Corona-Hysterie: "WHO-Warnung gut gedacht, schlecht kommuniziert"

Hygienemasken werden in vielen chinesischen Städten knapp - und auch in Deutschland ist die Nachfrage gestiegen.
Hygienemasken werden in vielen chinesischen Städten knapp - und auch in Deutschland ist die Nachfrage gestiegen. Copyright Vincent Thian/AP
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Von Alexandra Leistner
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In der vergangenen Woche hat die WHO den internationalen Notstand ausgerufen. Die darauffolgende, unnötige Panik hätte vielleicht verhindert werden können.

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Leere Straßen und volle Krankenhäuser: Das Coronavirus hat nicht nur weltweit tausende Menschen, sondern auch die internationale Berichterstattung infiziert. Zwar verläuft die Krankheit in den meisten Fällen bisher nicht besonders aggressiv, die großflächige Ausbreitung aber und dass nur wenig über das neuartige Virus bekannt ist, verunsichert die Bevölkerung und macht auch Experten Sorgen.

Tatsächlich ist die Sterblichkeitsrate im Vergleich zum SARS-Ausbruch offenbar eher gering: Weltweit wurden bisher 20.639 Infektionen und 427 Todesfälle gemeldet (Stand 4. Februar 2020, 14 Uhr). Das entspricht einer Sterblichkeitsrate von rund 2 Prozent. Bei der SARS-Pandemie 2002/2003 kamen auf rund 8.000 Infizierte 800 Tote (Sterblichkeitsrate 10 Prozent). Allerdings ist nicht sicher, inwieweit die kommunizierten Zahlen der Realität entsprechen.

Einer Modellrechnung im Ärzteblatt zufolge könnte derzeit jede mit dem Coronavirus infizierte Person zwei weitere Menschen anstecken. Experten sprechen in diesem Fall von der "Verbreitungsphase", in der sich das Virus derzeit befindet. Epidemiologen geben erst Entwarnung, wenn ein Patient nur eine weitere Person infiziert - weil die Verbreitung erst dann kontrollierbar wird.

Der WHO-Notstand hat für uns als entwickeltes Land keine Bedeutung.
Volker Hingst
Arzt für Hygiene- und Umweltmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie

Dennoch sind sich Experten einig, gibt es keinen Grund zur Panik. Von einer Krise will auch Volker Hingst, Arzt für Hygiene- und Umweltmedizin, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie sowie ehemaliger Präsident des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), nicht sprechen. "Wir haben die Situation im Griff", erklärt er im Gespräch mit Euronews, die Einschleppung zu minimieren sei jetzt die größte Herausforderung.

Die Bedrohung durch eine schnelle Ausbreitung veranlasste dann die Weltgesundheitsorganisation (WHO), am 30. Januar den internationalen Notstand auszurufen. "Das hat für uns als entwickeltes Land keine Bedeutung", erklärt Hingst. Und obwohl die Schlagzeilen über den Notstand den Nerv der besorgten internationalen Bevölkerung trafen, begründete auch die WHO die Ausrufung des Gesundheitsnotfalls mit der Sorge um Länder, deren spärlich entwickelte Gesundheitssysteme mit einem Ausbruch überfordert wären.

Der Hinweis auf die armen Länder sei "verpufft", sagt Hingst, eine klare Kommunikation hätte die Panik vielleicht verhindern können. "Es war gut gedacht, aber schlecht kommuniziert". Allgemein hätten die Behörden die Lage aber im Griff, der Austausch der Wissenschaftler mache sich auch ohne die Politik, aber wenn diese sich abstimme, wie am Dienstag bei einem Gespräch der G7-Gesundheitsminister, helfe das.

Nachfrage nach Gesichtsmasken steigt - auch in Germersheim

In Deutschland befinden sich rund 120 Wuhan-Rückkehrer in der Kaserne in Germersheim (Südpfalz) in Quarantäne, zwei von ihnen wurden positiv auf das Coronavirus getestet und daraufhin in die Uniklinik Frankfurt gebracht. Und obwohl sich die aus Wuhan Evakuierten in Germersheim abgeschottet in der Obhut des Deutschen Roten Kreuzes befinden, ist ein Teil der Bevölkerung offenbar so verunsichert, dass lokale Apotheken eine steigende Nachfrage nach Gesichtsmasken melden.

Dabei weisen zahlreiche Experten darauf hin, dass die Gefahr, sich mit Grippe zu infizieren viel größer ist. Alle hier geltenden Vorkehrungen wie gute Händehygiene, korrekte Hustenetikette (in die Armbeuge) und Abstand zu Kranken (ca. ein Meter) können das Risiko der Ausbreitung jeglicher Infektionskrankheit minimieren.

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für eine gesunde Personen verringert das Risiko einer Ansteckung nicht signifikant
Robert-Koch-Institut

Die "gute Nachricht", so Hingst, sei die Beschaffenheit der Coronaviren, die sogenannte gehüllte Viren sind und so eine besonders geringe Umweltresistenz aufweisen. Sie verlieren also leicht ihre Infektiösität und sind auch sensibel auf Desinfektionsmittel. "Eine Übertragung über unbelebte Flächen ist bisher nicht dokumentiert", schreibt das Robert-Koch-Institut auf seiner Internetseite.

Das Tragen des Mundschutzes mache Sinn, wenn sich erkrankte Personen im öffentlichen Raum aufhalten, so das RKI, allerdings gibt "es keine hinreichende Evidenz dafür, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn trägt, signifikant verringert".

Usprung? Unklar.

Eine Meldung lässt Hingst allerdings aufhorchen: Sowohl in China als auch in den USA wollen Forscher das Virus-Erbgut in Stuhlproben nachgewiesen haben. Anstatt Fieber hatten die betroffenen Patienten als Symptom Durchfall. Sollte sich das in weiteren Fällen bestätigen, weise das darauf hin, dass das Virus in einigen Fällen über die Nahrung aufgenommen wurde.

Diese Befürchtung speist die Hypothese, wonach das Coronavirus beim Menschen seinen Ursprung auf dem Seafood Market in Hunan hat. Bei der Entschlüsselung des Genoms von 2019-nCoV stellten Wissenschaftler eine Ähnlichkeit des bei Fledermäusen bekannten Coronavirus fest. Auf dem Essensmarkt in Wuhan wird unter anderem Fledermaus-Suppe als Spezialität angeboten.

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