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Altbundespräsident Horst Köhler im Alter von 81 Jahren gestorben

Altbundespräsident Horst Köhler trifft als persönlicher Gesandter des UN-Generalsekretärs zu Gesprächen zum Konflik in der Westsahara in Genf ein, 5. Dezember 2018.
Altbundespräsident Horst Köhler trifft als persönlicher Gesandter des UN-Generalsekretärs zu Gesprächen zum Konflik in der Westsahara in Genf ein, 5. Dezember 2018. Copyright  Martial Trezzini/ KEYSTONE / MARTIAL TREZZINI
Copyright Martial Trezzini/ KEYSTONE / MARTIAL TREZZINI
Von Christoph Debets & GEIR MOULSON Associated Press
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Köhler war international anerkannt als Chef des Internationalen Währungsfonds. Sein Interesse galt Afrika. Negative Reaktionen auf seine Äußerung, Deutschland sei als Exportnation für die militärische Sicherung der Seewege verantwortlich, veranlassten ihn kurz nach seiner Wiederwahl zurückzutreten.

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Altbundespräsident Horst Köhler ist am frühen Samstagmorgen im Alter von 81 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in Berlin im Kreise seiner Familie gestorben. Dies gab das Bundespräsidialamt bekannt.

Köhler war am 23. Mai 2004 zum 9. Bundespräsidenten der Bundresrepublik Deutschland gewählt und fünf Jahre später im Amt bestätigt worden. Am 31. Mai 2010 trat er jedoch überraschend zurück.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte seinen Vorgänger in einem Kondolenzschreiben an dessen Witwe Eva Luise Köhler als "einen Glücksfall für unser Land“.

"Viele Menschen in unserem Land werden mit Ihnen trauern. Denn mit Horst Köhler verlieren wir einen hochgeschätzten und äußerst beliebten Menschen, der Großes geleistet hat – für unser Land und in der Welt.“

„Es waren vor allem seine Nahbarkeit, sein ansteckendes Lachen und sein Optimismus, sein Glaube an die Stärke unseres Landes und an die Energie und Kreativität seiner Menschen, die ihm so viele Herzen gewannen. Aber es waren auch seine oft klaren und keineswegs immer angenehmen Mahnungen und Reden, die ihm Anerkennung verschafften“, schrieb Steinmeier.

Vom IWF-Chef und Technokraten zum beliebten Staatsoberhaupt

Der ehemaliger Chef des Internationalen Währungsfonds war vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten den meisten Deutschen kaum bekannt. Seine Nominierung veranlasste die Bild-Zeitung zu der Schlagzeile „Horst wer?“

Nachdem Köhler das Amt angetreten hatte, erlangte er jedoch hohe Beliebtheitswerte. Dies gelang ihm teilweise dadurch, dass er sich als Außenseiter gegenüber der politischen Elite des Landes positionierte.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen weigerte er sich gelegentlich, Gesetze zu unterzeichnen, und war bei der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Kandidat für das Präsidentenamt er war, nicht immer beliebt.

Merkel gelang es zusammen mit dem damaligen FDP-Chef Guido Westerwelle die Wahl Köhlers zum Bundespräsidenten durchzusetzen. Die Wahl Köhlers kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung später als "eines der wenigen machtstrategischen Glanzstücke" Merkels im Umgang mit dem Amt des Bundespräsidenten.

Bundespräsident Horst Köhler (rechts) überreicht Angela Merkel die Ernennungsurkunde zur Bundeskanzlerin. Berin, Schloß Bellevue, 28. Oktober 2009
Bundespräsident Horst Köhler (rechts) überreicht Angela Merkel die Ernennungsurkunde zur Bundeskanzlerin. Berin, Schloß Bellevue, 28. Oktober 2009 Kai Uwe Knoth/Copyright 2025 The AP. All rights reserved.

Köhler wurde 2004 gewählt, bevor Merkel an die Macht kam. Damals hatte Deutschland mit Arbeitsmarktreformen und Sozialkürzungen zu kämpfen. Köhler forderte, die Deutschen dürften sich nicht auf vergangenen Erfolgen ausruhen. Er sei "zutiefst davon überzeugt, dass Deutschland die Kraft für Veränderungen hat".

Die vorgezogene Bundestagswahl 2005 bringt Merkel an die Macht

Im Juli 2005 stimmte Köhler vorgezogenen Neuwahlen zu, obwohl die damalige Bundesregierung unter Gerhard Schröder ein klare Mehrheit im Bundestag besaß.

Nach der SPD-Wahlniederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verlor Schröder absichtlich die Vertrauensfrage im Bundestag. Bundespräsident Köhler, der schon vorher in die Kritik geraten war, weil er seiner Hoffnung Ausdruck gegeben hatte, Angela Merkel bald zur Bundeskanzlerin ernennen zu können - ein Bruch mit der parteipolitischen Neutralität des Bundespräsidenten - gewährte trotz aller verfassungsrechtlichen Bedenken Schröder die Auflösung des Bundestages und vorgezogene Wahlen.

Bundespräsident Horst Köhler (links) und Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Eröffnung des 30. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hannover, 25. Mai 2005
Bundespräsident Horst Köhler (links) und Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Eröffnung des 30. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hannover, 25. Mai 2005 JOERG SARBACH/Copyright 2025 The AP. All rights reserved.

Damals sprach Köhler davon, dass Deutschland vor "riesigen Herausforderungen" stehe. Die Zukunft unserer Kinder stehe auf dem Spiel.

Merkel gewann die Bundestagswahl, verspielte aber einen riesigen Vorsprung in den Meinungsumfragen, weil ihr Programm tiefgreifender Reformen die Wähler abschreckte.

In der Folge sprach Köhler weniger über die Notwendigkeit von Wirtschaftsreformen. Während der Banken- und Wirtschaftskrise übte der Diplomvolkswirt scharfe Kritik an den Finanzmärkten. Er beschrieb sie als "Monster", das noch nicht gezähmt worden sei.

Rücktritt kurz nach der Wiederwahl

Völlig überraschend trat Köhler am 31. Mai 2010. Er begründete seinen Schritt mit der Kritik an einem Radiointerview, das er nach einem Besuch deutscher Soldaten im afghanischen Masar-i-Scharif gab.

Dem Deutschlandradio Kultur sagte Köhler auf dem Rückflug, für ein Land, das wie Deutschland von Exporten abhängig sei, könnten Militäreinsätze "notwendig sein, um unsere Interessen zu verteidigen, zum Beispiel freie Handelswege".

Viele verstanden das als Hinweis auf den unpopulären Einsatz Deutschlands in Afghanistan, obwohl sein Büro später erklärte, er habe sich auf den Anti-Piraten-Einsatz vor der Küste Somalias bezogen.

Viele fragten sich, ob dies der wahre Grund für den Rücktritt war. Kritiker spekulierten, er habe einfach genug von der mangelnden Unterstützung Merkels gehabt. Für die war sein Rücktritt eine Blamage.

Afrika: Köhlers große Leidenschaft

Außenpolitisch wurde Köhler dafür gelobt, dass er auf die Bedürfnisse Afrikas aufmerksam machen wollte. Er war der zweite deutsche Präsident, der vor dem israelischen Parlament sprach und in der Knesset erklärte: "Ich beuge mein Haupt in Scham und Demut vor den Opfern" des Holocaust.

Köhler widmete sich auch den Beziehungen zum östlichen Nachbarn Polen, das er zum ersten Auslandsziel seiner beiden Amtszeiten machte. Er sagte, er wolle, dass das Land ein ebenso wichtiger Partner für Deutschland werde wie Frankreich.

Nach seinem Ausscheiden aus dem höchsten Staatsamt widmete er sich verstärkt Afrika. So war er unter anderem von 2017 bis 2019 UN-Sonderbeauftragter für den Westsahara-Konflikt.

Der bessarabische Bauernsohn

Köhler, der Sohn bessarabischer Bauern, die von den Nazis aus Rumänien ins damals besetzte Polen umgesiedelt worden waren, wurde am 22. Februar 1943 in Skierbieszow geboren. Seine Familie floh 1944 vor den anrückenden sowjetischen Truppen in die Nähe von Leipzig, 1954 dann nach Baden-Würtemberg. Später wird Köhler in einem Interview sagen, er habe sich nie als Heimatvertriebener gefühlt.

Vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten machte Köhler als effizienter Beamter Karriere hinter den Kulissen.

Ab Anfang der 1980er Jahre arbeitete er mehr als ein Jahrzehnt im Bundesfinanzministerium. Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich in der Wirtschaftsdiplomatie auf ihn verließ, bezeichnete ihn einmal als "einen Schatz".

Köhler war an der Ausarbeitung des Rechtsrahmens für die europäische Einheitswährung, den Euro, beteiligt und spielte eine Rolle bei den Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990.

Später war er Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Im Jahr 2000 wurde Köhler Schröders Ersatzkandidat für die IWF-Führung. Er gewann die Unterstützung der USA, nachdem Berlins erster Kandidat, der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Caio Koch-Weser, von den USA als zu leichtgewichtig abgelehnt worden war.

US-Finanzminister John Snow würdigte später Köhlers Amtszeit: "Er hat die Institution in Bezug auf ihre Transparenz umgestaltet und daran gearbeitet, bessere Instrumente zur Krisenprävention und ein effektiveres Krisenmanagement zu entwickeln."

Merkel, damals Oppositionsführerin, holte ihn vier Jahre später als ihre Überraschungskandidatin für das Präsidentenamt nach Deutschland zurück.

Altbundespräsident Horst Köhler hinterlässt seine Frau, seine Tochter Ulrike und seinen Sohn Jochen.

 

Weitere Quellen • AP

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