Kontroverse um den Begriff "Völkermord": Tatbestand muss nachgewiesen werden

Bergung von Leichen aus einem Massengrab in der Stadt Butscha in Anwesenheit der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa (8.4.2022)
Bergung von Leichen aus einem Massengrab in der Stadt Butscha in Anwesenheit der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa (8.4.2022) Copyright AP Photo/Efrem Lukatsky
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Von Euronews mit AFP
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Joe Biden beschuldigt Moskau, in der Ukraine "Völkermord" zu begehen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hingegen zögert, den völkerrechtlich definierten Begriff "Genozid" zu gebrauchen und hat damit für große Enttäuschung und Unmut auf ukrainischer Seite gesorgt.

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Internationale Experten für kriminalistische Ermittlungen sind an verschiedenen Orten in der Ukraine im Einsatz, um mutmaßliche, von russischen Truppen begangene Kriegsverbrechen zu dokumentieren.

Mehrere Staatsoberhäupter, darunter US-Präsident Joe Biden, beschuldigen Moskau, in der Ukraine "Völkermord" zu begehen. 

Andere, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hingegen zögern, den völkerrechtlich definierten Begriff "Genozid" zu gebrauchen, und haben damit für große Enttäuschung und Unmut auf ukrainischer Seite gesorgt.

Wolodimir Selenskyj sagte, er habe Macrons Weigerung, "einen Völkermord" in seinem Land anzuprangern, als "sehr verletzend" empfunden habe. Macron rechtfertigte seine Haltung mit der Begründung. Das Wort Völkermord habe eine Bedeutung und müsse von Juristen festgestellt werden, nicht von Politikern. Eine "verbale Eskalation" helfe der Ukraine nicht weiter. 

Dazu die Einschätzung der Menschenrechtsanwältin Gissou Nia: "Das Verbrechen des Völkermordes ist sehr schwer zu beweisen, weil man eine bestimmte Absicht nachweisen muss. Wenn Biden sagt, dass in der Ukraine Völkermord begangen wird, haben diese Worte große politische Aussagekraft und spiegeln sicherlich einige der beunruhigenden Entwicklungen und Berichte wider, die wir aus der Ukraine erhalten. Aber ich glaube nicht, dass sie auf der Grundlage einer offiziellen Feststellung der US-Regierung getroffen wurden.

Auch der Chefankläger beim Internationalen Strafgericht (IStGH) Karim Khan äußert sich vorsichtig in der Wortwahl und spricht von "Hinweisen" auf Kriegsverbrechen. "Wie ich bereits am 2. März bei der Einreichung der Anklage vor dem Gericht erklärte, haben wir hinreichende Gründe für die Annahme, dass Verbrechen begangen wurden, die in die Zuständigkeit des Gerichts fallen."

Die ukrainische Regierung glaubt, dass mit der "Befreiung" weiterer Gebiete neue Kriegsverbrechen ans Licht kommen werden. Russland hingegen beschuldigt die internationale Justiz, "parteiisch" zu ermitteln, und wirft der Ukraine vor, selbst Zivilisten zu töten.

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