Der amerikanische Freund will keinen Brexit

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Der amerikanische Freund will keinen Brexit.

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Der amerikanische Freund will keinen Brexit. Das hätte US-Präsident Barack Obama im April bei seinem fünften Besuch in Großbritannien nicht deutlicher sagen können. In der euroskeptischen Tageszeitung Daily Telegraph legte er im April seine Argumente dar, warum Großbritannien in der EU bleiben sollte. Er warnte die Briten auch ganz offen: Im Falle eines Brexit müsse sich Großbritannien im Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen dann “Am Ende der Schlange” anstellen. Er sagte:

“Lassen Sie mich es ganz klar sagen: Das ist etwas, was die britischen Wähler für sich selbst entscheiden müssen. Aber aufgrund unserer speziellen Beziehungen, als Freund und damit Sie wissen, was ich denke. Die USA wollen ein starkes Großbritannien als Partner. Und das Vereinigte Königreich ist am besten, wenn es hilft, ein starkes Europa zu führen.

Als Teil der EU hat Großbritannien mehr Macht. Die EU hat dazu beigetragen, dass britische Werte und Praktiken auf dem gesamten Kontinent verbreitet sind. Der Binnenmarkt bringt außergewöhnliche wirtschaftliche Vorteile für das Vereinigte Königreich und das ist am Ende auch gut für die USA.

Über Jahrhunderte war Europa durch Krieg und Gewalt geprägt. Die Architektur, die unsere beiden Länder zusammen mit der EU bauten, hat dabei geholfen, den Grundstein für Jahrzehnte des Friedens und des Wohlstands zu legen. Was für ein bemerkenswertes Erbe.”

Euronews-Reporterin Joanna Gil:
Im Rahmen unserer laufenden Berichterstattung über das Brexit-Referendum haben wir internationale Ansichten gesammelt. Um uns einen Einblick in die Sicht der USA zu geben, sind wir jetzt mit Heather Conley vom ‘Zentrum für strategische und internationale Studien’ in Washington verbunden. Vielen Dank, dass Sie bei uns sind. Das Weiße Haus hat sich offen gegen den Brexit ausgesprochen. Großbritannien wird oft als Washingtons Sprachrohr in Brüssel angesehen. Aber ist es so ein klarer Fall, dass die USA dafür sind, dass die Briten in der EU bleiben?

Heather Conley:
Es ist sicherlich im Interesse der USA, dass Großbritannien in der EU bleibt. Aber wir wollen ein Großbritannien, das sehr aktiv in der EU agiert und leider bedeutet dieses Referendum eine große Ablenkung für unseren wichtigen Verbündeten und es verursacht auch einige wirtschaftliche Bedenken, was der EU-Austritt für die Weltwirtschaft bedeuten würde.

euronews:
Wenn also die Briten am 23. Juni dafür stimmen, die EU zu verlassen, wie könnten die USA reagieren?

Heather Conley:
Zuerst würden Zentralbank, Politiker und Finanzminister sicherstellen, dass es keine verheerenden Auswirkungen auf die Weltwirtschaft gibt. Zweitens würde es eine Menge transatlantischer Telefongespräche zwischen Präsident Barack Obama und europäischen Regierungschefs geben. Denn, wenn es am 24. Juni die Entscheidung des Austritts gibt, wird sich alles und nichts ändern und man muss sehr genau einschätzen, was das bedeutet. Es gibt wirklich keinen Plan B. Europäische Staats- und Regierungschefs haben nicht für einen Austritt vorgeplant und britische Spitzenpolitiker auch nicht. Wir wissen also nicht, was sein wird. Die Lage könnte sehr instabil werden. Wir könnten einen Führungswechsel in Großbritannien erleben. Der Brexit könnte auch zusätzliche Unruhen in Europa hervorrufen. Andere Politiker, Oppositionsführer könnten ein ähnliches Referendum fordern. In Spanien wird drei Tage nach dieser Abstimmung gewählt. Es ist absolut unklar, was passieren wird.

euronews:
Und was könnte das für die sogenannten besonderen Beziehungen zwischen Großbritannien und den USA bedeuten?

Heather Conley:
In gewisser Weise erleben wir einen beginnenden Führungswechsel. Ich glaube, viele im Weißen Haus sehen Berlin als gleichwertigen Partner bei der Bewältigung so vieler Herausforderungen, vor denen die transatlantischen Beziehungen stehen – was ist mit Russland? Mit der Wirtschaftskrise? Mit den Flüchtlingen? Man kann eine Veränderung der Beziehungen zwischen Großbritannien und den USA beobachten, aber um es klar zu sagen, diese speziellen Beziehungen sind unglaublich mächtig auf wirtschaftlicher, Geheimdienst- und militärischer Ebene. Aber diese Beziehungen haben in den vergangenen Jahren auch ihren Glanz verloren.

euronews:
Gibt es Ihrer Meinung nach einen Unterschied zwischen der Einschätzung des Weißen Hauses und der öffentlichen Meinung bezüglich des Referendums?

Heather Conley:
Ich glaube, je näher der 23. Juni rückt, desto größer wird die Erkenntnis, dass Großbritannien vor einer historischen Entscheidung steht. Den Menschen in den USA wird immer mehr bewusst, dass sich Europa tief greifend verändert. Sie haben jahrelang die griechische Krise beobachtet und natürlich die dramatischen Bilder der Flüchtlingskrise gesehen. Es gibt das Bewusstsein dafür, dass Europa gegen Probleme ankämpft. Aber ich bin nicht hundertprozentig sicher, ob die Amerikaner die Auswirkungen verstehen und den Wert der transatlantischen Beziehungen, sei es die NATO für die Sicherheit, oder wirtschaftliche Beziehungen, sei es Handel oder Investitionspartnerschaften. Wir betrachten die transatlantischen Beziehungen also nicht als selbstverständlich. Wir wollen keinen Schock am 24. Juni, wenn wir realisieren, dass die ganze Arbeit, die wir in Europa gesteckt haben, infrage gestellt wird.

euronews:
Die Zukunft liegt also in ihren Händen. Vielen Dank für das Gespräch Heather.

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