"Wir wollen Frieden und keine Illusionen"

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Von Euronews
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Auch nach der mit Spannung erwarteten UN-Vollversammlung, bei der Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas seinen Antrag auf Vollmitgliedschaft in der UN stellte,

besteht weiterhin wenig Hoffnung auf eine Veränderung der israelischen und palästinensischen Positionen. Vermittler des so genanten Nahost-Quartetts tun jetzt ihr Möglichstes, um beide Seiten wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, bisher ohne Erfolg.

Euronews-Journalistin Fariba Mavaddat: “Ich bin hier mit Reuven Rivlin, dem Präsidenten des Israelischen Parlaments.

Herr Rivlin, was ist nötig, um die Israelis ohne Vorbedingungen an den Verhandlungstisch zurück zu bringen?”

Reuven Rivlin: “Wir bestehen auf Verhandlungen ohne Vorbedingungen. Aber es geht natürlich darum, den Konflikt zu beenden. Wir wollen Frieden und keine Illusionen. In den vergangenen 25 Jahren gab es zahlreiche Versprechungen, die uns viele Illusionen machten, und das ist sehr gefährlich.”

Euronews: “Das Nahostquartett, dem Sie vertrauen, hat die Grenzen von 1967 angesprochen und ein Ende aller Siedlungsaktivität gefordert.”

Reuven Rivlin: “Naja zunächst muss man sehen, dass der Konflikt nur zwischen den beiden Parteien gelöst werden kann. Es gibt keine andere Möglichkeit, als eine Lösung zu finden, damit die Feindseligkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufhören und ein Zusammenleben möglich wird, da wir denselben winzigen Flecken Erde bewohnen.”

Euronews: Dass Mahmoud Abbass eine “Zwei-Staaten-Lösung” ansprach, bedeutet doch, dass er indirekt den Staat Israel anerkennt.

Reuven Rivlin: “Er hat ersteinmal die beiden Staaten akzeptiert, den palästinensischen und den aller Bürger. Er ignoriert die Tatsache, dass Israel ein jüdischer Staat ist. Aber es gibt nun Mal die beiden Völker und den Konflikt zwischen ihnen. Und beide glauben sich im Recht.”

Euronews: “Wir kommen später auf den jüdischen Staat zurück. Sprechen wir über die besetzten Gebiete. Sie nannten sie israelisches Heimatland. Warum akzeptieren Sie nicht, dass es auch die Heimat der Palästinenser ist, die ein Recht auf ihren unabhängigen Staat haben.

Reuven Rivlin: “Also ersteinmal sind 20 Prozent der Bevölkerung Israels Palästinenser, palästinensische Israelis. 17 davon sind in unserem Parlament. Wir leben im selben Land, wir alle halten es für unsere Heimat. Wir leben zusammen. Kein Abkommen wird am demografischen Problem etwas ändern, ebensowenig wie an den geografischen Linien zwischen den beiden Seiten. Die Israelis haben den Verträgen von Oslo zugestimmt; die Israelis haben der Roadmap des Nahostquartetts zugestimmt, sie haben der amerikanischen Roadmap zugestimmt.

Euronews: “Bedeutet das, dass Israel bereit wäre, sich von den besetzten Gebieten zurück zu ziehen und die Grenzen von 1967 zu akzeptieren?

Reuven Rivlin: “Wir sind bereit, uns mit den Palästinensern zu einigen. Leider sind die Palästinenser der Ansicht, dass auch Jerusalem, Tel Aviv, Jaffa und das Land Israel besetztes Gebiet seien. Sie akzepieren nicht…”

Euronews: “Ich meinte das Westjordanland und die Grenzen von 67.”

Reuven Rivlin: “Jeder und alles in Israel ist Westjordanland. Alles, was westlich des Jordanflusses liegt, ist die Westseite.”

Euronews: “Ich meine die Grenzen von 1967, wie sie das Nahostquartett zitiert.”

Reuven Rivlin: “Wenn die Palästinenser einsehen, dass wir für ein Ende des Konfliktes klare Grenzen zwischen beiden Seiten brauchen, dann wird es eine Lösung geben. Aber wennn sie glauben, dass sie heute die Grenzen von 1967 akzeptieren können, quasi als Etappe auf dem Weg zu den Grenzen von 1948, dann haben wir ein Problem, verstehen Sie.”

Euronews: “Irgendwo muss man anfangen…”

Reuven Rivlin: “Sicher.”

Euronews: “Aber man kann Entscheidungen nicht auf spekulativen Grundlagen fällen. Fakt ist, dass Israel nach dem Krieg von 1967 Land besetzt und annektiert hat und diese Gebiete keine rechtmäßigen Teile Israels sind.”

Reuven Rivlin: “Dummerweise verhandeln wir nicht mit Europäern, sondern mit den Palästinensern. Mehr als die Hälfte der Palästinenser und die Hamas weigern sich, den Staat Israel überhaupt anzuerkennen. Sobald sie ein Ende des Konfliktes wollen, die Vergangenheit hinter sich lassen und sagen: ‘wir freuen uns auf die Zukunft’, werden direkte Verhandlungen uns dahin bringen, dass wir friedlich, mit offenen Grenzen nebeneinander leben können…”

Euronews: “Da gehören aber doch zwei dazu.”

Reuven Rivlin: “Natürlich verlange ich von mir dasselbe wie von den anderen. Leider glaubt Mahmoud Abbas, er könne mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft den Verhandlungsweg abkürzen und uns einen Frieden aufzwingen. Das können wir natürlich nicht akzeptieren.”

Euronews: “Glauben Sie, dass die Anerkennung eines Palästinenserstaates, den militärischen Arm und die extremistischen Aktivitäten von Hamas und Hisbollah lahm legen wird?”

Reuven Rivlin: “Da bin ich mir nicht so sicher. Die Erfahrung hat gezeigt, dass nachdem wir Hamas als eine politische Bewegung zuließen, sie die Mehrheit gewann und jetzt die Straßen von Gaza beherrscht. Die Leute sagen dass sie nach den kommenden Wahlen auch in Orten in Judäa und Samaria, also im Westjordanland herrschen wird.”

Euronews: “Frieden zu schließen erfordert viel Mut. Ist Israel bereit diesen Mut zu beweisen und so dem Konflikt ein Ende zu setzen?”

Reuven Rivlin: “Wir beten dafür. Jetzt sprechen wir über 1967, dann werden wir über 48 reden, danach über 47…”

Euronews: “Sind Sie bereit den ersten Schritt der weiten Reise zu gehen und sich in die Grenzen von 67 zurück zu ziehen?”

Reuven Rivlin: “Wenn Sie mich fragen, was wir danach bekommen, ob wir dann Frieden bekommen, müssen wir das in der Knesset entscheiden. Ich versichere Ihnen, dass über 80 Prozent der Abgeordneten – von mir ganz zu schweigen – für ein Abkommen stimmen würden, das ein Ende des Konflikts bringt.”

Euronews: “Reuven Rivlin, Danke.”

Reuven Rivlin: “Gerne. Danke Ihnen.”

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