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Altersvorsorge: Braucht Deutschland eine Reform seines Rentensystems?

Rentner in Berlin
Rentner in Berlin Copyright  Donogh McCabe
Copyright Donogh McCabe
Von Liv Stroud & Donogh McCabe, Heilika Leinus (Voiceover und Übersetzung)
Zuerst veröffentlicht am
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Die Altersarmut steht im Fokus der Politik und viele Menschen fordern die Bundesregierung auf, das Rentensystem zu reformieren. Doch wie ernst ist die Lage wirklich?

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Da Parteien wie die Alternative für Deutschland (AfD) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mehr Geld für Rentnerinnen und Rentner versprechen, ist die Rente vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu einem heiß umstrittenen Thema in Deutschland geworden.

Auch die Regierungskoalition geriet in politische Turbulenzen, nachdem Finanzminister Christian Lindner angekündigt hatte, die private Altersvorsorge früher als 2024 umzugestalten - einige Jahre nachdem in Frankreich erhebliche Unruhen ausgebrochen waren, als Präsident Emmanuel Macron ein Gesetz zur Anhebung des gesetzlichen Rentenalters einführte.

Wie sieht die Realität für Rentner in Deutschland heute aus?

Euronews traf sich mit der 65-jährigen Berliner Rentnerin Antje, die 45 Jahre lang als Altenpflegerin in einem Pflegeheim für ältere Menschen gearbeitet hat. Nach Abzug von Krankenkasse und Steuern bekommt sie nach eigenen Angaben eine staatliche Rente von 1.500 Euro pro Monat.

Antje schätzt sich glücklich, dass sie von ihrer Familie Wohlstand geerbt hat, räumt aber ein, dass es für Menschen aus anderen Verhältnissen, die vielleicht nicht die gleiche Ausbildung oder die gleichen Möglichkeiten wie ihre Eltern haben, schwierig ist. Für sie ist es schwierig, über die Runden zu kommen, sagt Antje.

Sahra Wagenknecht hat die Rente zu einem zentralen Bestandteil ihres Wahlkampagnes gemacht.
Sahra Wagenknecht hat die Rente zu einem zentralen Bestandteil ihres Wahlkampagnes gemacht. Martin Schutt/(c) Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten.

Antje sagt, es sei wichtig, dass die Menschen frühzeitig für ihren Ruhestand vorsorgen, "damit man nicht darauf angewiesen ist, dass sich jemand anderes um einen kümmert oder einem Möglichkeiten bietet". Sie hat ihrem Sohn bereits geraten, sein Vermögen durch Investitionen zu diversifizieren.

Auf die Frage nach der Armut älterer Menschen verwies Antje auf ihre Arbeit in einem Pflegeheim. "Ich habe festgestellt, dass ältere Menschen, die in Heimen untergebracht sind oder von ihren Angehörigen gepflegt werden, oft sehr wenig Geld haben. Viele von ihnen haben nur ein geringes monatliches Einkommen zur Verfügung und müssen sich durchschlagen."

Antje erklärt, dass diese Menschen zwar betreut werden, aber oft auf das angewiesen sind, was sie von der Sozialversicherung bekommen. "Einige von ihnen haben ihr ganzes Leben lang nicht viel verdient, oder sie hatten viele Kinder, waren als Hausfrauen tätig und sind nie einer bezahlten Arbeit nachgegangen. Darüber sind sie oft ein wenig traurig oder bedauern es", sagt sie und fügt hinzu, dass sich diese Menschen vom Staat im Stich gelassen fühlen könnten.

Sie erklärt, dass nicht nur die Menschen, die sie bei der Arbeit betreut, Probleme haben, sondern auch ihre Kollegen, von denen viele bis zur Rente arbeiten müssen, weil sie einfach nicht genug verdient haben.

"Trotz ihres Alters arbeiten sie weiter, weil ihre Rente nicht ausreicht. Das ist wirklich hart", erklärt sie.

Was bietet das deutsche Rentensystem?

Una Großman ist eine Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung (DR), dem Dachverband der deutschen Rentenversicherungsträger. Laut ihr beziehen rund 21 Millionen Menschen eine Rente. Die durchschnittliche Bruttorente nach 35 Beitragsjahren beträgt 1.620 Euro pro Monat, abzüglich Steuern und Krankenversicherungsabgaben.

Großmann sagt, dass von den 21 Millionen Rentenempfängern nur "eine Minderheit über den Ruhestand hinaus arbeitet", etwa 1,3 bis 1,4 Millionen Menschen. Sie fügt hinzu, dass 80 Prozent der Erwerbstätigen einen sogenannten "Minijob" oder eine Teilzeitbeschäftigung ausüben. Nur etwa 270.000 arbeiten in einem größeren Beschäftigungsverhältnis.

Das überraschendste Ergebnis war, dass der wichtigste Grund für das Weiterarbeiten im Alter der Spaß an der Arbeit ist.

"Die Gründe für eine Erwerbstätigkeit im Alter sind sehr unterschiedlich und sehr persönlich", erklärt Großman und verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2022, in der die Arbeitsgewohnheiten älterer Menschen untersucht wurden. "Das überraschendste Ergebnis war, dass der wichtigste Grund für das Weiterarbeiten im Alter der Spaß an der Arbeit ist. Weniger als die Hälfte der Befragten nannte finanzielle Gründe als den Hauptgrund", sagt sie.

Könnte das deutsche Rentensystem verbessert werden?

Großmann weist darauf hin, dass die deutsche gesetzliche Rente an die Lohninflation gekoppelt ist. In diesem Jahr gab es in ganz Deutschland eine Rentenerhöhung von 4,57 Prozent für alle Rentnerinnen und Rentner.

"Außerdem gibt es eine Rentengarantie, die besagt, dass die Rentenzahlungen selbst im hypothetischen Fall einer negativen Lohninflation nicht unter ein bestimmtes Niveau fallen können", sagt sie.

Die DR-Sprecherin warnte, dass sich das deutsche Rentensystem in einer Übergangsphase befindet und "die Renten in Zukunft immer stärker besteuert werden".

Sie lobt aber auch das System, weil es älteren Menschen die Möglichkeit gebe, nach jahrzehntelanger Arbeit in Ruhe in Rente zu gehen. "Ich sehe auch die steigende Lebenserwartung als Erfolg ... sollten wir nicht alle stolz darauf sein, dass wir ein System geschaffen haben, in dem Langlebigkeit, ein langes und gesundes Leben, möglich ist?

Finanzexperten haben Zweifel an der Wirksamkeit des deutschen Rentensystems geäußert, und junge Menschen sind besorgt über ihren Zugang zur Rente, da in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Deutschland das Rentenalter steigt.

Sollten wir nicht alle stolz darauf sein, dass wir ein System geschaffen haben, in dem Langlebigkeit, ein langes und gesundes Leben, möglich ist?

Großmann verweist auf den demografischen Wandel, "nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Das ist schon seit langem bekannt. Es ist eine Herausforderung für das deutsche Rentensystem, aber sie ist heute nicht so gravierend wie ursprünglich vorhergesagt".

Die deutsche Bundesregierung hat angekündigt, dass das reguläre Renteneintrittsalter von derzeit 64,4 Jahren bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden soll. Obwohl die DR dieser Anhebung zustimmt, weist sie auf die Notwendigkeit hin, dies mit weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen.

"Wenn die Menschen länger arbeiten sollen, muss es auch ein entsprechendes Arbeitsumfeld geben, in dem sie dies tun können." Angesichts der rasanten Entwicklung der künstlichen Intelligenz wächst die Besorgnis unter den jüngeren Generationen.

Was kann der Einzelne tun?

Großmann schließt sich Antjes Rat an ihren Sohn an: Setze nicht alles auf eine Karte.

Seit 2001 gilt in Deutschland das sogenannte "Drei-Säulen-Modell" für die Altersvorsorge. "Das bedeutet, dass es nicht nur die gesetzliche Rente gibt, sondern viele Menschen auch Einkommen aus anderen Quellen haben. Die drei Säulen sind: erstens die gesetzliche Rente, zweitens die private Altersvorsorge und drittens die betriebliche Altersvorsorge", erklärt Großmann.

Hinzu kommen oft noch private Einkünfte aus Aktien- und Immobilienanlagen. "Wenn man sich mit dem späteren Alterseinkommen befasst, ist es wichtig, den Haushaltskontext zu berücksichtigen und sich nicht nur auf die gesetzliche Rente allein zu konzentrieren", erklärt Großmann.

Da jedoch das Durchschnittsalter in Deutschland und auf dem gesamten Kontinent weiter steigt und die Geburtenrate sinkt, scheinen Reformen auf die eine oder andere Weise notwendig zu sein, entweder durch eine Anhebung des Renteneintrittsalters oder indem mehr Mittel aus dem Bundeshaushalt für künftige Renten ausgegeben werden.

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