Während der Live-Berichterstattung von Euronews über die Bundestagswahl 2025 waren u.a. der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis und Ex-Ratspräsident Charles Michel zu Gast. Es war eine lebhafte und spannende Diskussion um die Zukunft Europas.
Euronews-Redaktionsleiter und CEO Claus Strunz hatte bereits vor der Auszählung der Stimmen den richtigen Riecher: "Wenn das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht in den Bundestag einzieht, reicht es vielleicht für 29 und 16 Prozent, um die Mehrheit der Sitze im Parlament zu erhalten, und das könnte die Grundlage einer schnellen Koalitionsbildung sein", sagte er.
"Es ist eine Möglichkeit, dass die CDU/CSU eine Koalition nur mit den Sozialdemokraten eingeht." Tatsächlich schloss die Union mit 28,6 und die SPD mit 16,4 Prozent der Stimmen ab. Und da Merz kurz vor der Wahl angekündigt hatte, dass er die "Brandmauer" gegenüber der AfD erhalten werde, ist mit dem Ergebnis vom Wahlsonntag die SPD Wunschpartner der CDU.
Schnelligkeit sei wahrscheinlich derzeit die größte Herausforderung, so Strunz.
Georgios Papandreou, der frühere griechische Premierminister, stimmte dem zu und stellte zudem die wirtschaftliche Ebene Europas in den Raum: "Ich würde auch sagen: Schnelligkeit. Aber es muss gleichzeitig auf eine strategische Weise für Europa geschehen. Wir stehen vor großen Herausforderungen und die Frage der Existenz Europas steht auf dem Spiel."
Europa: "Geeinter, stärker, selbstbewusster"
Es sei notwendig, darüber nachzudenken, wie Europa voranschreiten soll. Man müsse auch die großen Fragen wirklich angehen, geeinter, stärker und selbstbewusster.
Yanis Varoufakis, der ehemalige griechische Finanzminister, meinte, dass die Wahl an sich im Grunde sehr "paradox" sei, denn "einerseits ist es mehr oder weniger das Übliche, ein Wechsel des Kanzlers, aber es ist auch die gleiche quasi permanente Koalition aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und den Grünen, die gleiche Koalition, die, nach meiner Einschätzung, Deutschland in den letzten 15 bis 20 Jahren auf einem langen Weg in die Stagnation geführt hat."
"Unsere europäischen Führer laufen wie kopflose Hühner in Panik herum, komplett aufgelöst", fügte der Wirtschaftswissenschaftler hinzu. Dies sei das unausweichliche Ergebnis von rund 20 Jahren "Lippenbekenntnissen zur Solidarität, während alles, was getan wurde, war den Menschen Europas harte Sparmaßnahmen aufzuerlegen."
Charles Michel, ehemaliger Präsident des Europäischen Rates, gab zu, dass in Europa sicherlich Fehler gemacht werden. Es sei aber auch klar, dass das Projekt [Europa] "mehr Wohlstand bringt, mehr sozialen Zusammenhalt für unser Volk. Das heißt nicht, dass alles perfekt ist. Ganz und gar nicht."
Klare Entscheidungen über die Zukunft müssten getroffen werden, dazu gehörten auch weniger oder bessere Regulierungen.
"Wir wollen nicht nur ein Spielplatz für andere sein, und wenn wir unser europäisches Schicksal in Zukunft meistern wollen, müssen wir viel mehr in Verteidigung und Sicherheit investieren, und wir müssen es gemeinsam tun."
Fest steht: Der Kurswechsel der US-Politik unter Trump gegenüber der Europäischen Union und der Ukraine wird Deutschland - und damit Europa - auch unter der nächsten Bundesregierung beschäftigen.