Quino: "Ich glaube an den menschlichen Geist"

Quino: "Ich glaube an den menschlichen Geist"
Von Euronews
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Joaquin Salvador Lavado “Quino”, 1932 im argentinischen Mendoza geboren, ist der erste Karikaturist, der mit dem Prinz-von-Asturien-Preis in der Kategorie Kommunikation und Humanwissenschaften ausgezeichnet worden ist. Quino ist der Vater von “Mafalda”, die vor 50 Jahren seiner Feder entsprungen ist. Wegen eines Glaukoms kann Quino nicht mehr zeichnen. Die Fragen und Überlegungen der kleinen “Mafalda” haben jedoch nichts von ihrer Durchschlagskraft verloren. Für euronews sprach Francisco fuentes mit Quino.

euronews: “Willkommen. Danke, dass Sie bei uns sind.”

Quino: “Ich danke Ihnen.”

euronews: “Der Prinz-von-Asturien-Preis für Kommunikation und Humanwissenschaften – was bedeutet das für Sie? Was empfinden Sie?”

Quino: “Ich bin sehr glücklich, denn ich hatte vor diesem Preis stets großen Respekt. Er wurde immer an Leute verliehen, die ich sehr respektiert habe, deren Werk ich sehr mochte.”

euronews: “Sie sind der erste Karikaturist, der diesen Preis erhält.”

Quino: “Ich hoffe, dass ich nicht der letzte bin.”

euronews: “Denken Sie, dass humoristische Zeichner genügend Anerkennung erhalten?”

Quino: “Ich denke schon. Ich denke, seitdem Umberto Eco dieser gezeichneten Literatur eine gewisse Bedeutung verliehen hat, ist es für uns viel besser geworden.”

euronews: “Wie sehen Sie die Zukunft des graphischen Humors?”

Quino: “Wir befinden uns in einer technologisschen Umbruchsphase. Im Moment wissen wir nicht, wie das enden wird. Das ist wie mit dem elektronischen Buch. Anfangs gab es Befürchtungen, dass sich das auf die gedruckten Ausgaben auswirken könnte. Das ist aber nicht geschehen, es ist also schwierig, die Zukunft vorauszusagen.”

euronews: “Hätten Sie heute Tablets und Twitter in ihre Zeichnungen eingebracht?”

Quino: “Zu Beginn dieser neuen Ära habe ich mich damit amüsiert, die neuen Technologien zum Zeichnen zu benutzen, diese Terminologie, zumeist auf Englisch, die diese Leute benutzten, die genau wussten, was sie sagen wollten. Ich denke, diese Technik wird die menschlichen Beziehungen beeinflussen. Sie haben sich schon sehr geändert. Es gibt aber ein besonderes Handicap: Die Leute sind mit zehntausenden Menschen in Kontakt, aber sie haben keine Freunde, mit denen sie reden können. Das ist sehr merkwürdig.”

euronews: “Sprechen wir ein wenig über Mafalda, die einer der Gründe dafür ist, dass sie jetzt hier sind. Sie feiert ihre 50 Jahre, seit einigen Monaten reist eine Ausstellung um die Welt. Ihre humoristischen Etiketten haben eine große Bedeutung. Haben Sie sich das vorstellen können, als Sie damit begonnen haben?”

Quino: “Nein. Ich habe nichts erwartet. Ich habe angefangen, diese Persönlichkeit zu publizieren, ohne viel darüber nachzudenken, wie sie war. Ich habe nicht genug gearbeitet, bevor ich sie veröffentlicht habe. Aber zu einem bestimmten Zeitpunkt habe ich darüber nachgedacht, wie ich ihr Kontinuität verleihen kann. Also habe ich mir überlegt, dass sie ihren Eltern Fragen stellen kann, Fragen, auf die niemand eine Antwort hat. Etwa: Warum gibt es Krieg und arme Leute? Warum zerstören wir den Planeten? Fragen, auf die niemand antworten kann. Ich fand, das sei ein gutes Mittel, damit die Leute sich für Mafalda interessieren.”

euronews: “Warum vergeht die Zeit für Mafalda nicht? Sie hat keine Falten bekommen und ist fast eine Persönlichkeit der Ewigkeit geworden.”

Quino: “Nein. Ich denke, an dem Tag, an dem die Leser sich darüber klar werden, dass es keine neuen Technologien in meinen Geschichten gibt, werden sie feststellen, dass diese Person nicht aus unserer Zeit ist und dann werden sie das Interesse daran verlieren.”

euronews: “Angesichts der Tatsache, dass Mafalda immer noch aktuell ist, könnte man meinen, dass die Welt sich in den vergangenen 50 Jahren kaum verändert hat.”

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Quino: “Sehr wenig. Und das ist eine große Enttäuschung, denn das heisst ja, dass wir immer noch die gleichen Fehler machen, dass wir kaum voran gekommen sind, außer in der Technologie.”

euronews: “Warum geht es der Welt so schlecht?”

Quino: “Ich glaube, weil wirtschaftliche Interessen den Platz politischer und ideologischer Interessen eingenommen haben. Heute gibt es keine Ideologien mehr, das ist sehr merkwürdig für jemanden meiner Generation. Die Generation der 68er, deren Leitmotiv die Vorstellung der Macht war. Alles war so schön, heute ist davon nichts mehr übrig.”

euronews: “Eine der Eigenschaften von Mafalda ist, dass sie keine Suppe mag. Ich habe gelesen, dass sie die Suppe als Metapher für die argentinische Militärdiktatur genommen haben. Wie haben sie und ihre Familie diese Zeit erlebt, die sie ja dann ins Exil nach Italien gezwungen hat?”

Quino: “Nun, wie alle unsere Landsleute ging es uns sehr schlecht. Seine Heimat verlassen zu müssen, ist sehr beängstigend. Kontakte zu Freunden, der Familie und Menschen zu verlieren, die man liebt. Heute ist die Welt voller menschlicher Migration, man muss also nicht erklären, was das bedeutet.”

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euronews: “Wie sehen sie die derzeitige Entwicklung Lateinamerikas?”

Quino: “Ich beobachte, aber ich schaffe es nicht zu verstehen, was vor sich geht. Bis vor fünf Jahren war ich viel ruhiger dabei, jetzt bin ich sehr neugierig, zu wissen, wie es weitergeht.”

euronews: “Und Europa?”

Quino: “Europa beunruhigt mich genauso wie Lateinamerika.”

euronews: “Vergessen wir nicht, dass sie in Buenos Aires und Madrid leben. Das macht sie zu einem priviligierten Beobachter.”

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Quino: “Europa ist für die Leiteinamerikaner ein kulturelles Leuchtfeuer. Derzeit weiss man nicht, ob die Europäische Union sich weiter integrieren oder komplett auflösen wird. Es gibt Länder, die unabhängig werden wollen, das finde ich sehr schlimm. Nein, nicht Länder, sondern Regionen. Denn in Momenten der Unsicherheit sollte man eher einig sein, als auseinander zu gehen.”

euronews: “Kehren wir zu Mafaldas Suppe zurück. Was wäre die Suppe Mafaldas heute? Die Suppe allen Übels?”

Quino: “Die Suppe Mafaldas wäre heute ein wenig das Erstarken des Terrorismus, mit dem der Okzident nicht umgehen kann, denn der Okzident hat sich nie darauf vorbereitet, andere Kulturen gut kennen zu lernen, um zu wissen, wie man mit ihnen umgeht.”

euronews: “Wie sieht Quino die Welt?”

Quino: “Ich lese häufig in der Bibel, um Ideen für meine Zeichnungen zu finden – obwohl ich nicht gläubig bin und nie mit einem religiösen Esprit gelesen habe. Ich glaube nicht nur, dass die Länder seit zwei Jahrhunderten dieselben Fehler machen, sondern dass der Mensch eine Tendenz dazu hat, das abzunutzen, was er gut gemacht hat.”

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euronews: “Woran glauben Sie?”

Quino: “An den menschlichen Geist, obwohl es Zeiten gab, während derer die Menschheit rückwärts gegangen ist, etwa während des Nationalsozialismus und des Faschismus. Manchmal erschafft die Menschheit gute Dinge. Aber sie schafft es auch, alles wieder zu verderben.”

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