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Putin und Netanjahu: Kann der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle vollstrecken?

 Ein Blick auf die Außenansicht des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Niederlande, am 31. März 2021.
Ein Blick auf die Außenansicht des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Niederlande, am 31. März 2021. Copyright  AP Photo
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Von Estelle Nilsson-Julien
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Die Befugnisse des Strafgerichtshofs sind begrenzt und hängen stark von der Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten ab, so Rechtsexperten gegenüber Euronews.

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Was haben der russische Präsident Wladimir Putin und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu gemeinsam?

Die Antwort: Gegen beide Staatsoberhäupter hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle erlassen.

Theoretisch sind die Haftbefehle des IStGH für jene Mitgliedsstaaten verbindlich, die das sogenannte "Römische Statut" aus dem Jahr 1998 ratifiziert haben. Dem Gerichtshof gehören derzeit 125 Mitgliedstaaten an, darunter alle EU-Länder, während die USA, China und Russland keine Mitglieder sind.

Netanjahus Reise nach Ungarn Anfang des Monats war sein erster Besuch in einem IStGH-Mitgliedsland, seit im November 2024 ein Haftbefehl gegen ihn wegen Vorwürfen von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Krieges zwischen Israel und der Hamas erlassen wurde.

Der israelische Ministerpräsident bezeichnete die Entscheidung des IStGH seinerzeit als "antisemitisch".

Orbán und Netanjahu: Handeschütteln statt Handschellen für den israelischen Ministerpräsidenten
Orbán und Netanjahu: Handeschütteln statt Handschellen für den israelischen Ministerpräsidenten AP Photo

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sagte diesen Monat, die Institution sei "zu einem politischen Werkzeug degradiert worden", seine Regierung kündigte wenige Stunden nach Netanjahus Ankunft am 3. April den Austritt Ungarns aus dem IStGH an.

Solch ein Verfahren ist jedoch langwierig und dauert bis zu einem Jahr, nachdem eine formelle schriftliche Mitteilung eingereicht werden muss. Das bedeutet, dass Ungarn zum Zeitpunkt von Netanjahus Besuch in Budapest rechtlich eigentlich dazu verpflichtet war, den israelischen Ministerpräsidenten nach internationalem Recht zu verhaften.

Sind amtierende Staatschefs immun gegen Haftbefehle des IStGH?

"Den Gerichtshof gibt es erst seit etwas mehr als 20 Jahren, daher haben wir nur wenige Beispiele für Fälle, in denen Haftbefehle gegen Staatsoberhäupter ausgestellt wurden", so Mahmoud Abuwasel, Vizepräsident des Haager Instituts für Internationale Justiz, gegenüber Euronews.

"Aber in all diesen Fällen scheint es ein Problem mit der Einhaltung und Anwendung des Statuts zu geben", sagte er.

Die Richter des IStGH stellten, als sie den Fall des ehemaligen sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir untersuchten, bereits fest, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gibt.

Nicht immun gegen Haftbefehle: Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir
Nicht immun gegen Haftbefehle: Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir AP Photo

Al-Bashir war von 1989 bis 2019 an der Macht. 2009 und 2010 wurden gegen ihn Haftbefehle wegen Vorwürfen von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur erlassen.

Elizabeth Evenson, International Justice Program Director bei Human Rights Watch, erklärte, einige Staaten hätten behauptet, dass al-Bashir aufgrund seiner Immunität als amtierendes Staatsoberhaupt nicht verhaftet werden könne.

"Die Richter des IStGH haben dies untersucht und entschieden, dass er trotz der Tatsache, dass er ein Staatsoberhaupt ist, keine Immunität hat", sagte sie Euronews.

Seit dem Erlass der ICC-Haftbefehle gegen al-Bashir ist er in mehrere Länder gereist, die Mitgliedstaaten des Gerichtshofs sind, wie Menschenrechtsgruppen betonen.

Rechtsexperten zufolge sollte ein IStGH-Mitgliedstaat, der der Meinung ist, ausreichende Gründe zu haben, um einen Haftbefehl außer Kraft zu setzen, dies in Absprache mit dem Gericht tun.

"Soweit ich weiß, haben sich die Staaten oder Entscheidungsträger aber nicht darüber beraten, wie sie die Verhaftung eines Staatschefs aufheben könnten", so Abuwasel.

Welche Befugnisse hat der IStGH?

Der IStGH verfügt über keine eigenen Polizeibeamten und ist auf die Zusammenarbeit seiner Mitglieder angewiesen, jenen 125 Nationen, die das Römische Statut unterzeichnet und ratifiziert haben.

"Damit der IStGH erfolgreich sein kann, braucht er die Unterstützung der Regierungen, denn seine Befugnisse sind begrenzt", so Evenson.

Die Richter des Gerichtshofs haben zwar die Befugnis, Entscheidungen zu treffen und Urteile zu erlassen, doch sie haben nur dann Gewicht, wenn die Vertragsstaaten des IStGH sie auch durchsetzen.

Als beispielsweise die Mongolei im vergangenen September Wladimir Putin empfing, entschieden die IStGH-Richter, dass das Land gegen seine rechtlichen Verpflichtungen verstoßen hatte, den Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten zu erfüllen.

Russian President Vladimir Putin walks with Mongolian President Ukhnaagiin Khurelsukh during a welcoming ceremony at Sukhbaatar Square in Mongolia, 3 September 2024.
Russian President Vladimir Putin walks with Mongolian President Ukhnaagiin Khurelsukh during a welcoming ceremony at Sukhbaatar Square in Mongolia, 3 September 2024. AP Photo

Im März 2023 klagte der IStGH Putin des Kriegsverbrechens an. Der Vorwurf besteht darin, Hunderte von Kindern illegal aus der Ukraine deportiert zu haben. Damals bezeichnete der Kreml die Entscheidung des Gerichts als "null und nichtig".

Darüber hinaus hätten die Richter das Gremium der IStGH-Mitglieder - die Versammlung der Vertragsstaaten - auffordern können, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Die Versammlung der Vertragsstaaten ist das Aufsichts- und Gesetzgebungsorgan des Gerichtshofs, das sich aus Vertretern der Unterzeichnerstaaten zusammensetzt.

"Sie hätten der Mongolei das Stimmrecht in der Versammlung der Vertragsstaaten entziehen und ihr die Möglichkeit nehmen können, Kandidaten für den Richterstuhl des IStGH zu nominieren, in dem auch ein mongolischer Richter sitzt", erklärte Evenson.

In der Praxis wurde ihre Reaktion von Experten jedoch als schwach bezeichnet. "Bislang hat das Gremium von ICC-Mitgliedern nur sehr zögerlich Maßnahmen ergriffen", so Evenson.

Nach Ansicht einiger Rechtsexperten sollte der ICC eine härtere Gangart an den Tag legen, um die Nichteinhaltung von Haftbefehlen zu bestrafen.

"Es erscheint mir seltsam, dass die Nichtbeachtung von Haftbefehlen seit 15 Jahren vorkommt und das Gericht seine Befugnisse nicht nutzt, um die Verantwortlichen für die Nichtbefolgung eines Haftbefehls zu bestrafen", sagte Abuwasel.

"Der IStGH hat Sanktionsbefugnisse, er kann Haftstrafen anordnen, was eine extreme Maßnahme ist, aber er kann auch Geldstrafen gegen Einzelpersonen verhängen. Auch wenn das in gewisser Weise grausam klingt, muss es eine Abschreckung für Länder geben, die sich nicht daran halten", fügte er hinzu.

Haftbefehl als Druckmittel

Obwohl Kritiker bemängeln, dass die Tatsache, dass IStGH-Haftbefehle missachtet werden können, sie wertlos macht, argumentieren andere Rechtsexperten, dass sie zumindest als Druckmittel dienen können.

Seit gegen Putin im März 2023 ein Haftbefehl erlassen wurde, hat er mit Ausnahme der Mongolei im vergangenen Jahr keinen einzigen IStGH-Unterzeichnerstaat besucht. Inzwischen ist Ungarn hingegen der einzige IStGH-Mitgliedstaat, den Netanjahu seit der Ausstellung des Haftbefehls gegen ihn im November besucht hat.

Obwohl amtierende Staatsoberhäupter die Haftbefehle des IStGH zu umgehen scheinen, laufen die Anordnungen nicht aus, sobald sie nicht mehr an der Macht sind.

Anfang März wurde der ehemalige philippinische Präsident Rodrigo Duterte von den philippinischen Behörden auf der Grundlage eines IStGH-Haftbefehls wegen angeblicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem philippinischen Drogenkrieg verhaftet.

"Der Fall Duterte kann als eine Art Gegenbeispiel betrachtet werden und zeigt, dass IStGH-Haftbefehle funktionieren können", sagte Evenson. "Vor ein paar Jahren hätten nur wenige Menschen geglaubt, dass der Haftbefehl eingehalten werden würde. Auch wenn er kein amtierendes Staatsoberhaupt mehr ist, können Menschen, die an der Macht waren, immer noch von Regierungen geschützt werden."

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