11 Euro-Gutschein fürs Impfen: So will Russland Impfskeptiker überzeugen

Ein Mann geht an einem Museumszug vorbei, der Werbung für die russische Armee macht, St. Petersburg, 28.04.2021
Ein Mann geht an einem Museumszug vorbei, der Werbung für die russische Armee macht, St. Petersburg, 28.04.2021 Copyright AP Photo/Dmitri Lovetsky
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Die Skepsis gegenüber Corona-Impfungen in Russland ist groß. Gutscheine sollen das Ändern.

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In Russland ist jeder zehnte erwachsene Bürger gegen das Coronavirus geimpft. Das teilten die russischen Behörden am Dienstag mit. Anfang April erhielten nach offiziellen Angaben etwa 7 der 144 Millionen Russen die erste Dosis.

Zum Vergleich: In den USA mit einer Bevölkerung von 328 Millionen Menschen, wo die Impfungen ebenfalls im Dezember begannen, sind etwa 30 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, das sind rund 97 Millionen Menschen.

Trotz der Verfügbarkeit des Impfstoffs in Russland sprechen Experten von niedrigen Impfraten.

Laut einer Umfrage des Lewada-Zentrums, einem russischen Meinungsforschungsinstitut, unter Ärzt:innen sind niedrige Impfraten mit "öffentlichem Misstrauen gegenüber bestehenden Impfstoffen" und "einer negativen Einstellung der Gesellschaft gegenüber Impfstoffen im Allgemeinen" verbunden.

11 Euro als Anreiz für geimpfte Rentner:innen

Um die Bevölkerung zum Impfen zu bewegen, hat der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin ein Programm ins Leben gerufen, das besonders ältere Menschen dazu ermutigen soll, denn für sie stellt das Virus die größte Gefahr dar.

"Ab Dienstag, dem 27. April 2021, können Einwohner der Stadt, die älter als 60 Jahre sind, eine Moskauer Pflichtkrankenversicherung haben und bereits die erste Coronavirus-Impfung erhalten haben, eine Bonuskarte über 1.000 Rubel (ca. 11 Euro) oder einen Promotionscode für den gleichen Betrag erhalten", heißt es auf dem Blog Sojanins.

Nach Angaben von Statista beträgt die durchschnittliche Rente für einen Rentner in Moskau 14.904 Rubel (ca. 165 Euro). Beide Impfdosen bringen den Senior:innen also Gutscheine im Wert von 22 Euro - mehr als ein Siebtel der Rente.

Die Bonuskarten werden in den Kliniken der Stadt und anderen Impfstellen ausgegeben. Um einen Aktionscode zu erhalten, müssen sich die Menschen auf der Website registrieren. Das Geld kann dann für Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs in Geschäften, Apotheken und Gastronomiebetrieben ausgegeben werden.

Einige Regionen beschlossen, dem Beispiel der Hauptstadt zu folgen. So erhalten Rentner:innen über 60 Jahre in Tschukotka, im Fernen Osten Russlands, eine einmalige Zahlung von 2.000 Rubel (ca. 22 Euro) aus dem regionalen Budget für den Corona-Impfstoff. Die Behörden in der Region Magadan an der Nordwestküste zahlen den Senioren 1.000 Rubel (etwa 11 Euro).

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Impfen ist in Russland auch in Shopping-Zentren möglichAP Photo

Mobiles Impfen

In anderen Regionen wird das Problem der niedrigen Impfraten mit Hilfe von mobilen Impfzentren gelöst. In der Region Orenburg (die nach offiziellen Angaben zu den zehn besten Regionen in Bezug auf diesen Indikator gehört) gibt es ein Feldimpfprogramm.

Dort, an der Grenze zu Kasachstan, wurden bereits mehr als 169.000 Menschen gegen das Coronavirus geimpft, das entspricht 19 Prozent der gesamten erwachsenen Bevölkerung. Mehr als 50 Prozent der Geimpften sind Menschen über 60. Laut der stellvertretenden Gouverneurin und Gesundheitsministerin der Region, Tatjana Sawinowa, "sind das 2 Prozent mehr als im Landesdurchschnitt".

Mobile Brigaden arbeiten auch in Neu-Moskau, wo sich eine große Anzahl von Sommerresidenten aufhält. Die Arbeit der Teams wurde während der Maiferien ausgedehnt, in der Hoffnung, diejenigen zu impfen, die ihren Urlaub auf dem Land verbringen werden. "In diesen Bezirken konzentriert sich eine große Anzahl von Ferienhäusern. Während der Maifeiertage sind die mobilen Teams wie gewohnt im Einsatz", heißt es vom regionalen Pressedienst.

Die Bemühungen fruchten, aber das Misstrauen bleibt groß

Experten zufolge zahlen sich die Bemühungen der Behörden, den Impfstoff bekannt zu machen, aus. Die positive Einstellung gegenüber den Impfungen ist nach Angaben der russischen Behörden seit Januar dieses Jahres gestiegen.

"Es gibt keine großen Zweifel in der Gesellschaft, dass Massenimpfungen im Kampf gegen die Pandemie hilfreich sind. Im Allgemeinen ist sich die Gesellschaft der Notwendigkeit von Impfungen bewusst. Aber es gibt einen großen Anteil von Menschen, der Angst hat. Die entscheidende Frage ist: Was schürt die Ängste? Es ist notwendig, die Informationskampagne zu verstärken, um Ängste zu bekämpfen", sagte Kirill Rodin, Direktor des russischen Zentrums für Meinungsforschung.

Gleichzeitig ist die Anti-Impf-Stimmung im Land nach wie vor recht hoch. Laut dem russischen Meinungsforschungszentrum sind 39 Prozent der Befragten nicht bereit, sich impfen zu lassen, obwohl 46 Prozent der Befragten definitiv oder "eher" bereit sind, sich für sich selbst oder ihre Familienmitglieder mit dem russischen Impfstoff impfen zu lassen.

Unabhängige Politikwissenschaftler:innen haben ein hohes Maß an Anti-Impf-Stimmung unter Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen festgestellt. "Es gibt keinen Konsens unter den Ärzten über die Notwendigkeit einer verpflichtenden Massenimpfung: Das Verhältnis von Befürwortern und Gegnern solcher Maßnahmen ist ungefähr gleich. Je geringer das Vertrauen in russische Impfstoffe ist, desto seltener sprechen sich Ärzte für eine universelle Impfung der Bevölkerung aus", heißt es in der Umfrage des Lewada-Zentrums.

"Ärzte und die Öffentlichkeit sind sich einig, dass das Coronavirus künstlich geschaffen wurde und nicht durch eine natürliche Entwicklung entstanden ist", heißt es in der Studie.

Die Impfraten werden nicht nur von Impfgegnern beeinflusst, sondern auch von der Verfügbarkeit von Impfstoffen. Eine Umfrage unter Ärzt:innen des Lewada-Zentrums ergab, dass 40 % der regionalen Ärzt:innen mit einem Mangel an Impfdosen konfrontiert ist, während Ärzte in der Hauptstadt von einem Überschuss sprechen.

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