Wie kommt internationale Hilfe nach dem Erdbeben schnell in die Türkei und Syrien?

Helfer eines Suchteams halten einen Moment inne bevor die Suche im türkischen Adana weitergeht. 6. Februar 2023
Helfer eines Suchteams halten einen Moment inne bevor die Suche im türkischen Adana weitergeht. 6. Februar 2023 Copyright Khalil Hamra/AP
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Von Alexandra Leistner
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Für Ersthelfer in der Türkei und in Syrien ist es ein Rennen gegen die Zeit: Wie wird die internationale Hilfe koordiniert, um den Bedürftigen so schnell wie möglich zu helfen?

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Wenn es um schnelle Katastrophenhilfe geht, spielen Hilfsorganisationen eine entscheidende, lebensrettende Rolle. Aber wie mobilisieren sie sich, um vor Ort  so schnell und effektiv wie möglich lebenswichtige Hilfe zu leisten? Wie läuft die Absprache zwischen verschiedenen Organisationen und woher wissen sie, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wird?

Für Emma Forster, die für den Norwegischen Flüchtlingsrat (NRC) seit September in Damaskus ist, kam der erste Alarm vom Sicherheitsteam der Organisation. Ihre erste Priorität: eine Personenzählung. "Die Mitarbeiter werden kontaktiert, um herauszufinden, ob alle in Sicherheit sind. Es wird auch überprüft, ob die Bestände der Organisation sicher sind", sagte sie gegenüber Euronews.

Dann wird die Situation vor Ort bewertet und es werden wichtige Entscheidungen darüber getroffen, wo die Hilfe sofort benötigt wird und wie sie verteilt werden soll. "Der gesamte Prozess dauert ein paar Stunden", erklärt Forster.

Als Nächstes haben Forster und ihr Team verschiedene Büros bzw. Standorte (Forster nennt sie Hubs) in Syrien, die in engem Kontakt stehen und bereits Mitarbeiter vor Ort schicken, "um sich ein Bild von den dringendsten Bedürfnissen zu machen."

Türkei und Syrien - gleiche Bedürfnisse, unterschiedliche Reaktion

Im Falle des Erdbebens in der Türkei und in Nordsyrien ging es in erster Linie darum, Bergungsmannschaften zu entsenden. "Die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln, Wasser und Unterkünften hat oberste Priorität. Und das ist im Moment besonders schwierig, da das Land gerade von einem Sturm heimgesucht wird und es in Strömen regnet."

Kurz nach einer Naturkatastrophe wie dieser beginnen verschiedene Hilfsorganisationen vor Ort, über unterschiedliche Kanäle Informationen auszutauschen. Letztendlich ist jedoch das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) für die Koordinierung zuständig.

Die Beteiligung der Vereinten Nationen auf humanitärer Basis in Syrien unterscheidet sich von der anderer Länder dadurch, dass sie von der Regierung akzeptiert und nicht erbeten wird, erklärt Jens Laerke, stellvertretender Sprecher des OCHA.

Während die Türkei bereits über eine erprobte und deshalb belastbare Behörde für die Bewältigung von Naturkatastrophen verfügt, die normalerweise bei Naturkatastrophen in der ganzen Welt zum Einsatz kommt, ist die Situation jenseits der Grenze viel schwieriger. 

Schon vor dem Erdbeben an diesem Montag waren in dem Land mehr als 15 Millionen Menschen in Not, so NRC-Mitarbeiterin Emma Forster: "Dies wird ein massiver Schlag für die Menschen in Syrien sein." Der "Silberstreif" in einem Land mit einem andauernden bewaffneten Konflikt sei, dass es in der Region bereits ein robustes humanitäres UN-Netzwerk wie das NRC gebe.

Wie und wie schnell hilft die EU im Falle einer Naturkatastrophe?

Die Türkei hat nicht nur das OCHA um Hilfe gebeten, sondern auch die EU um Unterstützung im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens. Nur wenige Stunden nach dem ersten Beben wurden 15 Suchteams aus 13 Ländern entsandt. Die EU-Kommission steht in Kontakt mit der türkischen Regierung und leitet die Bedürfnisse und Forderungen an die Mitgliedsländer weiter und wird der Türkei mitteilen, welche Art von Hilfe verfügbar ist.

Die Koordinierung der in die Türkei entsandten Such- und Rettungsteams ist derzeit eine der größten Herausforderungen, erklärt der stellvertretende OCHA-Sprecher Laerke. Sein Büro arbeitet in enger Abstimmung mit dem türkischen Außenministerium: "Wir müssen sicherstellen, dass die richtigen Leute am richtigen Ort sind".

Hilfe, die nicht sofort benötigt wird, beansprucht Lagerkapazitäten oder muss aufgestockt werden und kann den begonnenen Wettlauf gegen die Zeit sogar verlangsamen. Wie Laerke erklärt, gehen die Rettungskräfte davon aus, dass sie maximal sieben Tage Zeit haben, um Überlebende unter den Trümmern zu finden.

"Syrien hat den EU-Katastrophenschutzmechanismus nicht ausgelöst", erklärte Balazs Ujvari, Sprecher der Europäischen Kommission für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, gegenüber Euronews.

Daher wurde bisher keine Nothilfe nach Syrien entsandt. Über Partnerorganisationen wird die Kommission über die Situation vor Ort informiert. Die Möglichkeit, zusätzliche humanitäre Mittel für Syrien bereitzustellen, wird jedoch geprüft.

Wie wird die Hilfe finanziert?

Die EU-Kommission übernimmt bei dieser ersten Reaktion 75 Prozent der operativen Kosten, die bei diesen Einsätzen anfallen. Dies hat im aktuellen Fall die Entsendung von besonders gut ausgestatteten Bergungsteams in die Türkei ermöglicht.

Zur weiteren Unterstützung der türkischen Regierung und zum besseren Verständnis der Auswirkungen des Bebens stellt die EU Aufnahmen des Copernicus-Systems zur Verfügung.

Das NRC und andere Hilfsorganisationen fordern mehr humanitäre Hilfe und mehr finanzielle Mittel, um Menschen in Not jetzt und in den kommenden Wochen zu unterstützen. Forster sagte, es sei wichtig, die Hilfe flexibel zu gestalten, d. h. die Mittel ohne Beschränkung auf einen bestimmten Sektor zuzuweisen, damit die Hilfsorganisationen entsprechend auf die Bedürfnisse reagieren können.

"All dies wird Geld kosten", sagt auch Jens Laerke von den Vereinten Nationan und nimmt damit vorweg, dass die internationale Gemeinschaft bald Mittel für Syrien und die Türkei bereitstellen muss, um die dringend notwendige Hilfe von Organisationen wie Forsters NRC zu ermöglichen.

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