Ägyptischer Fischer in Griechenland zu 280 Jahren Haft verurteilt

Migranten schauen aus einem Fischerboot, das im Hafen von Palaiochora im Südosten Kretas angedockt hat. 22. 11. 2022
Migranten schauen aus einem Fischerboot, das im Hafen von Palaiochora im Südosten Kretas angedockt hat. 22. 11. 2022 Copyright InTime News via AP
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Von Giulia Carbonaro
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Menschrechtsorganisationen haben das Urteil scharf kritisiert und werfen der griechischen Justiz vor, den Fischer als Sündenbock zu missbrauchen.

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Ein ägyptischer Fischer, dem wegen Menschenschmuggels 4760 Jahren Haft in einem griechischen Gefängnis drohten, ist zu einer jahrhundertelangen Haftstrafe verurteilt worden.

H. Elfallah wurde diese Woche für schuldig befunden, im November 2022 fast 500 Menschen von Libyen nach Griechenland "geschmuggelt" zu haben - darunter 336 Männer, 10 Frauen, 128 Jungen und neun Mädchen - und wurde statt der tausendjährigen zu einer "geringeren" Strafe von 280 Jahren Haft verurteilt.

Menschenrechtsgruppen haben die Entscheidung des Gerichts verurteilt und erklärt, dass der Fischer - der einer der Migranten an Bord des Schiffes war, aber auch das Schiff steuerte - von den griechischen Behörden als Sündenbock missbraucht wird.

Der 45-jährige ägyptische Fischer befand sich an Bord des Schiffes, als es Ende November 2022 im kretischen Hafen Paleochora einlief.

Das Boot, das bei starkem Wind in Küstennähe die Kontrolle verloren hatte, sendete ein Notsignal an die griechische Küstenwache, die das Schiff an Land brachte und die Menschen an Bord rettete.

Das halb verrottete Boot war von Libyen aus mit dem Ziel in See gestochen, die italienische Küste zu erreichen. Die Migrant:innen an Bord stammten hauptsächlich aus Syrien, Ägypten, Pakistan, Sudan und Palästina.

Als die griechischen Behörden das Boot enterten, nahmen sie sofort sieben Migranten fest, die versucht hatten, das Schiff in Sicherheit zu bringen, darunter Elfallah und seinen 15-jähriger Sohn, wie die Menschenrechtsorganisation borderline-europe berichtet.

Stefanos Rapanis/AP
Nach Angaben der griechischen Küstenwache befanden sich auf dem Boot über 100 Kinder.Stefanos Rapanis/AP

Borderline-europe sagt, dass Elfallah nicht für das Schmuggeln der fast 500 Migranten an Bord des Schiffes verantwortlich war und berichtet, dass er das Steuer nicht übernehmen wollte, aber durch die schrecklichen Umstände der Reise dazu gezwungen wurde.

"Elfallah konnte die Kosten von mehreren tausend Euro für die Reise für sich und seinen Sohn nicht aufbringen", schreibt die NGO. "Als Gegenleistung für einen günstigeren Preis erklärten er und sein Sohn sich bereit, einige Aufgaben zu übernehmen - etwas, das auf der Fluchtroute nach Europa sehr üblich ist."

Berichten zufolge wollten der Ägypter und sein Sohn einen anderen Sohn wiedersehen, der bereits in Großbritannien lebt.

Da die europäischen Grenzen in den letzten Jahren zunehmend militarisiert wurden und die Kriminalisierung der illegalen Einwanderung weiter verschärft wurde, lassen die Schleuser die Migrant:innen in der Regel allein auf der gefährlichen Reise zur anderen Seite des Mittelmeers oder der Ägäis - und überlassen die Steuerung der Boote oft ihren "Kunden".

"Es sollte selbstverständlich sein, dass ein Boot von jemandem gesteuert werden muss, insbesondere ein Boot dieser Größe", schreibt borderline-europe in einem letzte Woche veröffentlichten Bericht.

"Ein Boot dieser Größe braucht eigentlich mehrere Personen, die sich um die Navigation, die Steuerung und die Mechanik kümmern. Es ist üblich, dass, wenn es in der Gruppe Personen gibt, die zumindest etwas Erfahrung in der Seefahrt haben, diese das Steuer übernehmen - was nur sinnvoll ist und im Interesse aller liegen sollte, die behaupten, das Wohl der Menschen an Bord im Sinn zu haben".

Der Organisation zufolge geriet Elfallah "ins Fadenkreuz" der europäischen Behörden, weil sie die jemanden für die Migrantenboote verantwortlich machen wollen, die trotz umfassender Bemühungen, diese Fahrten an ihrem Ausgangspunkt zu stoppen, immer noch die Küsten des Kontinents erreichen.

Die Menschen, die dazu beitragen, die Reise der Migrant:innen an Bord der Schiffe, die sie transportieren, sicherer zu machen, "werden verhaftet und wie Kriminelle behandelt. Sie werden bestraft, um andere abzuschrecken, und sie werden als Sündenböcke benutzt, um von der Verantwortung abzulenken, die Europa mit seiner Politik der geschlossenen Grenzen trägt, die die Menschen dazu zwingt, in diese Boote zu steigen und diese Reisen überhaupt erst zu unternehmen", schreibt die NGO.

Elfallah wurde der "unerlaubten Einreise" und des "unerlaubten Transports von 476 Drittstaatsangehörigen in das griechische Hoheitsgebiet" angeklagt, mit den erschwerenden Umständen "Gefährdung des Lebens der Passagiere", "Handeln aus Profitgründen" und "Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation".

Gemäß Artikel 30 des griechischen Migrationsgesetzes hätte der Fischer für jede von ihm transportierte Person zu 10 Jahren Haft verurteilt werden können, was eine Gesamtstrafe von 4760 Jahren bedeutet hätte.

Das Gericht entschied sich am Montag jedoch "nur" für 280 Jahre und “berücksichtigte” dabei Elfallahs “Gründe".

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