Sanktionen gegen Polen: EU-Kommission verhängt 69 Mio.-Geldbuße

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Die EU-Kommission hat eine Zahlungsaufforderung über 69 Millionen Euro an Polen geschickt. Warschau hatte zuvor eine EuGH-Anordnung zur polnischen Justizreform nicht umgesetzt.

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Im Streit um den Rechtsstaat in Polen hat die EU-Kommission eine Zahlungsaufforderung über 69 Millionen Euro nach Warschau geschickt. Wie ein Sprecher der Behörde am Donnerstag sagte, wurde das Schreiben am Vortag verschickt. Hintergrund ist, dass das Land eine EuGH-Anordnung zur polnischen Justizreform nicht umsetzt.

Das Geld solle von den EU-Mitteln abgezogen werden, die Warschau aus verschiedenen Haushaltsquellen bezieht. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Union, dass einem Mitgliedstaat wegen der Nichteinhaltung von EuGH-Urteilen Gelder verwehrt werden.

Erwartet wird, dass die EU-Kommission in den kommenden Wochen die Geldstrafe monatlich von Polens EU-Haushaltsmitteln abziehen wird. Grund ist die Weigerung Warschaus, eine tägliche Geldbuße in Höhe von 500.000 Euro zu zahlen, da man den Braunkohleabbau Turow nicht schließen wollte.

Der Europäische Gerichtshof hatte Warschau nach einer Klage von Polens Nachbarland Tschechien aufgefordert, die Fördertätigkeit in dem Abbau an der Grenze zu Sachsen und Tschechien zu stoppen. Polen weigerte sich dem nachzukommen, mit der Begründung, Turow sei ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Außerdem sei man auf die Stromproduktion angewiesen. Aus dem Justizministerium hieß es: „Sie werden keinen Cent bekommen.“

Der Streit um das Justizsystem

In dieser Woche wird die EU-Kommission die erste offizielle Zahlungsaufforderung, eine tägliche Geldstrafe in Höhe von 1 Million Euro, an Warschau senden. Diese Sanktion hatte der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des polnischen Justizsystems verhängt, die nach Auffassung des Gerichts nicht EU-konform ist.

Der EuGH verhängte im Oktober 2021 die Geldbuße, weil Warschau sich weigerte, ein Urteil seines Verfassungsgerichts zurückzunehmen. Dieses hatte geurteilt, dass Teile des EU-Rechts unvereinbar seien mit der Verfassung Polens.

Das Gericht erklärte, die Umstrukturierung des Justizsystems könne "dazu benutzt werden, um politische Kontrolle über gerichtliche Entscheidungen auszuüben oder Druck auf Richter auszuüben, um deren Entscheidungen zu beeinflussen".

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) beschuldigte die EU der "schleichenden Expansion" in polnische Angelegenheiten. Später sagte er in einem Interview mit der Financial Times, die EU setze "uns eine Waffe an den Kopf".

Die Bürger haben das Nachsehen

Der Grünen-Abgeordnete im Europarlament Daniel Freund erklärte gegenüber Euronews: "Es ist eine Menge Geld, und jeden Tag wird es mehr. Das bedeutet, dass einige Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime dieses Geld verlieren werden, weil die Regierung nicht in der Lage sein wird, ohne EU-Finanzierung in neue Projekte zu investieren."

Ein zentraler Punkt der EU-Politik bei der Streichung der Mittel ist, dass einzelne Empfänger wie Landwirte, Bauunternehmer usw. nicht auf bereits zugewiesene Gelder verzichten sollten. "Die Regierung ist immer noch verpflichtet, das Geld auszuhändigen, jedoch wird es aus der polnischen Staatskasse kommen", ließ Brüssel mitteilen.

Freund meint, die polnische Regierung würde ihren Bürgern nicht transparent machen, was die höheren Kosten betreffe, die aus der Konfrontation mit der EU-Kommission und dem EuGH resultieren: "Die polnische Regierung sagt ihren Wählern, dass man die Strafe nicht zahlen werde, während sie ihren Wählern das Geld vorenthält. Sie erklärt ihnen nicht, dass das Urteil des Verfassungsgerichts im Laufe der Zeit nach unten durchsickern wird."

Freund warnt vor einem "Polexit": "Wenn man Gesetze nicht respektiert und keine EU-Gelder mehr bekommt, dann fallen diverse Aspekte einer EU-Mitgliedschaft weg."

Situation verschlechtert sich

Die Situation in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit verschlechterte sich erneut, als der polnische Verfassungsgerichtshof - selbst ein Arm des polnischen Justizsystems, den das Europäische Parlament mit großer Mehrheit für nicht legitim erklärte und dem es "an Gültigkeit und Unabhängigkeit mangelt und der nicht qualifiziert ist, Gesetze auszulegen" - ein Urteil fällte, in dem es heißt, dass das EU-Recht keinen Vorrang vor dem polnischen Recht habe.

Daraufhin leitete die EU-Kommission im Dezember 2021 ein Verfahren gegen Polen ein und äußerte "ernste Bedenken" wegen der "Missachtung" seiner Verpflichtungen in Rahmen des EU-Rechts.

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