"Es wird keine Lösung für den Konflikt geben, der Tausende Menschenleben gekostet hat, solange der Libanon seine politischen Institutionen nicht stärkt", so der Chefdiplomat der EU.
Die Europäische Union sollte versuchen, die derzeitige "Schwäche" der Hisbollah zu nutzen, um die politischen Strukturen im Libanon zu stärken und ein Waffenstillstandsabkommen mit Israel zu erreichen. Das sagte der Spitzendiplomat der EU Josep Borrell am Dienstag.
"Ohne ein starkes Engagement der politischen Akteure des Libanons für politische Reformen innerhalb der libanesischen Gesellschaft gibt es keine Lösung für den Libanon", sagte Borrell vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.
"Wir müssen diesem Land helfen. Wir müssen die Schwäche der Hisbollah nutzen, um die politischen Strukturen im Libanon zu stärken und wir müssen einen Waffenstillstand in der Region herbeiführen", fügte er hinzu.
Die Kämpfe zwischen der militanten Hisbollah und Israel haben sich Ende September verschärft. Die Hisbollah wird vom Iran unterstützt und ist von der EU als terroristische Vereinigung eingestuft worden.
Seit Israel nach dem Anschlag der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 einen Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen begonnen hat, liefern sich auch der Libanon und Israel einen Schusswechsel.
Die jüngsten israelischen Luftangriffe haben zum Tod hochrangiger Hisbollah-Kommandeure, darunter der Generalsekretär Hassan Nasrallah und zur Vertreibung von etwa 20 Prozent der Einwohner geführt. Man geht davon aus, dass mindestens 2.000 Menschen bislang durch israelische Angriffe getötet worden sind.
Langfristige Stabilität hänge von "vier wesentlichen Maßnahmen" ab
Borrell erklärte, die langfristige Stabilität im Libanon hänge von "vier wesentlichen Maßnahmen" ab, darunter die Wahl eines neuen Präsidenten, zusätzliche Unterstützung für die libanesische Armee durch die Europäische Friedensfazilität der EU, eine stärkere Präsenz der Vereinten Nationen an der Grenze sowie weitere materielle und humanitäre Hilfe.
Er forderte die EU auf, anzugeben, wann sie das von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Mai angekündigte Finanzhilfepaket in Höhe von 1 Milliarde Euro für den Libanon auszahlen wird. Er unterstützte einen französischen Vorschlag, noch in diesem Monat eine humanitäre Konferenz abzuhalten.
Borrell bezweifelte, dass die militärischen Angriffe Israels zu einer politischen Lösung führen würde, da sie die Region lediglich destabilisieren und die Hisbollah weiter stärken könnte.
"Die Geschichte zeigt, dass es keine militärischen Lösungen für Konflikte gibt, die tief in den Strukturen einer Region wie dem Nahen Osten und angesichts der institutionellen Schwäche eines Landes verwurzelt sind", sagte er und fügte hinzu: "Das müssen wir bei der Bewertung unseres Handelns berücksichtigen."
"Dies ist auch für uns der Moment der Wahrheit, um zu wissen, ob wir wirklich in der Lage sind, dem Libanon zu helfen", sagte Borrell vor den EU-Gesetzgebern.
"In erster Linie muss die politische Klasse des Libanon dazu gebracht werden, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Ohne sie gibt es für kein Land eine Lösung", fügte er hinzu.
Borrell hat die regionalen Akteure wiederholt zur Einhaltung des internationalen und humanitären Rechts aufgerufen und Israel für die Bombardierung ziviler Infrastrukturen und für die Gewalt der Siedler im besetzten Westjordanland kritisiert. Er hat auch einen Vorschlag für Sanktionen gegen zwei israelische Minister eingebracht.
Der 77-jährige Spanier soll im Dezember von seinem Amt als Hoher Vertreter der EU für Außenpolitik zurücktreten. Seine Nachfolgerin wird die Estin Kaja Kallas.