Wie spät ist es auf dem Mond?

Immer mehr Länder wollen den Mond besiedeln. Da stellt sich die Frage: Wie spät ist es da oben?
Immer mehr Länder wollen den Mond besiedeln. Da stellt sich die Frage: Wie spät ist es da oben? Copyright Marco Ugarte/AP
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Von Marta Rodriguez Martinez
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Wie ticken die Uhren auf dem Mond? Diese Frage bereitet der Wissenschaft Kopfzerbrechen. Ohne Einigung droht bald Chaos auf dem Erdtrabanten.

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Eine Kaffeepause mit Kollegen um 15.30 Uhr auf einer Mondstation. Momentan wäre das unmöglich. Nicht nur, weil es dort keine Stationen gibt, sondern auch keine offizielle Uhrzeit. Forschende wollen das ändern, damit auf dem Mond in Zukunft kein Chaos ausbricht.

Wie spät ist es da oben?

Geht es nach der NASA, sollen schon 2025 wieder Menschen ihre Fußspuren im Mondstaub hinterlassen. Für unseren Erdtrabanten gibt es große Pläne. Auch China und Russland haben sich den Mond als Ziel auserkoren. Künftig sollen dort sogar feste Basen errichtet werden.

Da stellt sich die Frage: Wie verabredet man sich eigentlich auf dem Mond? Welche Uhrzeit herrscht dort oben? Um die Uhren aufeinander abzustimmen, wollen Fachleute von ESA, NASA und Co. einen lunaren Zeitstandart festlegen.

Internationale Forschende trafen sich im November 2022 erstmals in den Niederlanden, um nach Antworten auf die Zeitfrage zu suchen. Und sie müssen sich in den kommenden Jahren einigen, um ein Zeit-Chaos auf dem Mond zu verhindern. Denn dort dürfte es bald mehr Verkehr geben.

Welche Ansätze gibt es? Euronews hat bei Francisco Diego vom Fachbereich Physik und Astronomie des University College London nachgefragt.

Was entspricht einer Stunde auf dem Mond?

Auf unserem Planeten wird die Zeit anhand der Umdrehungen der Erde um die eigene Achse gemessen. Sie definieren, was wir als Tag und Nacht bezeichnen. Eine vollständige Umdrehung dauert 24 Stunden. Und für einen Umlauf um die Sonne braucht die Erde ein Jahr, 365 Tage.

Beim Mond ist das anders. Von einer Mondphase zur nächsten braucht er 29,5 irdische Tage. "Auf dem Mond können wir also den Auf- und Untergang der Sonne über einen Zeitraum von 14 Tagen beobachten", erklärt Francisco Diego. "Die Definition dieser Zeit wird auch wichtig sein, da sie sich nach der Höhe der Sonne über dem Horizont richtet", fügt er hinzu.

Die nächste Herausforderung: Die Uhren ticken auf dem Mond anders. Und zwar pro Tag 56 Mikrosekunden schneller. Der Grund: Der Mond hat ein schwächeres Gravitationsfeld als die Erde. Und so winzig diese Verschiebung auch ist, sie kann einen großen Unterschied machen, wenn es um Ortsbestimmungen und Kommunikation geht.

Wie kann die Zeit auf dem Mond gemessen werden?

Die ESA schlägt ein internationales Abkommen über einen Referenzrahmen vor, "ähnlich der Rolle, die der Internationale Terrestrische Referenzrahmen auf der Erde spielt, der die konsistente Messung präziser Entfernungen zwischen Punkten überall auf unserem Planeten ermöglicht."

Diego schlägt vor: "Man müsste die Zeit basierend auf dem zentralen Meridian des Mondes festlegen. Auf dem Breitengrad, dem Nullmeridian, der der vertikalen Linie entspricht, die erscheint, wenn sich der Mond in der letzten abnehmenden oder zunehmenden Phase befindet", erklärt der Astronom.

"Und von dort aus würde die Zeitzone in Grad gemessen werden, aber basierend auf der Höhe der Sonne, sodass die Menschen feststellen können, welche Sonnenzeit zu diesem Zeitpunkt herrscht."

Wie spät ist es auf der ISS?

Die Astronauten auf der Internationalen Raumstation kreisen zwar 354 Kilometer über unserem Planeten, stellen ihre Uhren aber nach einer Zeitzone auf der Erde, nämlich der Weltzeit, der sogenannten UTC. Die stimmt mit der Londoner Zeitzone überein.

Das hat seine Nachteile. "Auf der Internationalen Raumstation ist der Tag 90 Minuten lang", sagt Francisco Diego. "Die Astronauten sehen die Sonne 16 Mal am Tag auf- und untergehen." Aber es sei dennoch der praktischste Weg, der bislang gefunden wurde, um die Kommunikation mit der Erde aufrechtzuerhalten.

AP/Roscosmos State Space Corporation
Die Internationale Raumstation ISS 354 Kilometer über der Erdoberfläche.AP/Roscosmos State Space Corporation

Wer wird die Mondzeit festlegen?

1884 fand auf Drängen der UNO in Washington eine internationale Meridiankonferenz statt. Ziel: Ordnung ins Längengrad-Durcheinander bringen. Es ging darum, "einen Meridian zu bestimmen, der als gemeinsamer Nullpunkt der geographischen Länge und als Standard für die Zeitberechnung auf dem gesamten Globus verwendet werden soll", erklärt unser Experte.

Das Ergebnis war der Meridian von Greenwich, der durch das Royal Observatory in London, verläuft. Dieser Nullmeridian dient als Grundlinie der Orientierung auf der Erde: Er trennt Ost und West und ist Basis für die Zeitmessung: Alle Zeitzonen stehen in Bezug zum nullten Längengrad.

Die ESA möchte über ein ähnliches internationales Abkommen die Mondzeit bestimmen. "Das sind sehr gefährliche Missionen, die viel Hilfe aus allen Ländern erfordern. Wir müssen uns alle zusammenschließen und den Weltraum nach den gleichen Regeln erforschen", mahnt Diego.

Er erklärt, dass diese Art von Abkommen in dem 1967 von den UN-Ländern unterzeichneten Weltraumvertrag verankert werden müsse. Dieser legt im Detail fest, wie die Erforschung und Nutzung des Mondes zu erfolgen hat.

Mondzeit: Grund zur Eile

Bisher war es so, dass Mondexpeditionen sich an der Weltzeit UTC orientieren, sich aber untereinander nicht synchronisieren. Bei der geringen Anzahl an Raumschiffen und Missionen auf und um den Mond war das problemlos möglich.

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Mit der geplanten Errichtung von permanenten Basen auf der Mondoberfläche wird es aber komplizierter. Denn das bedeutet auch mehr Menschen und mehr Verkehr.

Für Diego gibt es also Grund zur Eile. Es sei dringend "notwendig, die Kommunikation zur Erde von all diesen Mondmissionen aus aufrechtzuerhalten", sagt der Forscher.

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