"Wie wir auf den illegalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine reagieren, zeigt der Welt, wer wir sind und für welche Werte wir stehen", so Kaja Kallas in einem Brief an das Europäische Parlament vor ihrer Anhörung.
Kaja Kallas, die frühere Premierministerin Estlands, hat sich als nächste außenpolitische Chefin der Europäischen Union beworben und eindringlich vor Russlands "imperialistischem Traum" und Chinas "unlauterem Wettbewerb" gewarnt.
Beide Länder, wie auch der Iran und Nordkorea, versuchen, Lieferketten und gesellschaftliche Offenheit auszunutzen, um in der gesamten Europäischen Union Chaos zu stiften, sagt sie.
"Ich werde auch keine Mühen scheuen, die Werte der EU zu verteidigen und die Interessen der EU gegenüber Systemkonkurrenten zu schützen", schreibt Kallas in einem Brief an das Europäische Parlament, der im Vorfeld ihrer Anhörung im kommenden Monat veröffentlicht wurde.
Kallas gehört zu den 26 designierten EU-Kommissaren, die von den Abgeordneten des Europäischen Parlaments geprüft werden. Die EU-Abgeordnete können ihre Kandidatur ablehnen. Dabei können mangelnde Kompetenz, frühere Kontroversen und parteipolitische Auseinandersetzungen das Ergebnis der Anhörungen beeinflussen.
Obwohl es als sicher gilt, dass die Estin Kallas die nächste EU-Außebeauftragte sein wird, steht sie vor der Anhörung im Rampenlicht. In ihren schriftlichen Antworten gibt sie einen ersten Einblick in die Art und Weise, wie sie das Amt ausüben will.
"Die europäische Sicherheit ist für mich eine sehr persönliche Angelegenheit, da ich aus einem Land komme, das den anderen seit langem erzählt, dass Russlands imperialistischer Traum nie gestorben ist", schreibt sie.
Ihre beiden Hauptprioritäten werden der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und neue Anstrengungen zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten der EU sein, die "mit Dringlichkeit" angegangen werden müssen. Obwohl die Mitgliedsstaaten ihre Militärausgaben als Reaktion auf die Aggression des Kremls drastisch erhöht haben, will Brüssel die Arbeit noch viel weiter vorantreiben, insbesondere bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und den gemeinsamen Investitionen.
Ursula von der Leyen hat erklärt, dass die Verteidigung das Herzstück ihrer nächsten Europäischen Kommission sein und alle Politikbereiche umfassen werde. Kallas teilt diese Ansicht und argumentiert, der Krieg in der Ukraine habe die EU dazu gebracht, "mehr zu tun, es besser zu tun und es schneller zu tun".
"Wie wir auf den illegalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine reagieren, zeigt der Welt, wer wir sind und für welche Werte wir stehen", sagt sie. "Wir tun und liefern immer noch nicht genug. Wir müssen alles tun, was wir können, um der Ukraine zu helfen, den Krieg gegen Russland zu gewinnen."
Russland und die Ukraine werden in dem Brief am häufigsten genannt und haben Einfluss auf die meisten der Vorschläge, die Kallas in dem 21-seitigen Schreiben unterbreitet, einschließlich der Möglichkeiten, nationale Vetos zu umgehen. Ein Grund dafür: Ungarn blockiert weiterhin die Ukraine-Hilfe in Höhe von 6,6 Milliarden Euro.
Geopolitik und Geoökonomie
Aber Kallas spart auch einige Zeilen für China aus, das sie entschieden als einen der "systematischen Rivalen" der EU bezeichnet. Damit weicht sie von der dreifachen Kategorisierung des derzeitigen EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ab, der Peking je nach dem Themenbereich als "Kooperationspartner, wirtschaftlichen Konkurrenten und systematischen Rivalen" bezeichnete.
"Meine Priorität bei der Zusammenarbeit mit China wird es sein, die geopolitische und wirtschaftliche Sicherheit der EU zu gewährleisten", so Kallas. "Die dringlichsten Herausforderungen sind hier Chinas Unterstützung für Russland sowie strukturelle Ungleichgewichte zwischen der EU und China, die aus nicht marktwirtschaftlichen Strategien und Praktiken resultieren, die zu unfairem Wettbewerb und ungleichen Wettbewerbsbedingungen führen."
In Anlehnung an Ursula von der Leyen spricht Kallas von einer "neuen Außenwirtschaftspolitik", in der "Geopolitik und Geowirtschaft zusammengehen". Brüssel hat die Mitgliedstaaten aufgefordert,** die Überwachung ihrer Technologieexporte zu verstärken, um zu verhindern, dass hochwertige Produkte wie Quantencomputer, Mikrochips und künstliche Intelligenz in die Hände der Chinesen gelangen.
Die Regierungen räumen ein, dass eine strenge Überwachung notwendig geworden ist, haben sich aber bisher den Bemühungen der Kommission widersetzt, Exporte und Investitionsströme zu kontrollieren.
Kallas ist der Ansicht, dass eine "durchsetzungsfähige" gemeinsame Antwort unerlässlich ist, um das 21. Jahrhundert zu meistern und sicherzustellen, dass die EU gegen "bösartigen Einfluss von außen" geschützt ist.
"Akteure wie Russland, der Iran, Nordkorea und zum Teil auch China zielen darauf ab, die gegenseitigen Abhängigkeiten als eine Waffe einzusetzen und die Offenheit unserer Gesellschaften gegen uns auszunutzen", sagt sie.
"Wir müssen darauf vorbereitet sein. Das reicht von der raschen Analyse der Bedrohungen bis hin zum vollen Einsatz der vorhandenen Instrumente, einschließlich der neuen horizontalen Sanktionsregelung für hybride Bedrohungen."
In Bezug auf die Krise im Nahen Osten spricht Kallas von der Notwendigkeit, eine Zweistaatenlösung voranzutreiben.
Die Anhörung von Kallas findet am 12. November um 9.00 Uhr MEZ vor fünf verschiedenen Parlamentsausschüssen statt.