"Win-win"-Deal und "historischer Moment" - die Kommentare der Gipfelteilnehmer waren überschwänglich. Aber an etlichen Stellen muss die neue Zusammenarbeit noch konkretisiert werden.
Beim ersten Gipfeltreffen seit dem Brexit haben die Vertreter der Europäischen Union und Großbritanniens sich am Montag in London auf engere Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung, Fischerei, Energie und Jugendmobilität geeinigt.
Der britische Premierminister Keir Starmer, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa schlossen eine neue strategische Partnerschaft und besiegelten drei Dokumente: Eine gemeinsame Erklärung zur Kooperation bei globalen Themen, eine Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft und eine gemeinsame Vereinbarung für eine neue Agenda der Zusammenarbeit.
Premierminister Starmer sprach von einem "Win-win"-Handel: "Heute haben wir dieses bahnbrechende Abkommen mit der EU geschlossen. Eine neue Partnerschaft zwischen einem unabhängigen Großbritannien und unseren Verbündeten in Europa", so Starmer nach dem Gipfeltreffen. "Es markiert eine neue Ära in unseren Beziehungen."
Ähnlich überschwänglich äußerte sich Von der Leyen, die das Abkommen als "historisch" bezeichnete - es werde "für die Menschen in Großbritannien und in der gesamten Union einen echten Unterschied machen." "Aber die Botschaft, die wir heute in die Welt senden, ist genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger. Es ist eine Botschaft, dass wir in Europa in einer Zeit globaler Instabilität und in einer Zeit, in der unser Kontinent der größten Bedrohung seit Generationen ausgesetzt ist, zusammenhalten", fügte sie hinzu.
Costa sprach von einem neuen Kapitel der Beziehungen mit Großbritannien.
Keine leichte Annäherung
Dem Gipfeltreffen war ein Verhandlungsmarathon bis wenige Stunden vor Gipfelbeginn vorausgegangen. Auf der einen Seite hielt die EU an ihrer Position zu einer umfassenden Vereinbarung fest. Auf der anderen Seite hatte die britische Labour-Regierung ihre politische Konkurrenz im Nacken nach Kommunalwahlen, bei denen die Reformpartei des Brexiteers Nigel Farage gut abschnitt.
Die gemeinsame Vereinbarung, die die Modalitäten unter anderem bei Fischereirechten, gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften (SPS) und Jugendmobilität festlegt, war daher am schwierigsten zu verhandeln. Politisch am schwierigsten zu verkaufen sind für Gastgeber Keir Starmer die Verlängerung des vollständigen gegenseitigen Zugangs zu Fischereigewässern um 12 Jahre und die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für SPS-Fragen.
Die derzeitigen Fischereivorschriften laufen im Juni 2026 aus. Starmer wies Behauptungen zurück, er habe die britische Fischereiindustrie zugunsten einer engeren Angleichung an die EU in anderen Fragen verraten, und erklärte gegenüber Reportern, bei dem Abkommen gehe es um Rechnungen, Arbeitsplätze und um die Grenzen. Es sei unglaublich wichtig für die Branche, denn 70 Prozent des Fischs würden in den Europäischen Markt exportiert.
Beide Seiten betonten, dass das Paket ehrgeizig und ausgewogen sei und vor allem keine der roten Linien überschreite, die beide Seiten zu Beginn der Gespräche gezogen hätten.
Details zur Verteidigung noch unklar
Großbritannien und die Europäische Union zeigen sich offen für den Abschluss eines Verteidigungs- und Sicherheitspakts. Anders als frühere konservative Regierungen, die dies während der ursprünglichen Brexit-Verhandlungen ablehnten, zieht Premierminister Starmer nun eine britische Beteiligung am zivilen und militärischen Krisenmanagement der EU in Betracht.
Darüber hinaus ist auch eine Mitwirkung Großbritanniens an gemeinsamen Rüstungsbeschaffungen innerhalb der EU denkbar.
Dieser gute Wille muss nun fortgesetzt werden, da beide Seiten schnell an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen, um die in der gemeinsamen Vereinbarung enthaltenen Abmachungen durch rechtliche Vorgaben zu konkretisieren.
Das Gleiche gilt für die Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung, da die an diesem Montag vereinbarte Partnerschaft den britischen Herstellern noch nicht erlaubt, am 150 Milliarden Euro schweren SAFE-Programm der EU zur Förderung der gemeinsamen Beschaffung teilzunehmen. So muss beispielsweise noch festgelegt werden, wie viel das Vereinigte Königreich in den EU-Haushalt einzahlen muss, um teilnehmen zu können.
Das Instrument, das Teil des EU-Plans Readiness 2030 zur Stärkung des Verteidigungssektors und der Fähigkeiten der EU ist, sieht eine so genannte europäische Präferenz vor, wonach etwa 65 Prozent der gekauften Waffensysteme in der EU oder von einem Hersteller aus einem Drittland hergestellt werden müssen, sofern entsprechende Vereinbarungen bestehen.
Im Rahmen der Partnerschaft verpflichten sich beide Seiten auch zu einem zweimal jährlich stattfindenden außen- und sicherheitspolitischen Dialog zwischen EU und Großbritannien sowie zu einem neuen jährlichen sicherheits- und verteidigungspolitischen Dialog und einem Austausch in vielen Bereichen von der "Friedensvermittlung bis zur Krisenreaktion".
Die politische Einigung im Energiebereich beinhaltet die Bereitschaft, die Teilnahme Großbritanniens am EU-Binnenmarkt für Elektrizität zu prüfen, wobei der Text deutlich macht, dass London in der endgültigen Einigung einer "dynamischen Anpassung" an die EU-Vorschriften zustimmen muss und dass alle Fragen der Schlichtung vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden müssen.
Auch bei der Zusammenarbeit für mehr Jugendmobilität, die in Großbritannien umstritten und besonders von Deutschland gewünscht ist, müssen Einzelheiten noch konkretisiert werden. Die Vereinbarung sieht eine alters- und zeitbegrenzte Mobilität vor, die es jungen Menschen ermöglicht, im Gebiet der jeweils anderen Partei zu reisen, zu arbeiten, Freiwilligenarbeit zu leisten und zu studieren.
Die drei Staats- und Regierungschefs kamen überein, dass das Gipfeltreffen an diesem Montag "das erste von vielen" sein soll, wie Costa sagte, und dass die Treffen jährlich stattfinden sollen.