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Gesetzesreform: Berliner Grüne wollen Polizistinnen mit Kopftuch

Berliner Neutralitätsgesetz unter Druck: Die Grünen wollen das Kopftuchverbot für Beamte endgültig abschaffen.
Berliner Neutralitätsgesetz unter Druck: Die Grünen wollen das Kopftuchverbot für Beamte endgültig abschaffen. Copyright  AP Photo
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Von Euronews
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Ein Antrag der Berliner Grünen fordert die Abschaffung des Neutralitätsgesetzes. Grünen-Politikerin Tuba Bozkurt spricht von einem "faktischen Berufsverbot" für Menschen mit Kopftuch, die im Polizeidienst oder in der Justiz arbeiten möchten.

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Die Grünen-Fraktion aus Berlin fordert in einem Antrag die Abschaffung des sogenannten Neutralitätsgesetzes. Dieses verbietet das Tragen sichtbarer religiöser Symbole im Staatsdienst und betrifft damit unter anderem Lehrkräfte, Polizei und Rechtspfleger.

Das Gesetz ist bereits mehrfach vor Gericht diskutiert worden. Seither kam es immer wieder zu Klagen – vor allem im Zusammenhang mit dem Tragen eines Kopftuchs durch muslimische Beamtinnen.

Grundsatzurteil: Kopftuchverbot nur bei konkreter Gefährdung zulässig

2015 fällte das Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil: Ein generelles Kopftuchverbot ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Es schränke die Grundrechte unverhältnismäßig stark ein. Nur wenn ein Kopftuch eine „Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität“ darstellt, könne ein solches Verbot gerechtfertigt sein, heißt es in dem Urteil, das sich auf einen Fall in Nordrhein-Westfalen bezieht.

Die Berliner Bildungsverwaltung lenkte erst 2023, Jahre nach dem Urteil, ein. Das Land Berlin musste bereits 2018 einer muslimischen Lehrerin Schadensersatz zahlen, weil sie aufgrund ihres Kopftuchs nicht eingestellt worden war. Sie erhielt rund 5.159 Euro Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Das Bundesarbeitsgericht sah hierin eine Diskriminierung aufgrund der Religion.

Daraufhin informierte die Berliner Senatsverwaltung in einem Rundschreiben alle Schulen, künftig von der „bisherigen wortgetreuen Anwendung des Neutralitätsgesetzes“ abzurücken und dem Gefährdungsprinzip des Bundesverfassungsgerichts zu folgen. Wann jedoch eine Gefährdung des Schulfriedens vorliegt, ist bislang nicht eindeutig definiert.

Im aktuellen Koalitionsvertrag, der noch von CDU und SPD beschlossen werden muss, ist vorgesehen, das Neutralitätsgesetz „gerichtsfest an die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ anzupassen.

Polizistinnen mit Kopftuch? Das sind die Forderungen der Grünen

Die Berliner Grünen-Fraktion argumentiert, das Neutralitätsgesetz behindere „den Zugang von Frauen, die sich für das Tragen eines Kopftuchs entschieden haben, zu Berufen im öffentlichen Dienst – und macht diesen teilweise unmöglich“.

„Hoch qualifizierte Frauen dürfen ihren Beruf nicht ausüben, weil sie ein Kopftuch tragen. Das ist ein Problem“, sagte Grünen-Politikerin Tuba Bozkurt dem Tagesspiegel. Es handle sich um ein „faktisches Berufsverbot“, das dem Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel nicht gerecht werde.

Bozkurt, Sprecherin für Antidiskriminierung, betonte, Gemeinschaft könne nur entstehen, wenn allen Teilen der Gesellschaft gleichermaßen Bedeutung zugemessen werde. „Das Festhalten am Neutralitätsgesetz widerspricht einer liberalen und vielfältigen Gesellschaft“, heißt es im Antrag.

Der Vorstoß soll Frauen ermöglichen, auch dann als „Beamtinnen und Beamte im Bereich der Rechtspflege, des Justizvollzugs und der Polizei“ tätig zu sein, wenn sie ein Kopftuch tragen.

Erster Fall bereits 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht

Das Neutralitätsgesetz basiert auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2003. Damals wollte Fereshta Ludin nach ihrem Studium als Lehrerin in Baden-Württemberg arbeiten. Aufgrund ihres Kopftuchs wurde ihr die Ausübung des Berufs untersagt.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Entscheidung der zuständigen Behörde sowie die Urteile der Vorinstanzen die Grundrechte der Lehrerin verletzten – insbesondere ihre Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) sowie das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 2 und 3 GG).

Zudem fehlte in Baden-Württemberg damals eine gesetzliche Grundlage für ein solches Verbot. Das Gericht stellte klar, dass es verfassungswidrig ist, einer Muslima das Lehreramt wegen eines Kopftuchs zu verweigern, wenn kein Gesetz das Tragen religiöser Symbole untersagt.

Gleichzeitig bestätigte das Gericht, dass das Tragen eines Kopftuchs mit staatlicher Neutralität in Konflikt geraten könne. Die Entscheidung darüber, ob Lehrkräfte an Schulen ein Kopftuch tragen dürfen, liegt jedoch bei den einzelnen Bundesländern – Bildungsfragen sind Ländersache.

Berlin und sieben weitere Bundesländer führten daraufhin das Neutralitätsgesetz ein.

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