Seit einigen Jahren befindet sich Deutschland in einer Autokrise. Nun kommt der Zoll-Deal der EU und den USA oben drauf. Wirtschaftsprofessor Kreiss warnt bei Euronews: "Jetzt könnten Autokonzerne Teile in die USA verlegen." Verschärft sich der Niedergang? Autoexperten rechnen vor.
Streiks, Stellenstreichung, Gewinneinbrüche, drohende Werkschließungen: Deutschland befindet sich in einer ernsten "Autokrise". Sie ist existenziell. Die Gründe sind vielfältig: Schleppende Anpassung an Digitalisierung und Elektromobilität, der überlegene Wettbewerber China, hohe Energiekosten, viel Bürokratie. Mittlerweile betrifft dies Autohersteller und Autozulieferer.
Obendrauf: Kommt nun ein von EU-Kommissarin Ursula von der Leyen ausgehandelter Zoll-Deal mit Donald Trump – den alle Parteien, gleich welches politische Spektrum, in Deutschland kritisieren.
Das ist der Zoll-Deal:
- Statt angedrohten 30 Prozent US-Strafzölle auf EU-Produkte gilt künftig ein Basiszollsatz von 15 Prozent. Die USA hingegen müssen 0,0 Zoll an die EU zahlen. Für die EU bleibt bei Stahl- und Aluminiumimporte der US-Zollsatz bei 50 Prozent.
- Die EU hat sich verpflichtet US-Energien im Wert von 750 Milliarden US-Dollar zu importieren. Obendrauf kündigte die EU-Chefin Investitionen europäischer Unternehmen von 600 Milliarden US-Dollar in den USA an.
Der renommierte Wirtschaftsexperte Christian Kreiss warnt gegenüber Euronews: Nun könnten Teile der Automobilindustrie in die USA abwandern! Der Professor meint: "Also wenn ich Automobilkonzernchef wäre, würde ich jetzt einen Teil in die USA verlagern. Denn nun kommen nochmal die 15 Prozent auf all die Probleme drauf."
Kreiss, Professor von der Hochschule Aalen erklärt: "Die 30 Prozent Zoll sind es zwar nicht. Aber bisher waren es im Schnitt nur wenige Prozente, so viereinhalb Prozente – jetzt sind es locker 10 Prozentpunkte mehr als vorher. Wenn ein Porsche 50.000 Euro gekostet hat, kostet er für die Amerikaner 65.000. Das gilt auch für Mercedes und BMW. Die Käufer in den USA werden sich also nun fragen: Muss ich ein europäisches Auto fahren?"
Wirtschaftsprofessor: "Der Automobilindustrie geht es total dreckig!"
Christian Kreiss wird noch deutlicher: "Der Automobilindustrie geht es total dreckig! Ich war gerade in Baden-Württemberg, dort läuft es ziemlich schlecht in der gesamten Branche. Dort habe ich eine Masterstudienklasse für Wirtschaftsingenieurswesen. Viele meiner Studenten haben Werkverträge mit Porsche und Mercedes. Doch die erzählen mir, dass sie sie nicht mehr einstellen können. Die Konjunktur bei Autos ist ohnehin schon schwach, jetzt kommen 11 Prozentpunkte Zoll oben drauf. Das kann nicht gut gehen."
Für die Automobilhersteller wäre es nun profitabler, Teile in die USA zu verlegen. In Deutschland seien aufgrund der Energiepolitik seit des Ukraine-Krieges die Kosten für die Produktion zu hoch. "In den USA hingegen sind niedrige Kosten für die Produktion. Es würde sich lohnen."
"Wenn Konzerne überleben wollen, müssen sie teils raus"
Professor Kreiss: "Wenn die Autokonzerne überlegen, ob sie in 10, 20, 30 Jahren noch existieren wollen, dann wissen sie: dass sie aus betriebswirtschaftlicher Sicht raus aus Deutschland teils müssen. Denn mit dieser Politik ist kein Gewinn in Aussicht". Wenn die Politik das ändern wolle, müsse sie jetzt sofort für günstige Energie für Hersteller und Kaufkraft sorgen.
Aufgrund von Standort-Nachteilen in der EU haben einige Automobilkonzerne ihre Produktionen in andere Staaten, darunter in die USA, verlegt. So verlagert Mercedes die Produktion seines wichtigsten Modells: Das Bestseller-Modell GLC mit Verbrennungsmotor wird 2027 im US-Werk in Alabama gebaut. Bisher wurde er in Bremen und Sindelfingen, also Deutschland, hergestellt.
Energieexperte: "Von der Leyen hat Abwanderung verursacht und serviert sie Trump jetzt auf dem Silbertablett"
Auch Energieexperte Björn Peters ist schockiert über den Zoll-Deal der EU. Er meint zu Euronews: "Frau von der Leyen will 600 Milliarden US-Dollar von privaten europäischen Unternehmen als Direktinvestitionen in die USA haben. Ich sage: 600. Milliarden wird sogar übertroffen werden."
Denn: "Das Geld, was von der Leyen hier für Trump dreist eingerechnet hat, das sind in Wahrheit bereits die vorhandenen Abwanderungspläne deutscher Unternehmer. Das bedeutet: Ursula von der Leyen nimmt für einen schlechten 'Zoll-Deal' die Abwanderung der deutschen Industrie – die sie selbst politisch mit verursacht hat – billigend in Kauf und serviert sie Trump noch auf dem Silbertablett!"
Peters meint: „Die Autoindustrie steckt sowieso in Abwanderung. Wir haben bereits existenzielle strukturelle Schwächen, die letztlich durch eine falsche grüne Politik aufgebaut wurde. Hohe Energiepreise, zu viel wetterabhängiger Strom, Bürokratismus, Green Deal, renewable energy directive,* Verbrennerverbot und mehr: Mit all dem haben wir unsere Wirtschaft geschwächt." Die Zölle würden nun "bloß den nächsten Schock" den Firmen geben. "Wir haben es selbst verbockt, schon bevor die 15 Prozent oben drauf kamen." Die Politik müsse dringend aufwachen.
Autoexperte rechnet Folgen für Autobranche vor
Der Automobilexperte Professor Hartmut Feucht meint betont bei Euronews, dass Autobauer wie VW, BMW und Mercedes bereits Werke in den USA besitzen. "Wenn sie die Verlagerung weiterer Produktionskapazitäten vollziehen, könnte sie tatsächlich Zollkosten umgehen."
Denn: "Fahrzeuge, die in den USA produziert werden, unterliegen nicht den 15 Prozent Zöllen." Auch könnten diese Fahrzeuge potenziell zollfrei in die EU exportiert werden, "da die EU im Rahmen des Deals keine Gegenzölle auf US-Autoimporte eingeführt hat".
Der Wirtschaftsexperte und Unternehmensberater erklärt: "Auch andere Experten wie Stefan Hecht von Advyce & Company erwarten ja, dass Hersteller Teile der Produktion aus Mexiko in die USA verlagern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies könnte AUCH für deutsche Standorte gelten – insbesondere für markenstarke Modelle wie SUVs."
Der Zoll-Deal senke zwar die US-Zölle auf Autos von 27,5 Prozent auf 15 Prozent, was eine gewisse Entlastung darstellt, aber dennoch immense negative Auswirkungen habe.
Übrigens: Deutsche Hersteller wie BMW oder Volkswagen zahlten in letzten Jahren nur die regulären 2,5 Prozent US-Zölle. Für einige Automobilkonzerne gab es Ausnahmen von den 25 Prozent Strafzöllen, die die USA 2018 einführten.
Wer in Europa bleibt, könnte bestraft werden: Denn laut Professor Feucht könnten die Autoexporte mit diesem Zoll-Deal einen Verlust in Milliardenhöhe von sich ziehen. "Besonders betroffen sind Premiumhersteller wie BMW, Mercedes, Porsche und VW, die stark auf den US-Markt angewiesen sind."
Bitter: "Zudem drohen bis zu 70.000 Arbeitsplätze in der deutschen Auto- und Zulieferindustrie gefährdet zu sein, falls keine Verrechnungsmöglichkeiten, zum Beispiel für in den USA produzierte Fahrzeuge, geschaffen werden."