Brennpunkt Niger: Wie das Foltertrauma viele Flüchtlinge umkehren lässt

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Von Stefan GrobeSergio Cantone
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Das afrikanische Land ist zum wirkungsvollen Puffer zwischen Westafrika und dem libyschen Chaos geworden

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Das zentralafrikanische Land Niger ist seit dem Kollaps Libyens vor sechs Jahren zum entscheidenden Durchgangsgebiet für Flüchtlinge aus Westafrika geworden.

Von hier aus nach Libyen und dann über das Mittelmeer nach Europa - das ist das Ziel der Flüchtlinge.

Doch viele Migranten machen neuerdings eine Kehrtwende, denn Libyen war für sie die Hölle.

Euronews sprach mit einigen von ihnen an einer Busstation in der Hauptstadt Niamey.

"Meine Erfahrung in Libyen war ziemlich übel. Viele Afrikaner wurden von libyschen Schleppern festgesetzt. Diese verlangten 350 Dollar von den Flüchtlingswilligen für eine Überfahrt nach Europa. Die Leute bezahlen, aber aus der Überfahrt wird nichts. Man sperrt sie ein, foltert sie und schickt sie aufs Land zu Zwangsarbeit auf Farmen."

"Also die Libyer sind Wilde, und ich kann nur Gott danken, dass ich davon gekommen bin. Viele meiner Freunde und Bekannten sind vor meinen Augen gestorben. Man steckt Dich in ein Haus, hält Dich gefangen. Regelmäßig wirst Du geschlagen. Man ruft Deine Familie an, damit die Deine Schreie hören kann. Und das nur, damit die Familie mehr Lösegeld schickt. Viele Gefangene wurden umgebracht, andere von der Folter traumatisiert."

Der berüchtigte Grenzort Agadez im Norden Nigers. Es ist der Durchgangsort für die, die die Flucht aufgegeben haben und wieder zurück in ihre Heimat wollen.

"Vor zwei Tagen sind wir aus Agadez nach Niamey gekommen. Jetzt suchen wir nach einer Möglichkeit, zurück nach Sierra Leone zu gehen."

“Es gibt in Afrika und auch hier in Niger die internationale Flüchtlingsorganisation OIM. Wir haben gehört, sie unterstützen die Flüchtlinge bei der Rückkehr. Deswegen sind wir in Niamey, weil wir wissen wollen, ob sie uns helfen können."

"Die Flucht nach Europa durch Libyen ist sehr schwierig. Viele sind von dieser Erfahrung traumatisiert."

Der Menschenschmuggel bedroht die Stabilität Nigers. Die Schlepper arbeiten mit Gangsterbanden und Dschihadisten zusammen, die in der Region von Libyen und Mali bis Nigeria marodieren.

"Es sind unsere Landsleute, die von den Schleppern ausgenutzt werden - denselben Schleppern, die auch den Waffenhandel in der Region kontrollieren", sagt Nigers Verteidigungsminister.

Für die Flüchtlinge ist die Reise an die libysche Mittelmeerküste zunehmend schwierig geworden.

Wenn sie Glück haben, werden sie von der Armee Nigers aufgegriffen und wieder in ihre Heimat geschickt oder sie geraten in die Hände des organisierten Verbrechens.

Nach einer Vereinbarung mit der Europäischen Union wurde Niger zum Polizisten in diesem Teil Afrikas.

Für diesen Hochschullehrer klingt das nach reinem Kolonialismus.

"Der Niger setzt seine Streitkräfte ein, um das Überqueren seiner Nordgrenze nach Libyen zu verhindern."

Das ist eine Söldner-Politik - gib mir Geld, dann mache ich das. Ein souveräner Staat sollte sich zu so etwas nicht hergeben."

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In den Strassen Niameys sieht man die sinkenden Flüchtlingszahlen mit Enttäuschung, denn die Migranten brachten der lokalen Wirtschaft einen gewissen Aufschwung.

Davon negativ betroffen sind kleine Einzelhändler, Fahrer und Busgesellschaften.

"Wir kommen jetzt nur noch mit einem Bus aus, und der ist nicht mal voll", klagt dieser Mitarbeiter einer Busgesellschaft.

"Der Grund ist ausschließlich der starke Rückgang des Menschenschmuggels. Denn diese Menschen schaffen es nicht mehr nach Europa."

Der EU-Botschafter zeigt sich darüber indes befriedigt.

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"Der Niger hat seine Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt, viele Schmuggler aus dem Verkehr gezogen. Das hat natürlich Folgen für die, die von der Schattenwirtschaft leben."

Die EU hat dem Niger rund 230 Millionen Euro aus dem Afrika-Fonds und knapp 400 Millionen aus dem Entwicklungsfonds zur Verfügung gestellt.

Brüssel finanziert zudem fünf Zentren der Flüchtlingshilfe, die die rückkehrwilligen Flüchtlinge unterstützen und den asylberechtigten Migranten helfen sollen.

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