Belgrad beginnt den Kriegsverbrecherprozess gegen vier kroatische Luftwaffenpiloten, die beschuldigt werden, im August 1995 Raketen auf serbische Flüchtlingskolonnen abgefeuert zu haben.
Die erste Hauptverhandlung im Prozess gegen vier Piloten der kroatischen Luftwaffe, die beschuldigt werden, Raketen auf serbische Flüchtlingskolonnen auf einer Straße in der Nähe der Stadt Bosanski Petrovac im nordwestlichen Teil von Bosnien und Herzegowina abgefeuert zu haben, hat in der Abteilung für Kriegsverbrechen des Obersten Gerichts in Belgrad begonnen.
Die angeklagten Piloten werden in Abwesenheit vor Gericht gestellt, da sie den serbischen Justizbehörden seit Beginn der Ermittlungen im Jahr 2021 nicht mehr zur Verfügung standen.
Zdenko Radulj, 70, Željko Jelenić, 69, Vladimir Mikac, 68, und Danijel Borović, 65, werden von Serbien beschuldigt, am 7. und 8. August 1995 den Befehl zum Abschuss von Raketen auf Flüchtlinge aus der Republik Serbische Krajina (RSK) gegeben zu haben.
Bei dem Beschuss wurden 12 Menschen getötet, darunter sechs Kinder unter 13 Jahren. Etwa zwei Dutzend weitere wurden verwundet.
Zerfall Jugoslawiens durch ethnische und nationalistische Bestrebungen
Der Beschuss, der im Rahmen der "Operation Sturm" durchgeführt wurde, erfolgte inmitten des kroatischen Unabhängigkeitskrieges, der zwischen März 1991 und November 1995 stattfand.
Der Konflikt entzündete sich an einem Referendum über die Unabhängigkeit, das von den kroatischen Serben in erheblichem Umfang boykottiert wurde. Am 25. Juni 1991 unternahm das kroatische Parlament den entscheidenden Schritt und erklärte offiziell die Unabhängigkeit.
Daraufhin kündigte die Republik Serbische Krajina (RSK) ihre Absicht an, sich von Kroatien zu lösen und sich der Republik Serbien anzuschließen, was die kroatische Regierung als Aufstand bezeichnete.
Bewaffnete und paramilitärische Kräfte der RSK begannen, Kroaten und andere Nicht-Serben aus den von ihnen kontrollierten Gebieten zu vertreiben. Gleichzeitig waren Serben, die in kroatischen Städten lebten, insbesondere in der Nähe von Kampfgebieten, zahlreichen Schikanen und Gewalttaten ausgesetzt.
Am 4. August 1995 leitete die kroatische Armee in Zusammenarbeit mit dem 5. Korps der Armee der Republik Bosnien und Herzegowina die 84-stündige Operation Sturm ein, um die besetzten kroatischen Gebiete zurückzuerobern und die Belagerung der bosnischen Stadt Bihać nahe der kroatischen Grenze zu beenden.
Nachforschungen des Kroatischen Helsinki-Komitees (HHO) im August und September 1995 ergaben, daß während und nach Abschluß der Militäroperation in dem betroffenen Gebiet mehr als 600 Zivilisten getötet und mehrere tausend Häuser und Nebengebäude niedergebrannt wurden. Das Informations- und Dokumentationszentrum Veritas schätzte die Zahl der während und nach der Operation Sturm getöteten Zivilisten auf mehr als 1.200. Aus Angst um ihre persönliche Sicherheit und auf Drängen der Krajina-Behörden verließen rund 200.000 Einwohner, zumeist Serben, Kroatien.
Als die serbischen Zivilisten in Kolonnen durch die Stadt Dvor zogen, wurden sie von Artillerie und Handfeuerwaffen angegriffen.
Am 7. August feuerten zwei MiG-21-Flugzeuge der kroatischen Luftwaffe mehrere Raketen auf einen Flüchtlingskonvoi in der Nähe von Bosanski Petrovac ab, wobei neun Zivilisten getötet und über 50 weitere verletzt wurden, darunter vier Kinder.
Am darauffolgenden Tag, dem 8. August, wurde ein weiterer Flüchtlingskonvoi in der Nähe des Dorfes Svodna beschossen, was ebenfalls zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führte.
Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International und Human Rights Watch verurteilten die Angriffe und Übergriffe, die während der Operation verübt wurden.
Angespannte Beziehungen zwischen den Balkan-Nachbarn
Die Beziehungen zwischen den beiden Balkanländern, die eine 241 km lange gemeinsame Grenze haben, sind seit einiger Zeit angespannt.
Vor kurzem wurde Tonino Picula von der Sozialdemokratischen Partei Kroatiens und Berichterstatter des Europäischen Parlaments für Serbien bei einem Besuch in Belgrad nicht gerade freundlich empfangen. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić wollte sich nicht mit ihm treffen, andere Staatsbeamte hingegen schon.
Picula kritisierte kürzlich die serbische Regierung, die in den letzten Monaten nicht auf die Forderungen der Demonstranten eingegangen sei, die seit dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen, regelmäßig protestieren. "Wir können sagen, dass sich Serbien in einem nicht erklärten Ausnahmezustand befindet", sagte Picula in einem Gespräch mit kroatischen Medien.
"Er hat einen permanenten Ausnahmezustand im Kopf, der schon vor langer Zeit ausgerufen wurde. Und bei vielen Menschen in Kroatien", sagte Vučić in Vlasotince bei einem Besuch in den Bezirken Toplički und Jablanički.
Kalte Beziehungen zwischen Serbien und Kroatien
Letzte Woche hatte das serbische Außenministerium seine Botschafterin in Kroatien, Jelena Milić, abberufen. Milić stand seit Wochen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und wurde von den lokalen Medien angegriffen. Auch kroatische Medien spekulierten, Belgrad habe seine Botschafterin abberufen, weil es wusste, dass sie andernfalls von den kroatischen Behörden zur Persona non grata erklärt werden würde.
Die kalten Beziehungen werden durch die wenigen gemeinsamen Staatsbesuche der Staatsoberhäupter der beiden Länder nur noch unterstrichen. Der kroatische Premierminister Andrej Plenković hat Serbien nur einmal besucht, seit er 2016 Premierminister wurde, und das war kein offizieller Staatsbesuch.
Im Jahr 2023 besuchte Plenković auf Einladung des Kroatischen Nationalrats in Serbien (HNV) die Stadt Subotica. Dort traf er kurz mit der damaligen Ministerpräsidentin Ana Brnabić, aber nicht mit Vučić zusammen.
Das letzte Mal war Aleksandar Vučić 2018 auf Einladung der damaligen kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar Kitarović in Zagreb.
Im Juli 2022 verbot Kroatien dem serbischen Staatschef einen privaten Besuch in Jasenovac, einer Gedenkstätte für die Opfer des Ustascha-Konzentrationslagers aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem Serben, Juden und Roma getötet wurden.
Die kroatische Führung sah Vučićs Reise als Provokation an und verlangte, dass künftige Besuche offiziell angekündigt werden. Das serbische Außenministerium reagierte mit einer Protestnote, die von der kroatischen Botschaft wiederum nicht gut aufgenommen wurde.