Verfassungsgericht urteilt für noch schärferes Abtreibungsrecht

Protest in Polen
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Von Euronews mit dpa
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In Polen hat das Verfassungsgericht entschieden, dass auch Abtreibungen wegen Fehlbildungen des Fötus ungesetzlich sind.

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In Polen hat das Verfassungsgericht Abtreibungen wegen schwerer Fehlbildungen des Fötus für verfassungswidrig erklärt. Nach Ansicht der RichterInnen verstößt die bisherige Regelung gegen das in der Verfassung garantierte Recht auf Leben.

Anti-AbtreibungsaktivistInnen feierten die Entscheidung vor dem Gericht in Warschau. Mit dem Urteil fällt eine der letzten Ausnahmen vom generellen Abtreibungsverbot in Polen weg. Für die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, kommt das einer Menschenrechtsverletzung gleich. Frauen, die es sich leisten könnten, würden im Ausland abtreiben und alle anderen noch mehr leiden.

Auch die BefürworterInnen eines Rechts auf Abtreibung demonstrierten. Werdende Mütter in Polen können eine Schwangerschaft mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts nur legal beenden, wenn ihr Leben oder ihre Gesundheit in Gefahr ist oder sie vergewaltigt wurden.

Das Urteil wird auch von Leah Hoctor von der Nichtregierungsorganisation "Zentrum für Reproduktionsrechte" kritisiert: "Frauen, die eine Schwangerschaft beenden wollen, befinden sich damit in einer sehr schwierigen Situation, es schadet ihrer Gesundheit und UN-Menschenrechtsorganisationen bezeichneten diese Art von Urteilen als unmenschlich und herabsetzend. Es bringt Frauen, die ohnehin gefährdet sind, in eine noch schwierigere Situation."

Über 100.000 polnische Frauen treiben jährlich in Nachbarländern ab

Frauenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass jedes Jahr 120 000 bis 150 000 polnische Frauen in Nachbarländern abtreiben. Die bisherigen Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen gehen auf einen Kompromiss zurück, mit dem sich in einer Umfrage von 2019 die Hälfte der Polen zufrieden erklärte.

Laut der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, Julia Przylebska, hat haben nur zwei Senatsmitglieder der 13 RichterInnen gegen das Urteil gestimmt. Mehr als 100 Abgeordnete, überwiegend aus den Reihen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), hatten sich mit ihrer Kritik an der Gesetzeslage an das höchste Gericht gewandt.

Im Jahr 2019 gab es in polnischen Krankenhäusern noch rund 1100 Schwangerschaftsabbrüche - in 97 Prozent der Fälle aufgrund des nun für rechtswidrig erklärten Paragrafen.

Die Opposition zweifelt an der Legitimität des Verfassungsgerichts. Die EU-Kommission hatte 2017 ein Sanktionsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Polen eingeleitet, weil sie den dortigen Rechtsstaat bedroht sieht. Die bisherige Abtreibungsgesetzgebung ging auf einen Kompromiss aus dem Jahr 1993 zurück, mit dem sich in einer Umfrage von 2019 die Hälfte der Polen zufrieden erklärte.

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