu kritisieren, Nicaragua aber nicht?

Ayuso: In der Tat war Nicaragua das einzige Land Lateinamerikas, das gegen die Resolution der UN-Generalversammlung gegen den Krieg in der Ukraine gestimmt hat. Das ist also nicht neu. Es ist etwas, das schon einmal passiert ist. Die anderen Länder haben dagegen nicht gegen die Resolution gestimmt. Kuba etwa hat sich der Stimme enthalten, und Venezuela hat nicht abgestimmt, weil es zu diesem Zeitpunkt nicht abstimmen durfte, weil es suspendiert war.

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Euronews: Wie sehen Sie die weitere Entwicklung, wird es in Zukunft eine viel engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Lateinamerika geben?

Nun, ich möchte optimistisch sein, aber ich muss auch sagen, dass es noch eine Menge zu tun gibt. Eine der wichtigsten Errungenschaften des Gipfels war die Vereinbarung eines Rohstoffabkommens mit Chile und der baldigen Unterzeichnung der Abkommen mit Mexiko und dem Mercosur. Letzteres ist besonders wichtig, weil die Verhandlungen mehr als 20 Jahre gedauert haben. Es ist also eine große Sache. Aber es gab nicht nur Handelsabkommen. Das Ganze war also ein wirklicher großer Erfolg.

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