In dem vorab verbreiteten Redetext seiner Neujahrsansprache beschreibt der Kanzler eine Welt im Dauerkrisenmodus, und insistiert dennoch auf Handlungsfähigkeit. Ausgestrahlt wird die Rede am 31. Dezember.
Am 30. Dezember hat Friedrich Merz seine erste Neujahrsansprache als Bundeskanzler aufgezeichnet.
In einer Welt, die Merz als unsicher, konfliktreich und zunehmend fragmentiert beschreibt, versuchte er mit seiner Rede, einen Gegenakzent zu setzen: nicht Beschwichtigung, sondern Selbstvergewisserung. "Wir sind kein Spielball von Großmächten", so der Kanzler, der damit offen dem Gefühl vieler Menschen widersprach, dass Deutschland angesichts globaler Krisen an Einfluss und Kontrolle verliere, heißt es in übereinstimmenden Medienberichten.
Stattdessen betonte er die eigene Handlungsfähigkeit: Deutschland sei weder Opfer äußerer Umstände noch machtlos gegenüber internationalen Entwicklungen.
Merz sprach zudem den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine an und erinnerte daran, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer erneut unter extremen Bedingungen ins neue Jahr gingen: ohne Sicherheit, teils ohne Strom und unter anhaltendem Raketenbeschuss.
Zugleich machte er klar, dass dieser Krieg nicht an Deutschlands Grenzen ende. Sabotage, Spionage und Cyberangriffe seien längst Teil des Alltags, auch hierzulande. Russlands Vorgehen, so Merz, richte sich gegen ganz Europa.
Deutschland sei jedoch ein sicheres Land, so Merz, der ergänzte, dass diese Sicherheit jedoch kein Selbstläufer sei. Europa müsse seine Abschreckungsfähigkeit stärken und eigene Interessen konsequenter verteidigen.
Merz' Neujahrsansprache schien bewusst allgemein gehalten zu sein, dennoch setzte er einen klaren Akzent auf mehr europäische Eigenständigkeit in Sicherheitsfragen.
Neben der außenpolitischen Lage sprach Merz über strukturelle Veränderungen, die das Land langfristig prägen. Der weltweite Protektionismus, strategische Abhängigkeiten von Rohstoffen und das veränderte Verhältnis zu den USA nannte er als Risiken für Wohlstand und Stabilität.
Auch hier verband er Diagnose und Anspruch: Deutschland und Europa müssten lernen, sich weniger verwundbar zu machen.
Innenpolitisch zeigte sich der Kanzler ungewöhnlich offen für Kritik. Viele Menschen spürten die bisherigen Reformen kaum, räumte er ein. Das reiche ihm zufolge nicht. Zugleich kündigte er weitere grundlegende Reformen an, insbesondere bei der Rente und dem Sozialstaat. Der demografische Wandel, steigende Kosten und der technologische Umbruch ließen aus seiner Sicht keinen Spielraum für Stillstand.
Der Ausblick der Rede zielte auf 2026. Das Jahr könne, so Merz, für Deutschland und Europa zu einem Moment des Aufbruchs werden. Voraussetzung sei hierfür Vertrauen in die eigene Kraft, in Reformen und in demokratische Prozesse, auch wenn diese oft langwierig und konflikthaft seien. Resignation, so Merz, sei jedoch keine Option.