Die Zahl der Vergewaltigungen in Deutschland steigt. Reality-Star Gina-Lisa Lohfink zeigte selbst eine Vergewaltigung an, verlor den Prozess. Im Interview mit Euronews spricht sie am Tag gegen Gewalt an Frauen darüber, wie der Staat Opfern helfen könnte.
Es ist eiskalt auf Berlins Straßen, trotzdem will Gina-Lisa Lohfink heute mit unzähligen anderen Frauen in Berlin rausgehen, demonstrieren, ein Zeichen setzen. Ihr Ziel: ein schärferes Sexualstrafrecht. "Ich fordere das, weil es keinem Menschen auf dieser Welt schlecht gehen sollte. Gewalt ist das Schlimmste, das es gibt. Es macht so viel mit der Psyche", sagt Gina-Lisa zu Euronews.
Deswegen setzt sie sich für die Einführung von "Nur Ja heißt Ja" im Sexualstrafrecht ein. Das würde bedeuten, dass bei sexuellen Handlungen die explizite Zustimmung der Beteiligten benötigt wird – so wie es schon in Spanien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Griechenland und seit Kurzem Frankreich gesetzlich verankert ist.
Seit 2016 gilt in Deutschland der Grundsatz "Nein heißt nein". Sexuelle Handlungen, die verbal abgelehnt werden, sind strafbar, ebenso, wenn Täter Opfer überraschen oder Handlungen erzwingen. Doch in der Praxis müssen Opfer weiterhin häufig nachweisen, dass sie "Nein" gesagt haben. Schweigen oder Passivität werden als stille Zustimmung gewertet. Die Einführung des Paragraphen bezeichnete die NGO "bff: Frauen gegen Gewalt e. V." dennoch als "Meilenstein". Zuvor mussten Opfer sich körperlich wehren, damit sexuelle Übergriffe strafbar wurden.
Monatelang setzt Gina-Lisa sich für die Einführung von "Nein heißt Nein" ein. Sie sitzt in Talkshows, gibt Interviews, wird so zur Ikone der Bewegung. Heute versucht sie dasselbe für die Petition "Nur Ja heißt Ja" zu tun. "Der Staat hilft Opfern immer noch zu wenig. Viele Frauen haben Angst, zur Polizei zu gehen, weil sie denken, dass ihnen sowieso nicht geglaubt wird oder sie verlieren", erklärt Gina-Lisa.
Zahl der Vergewaltigungen steigt
Täter würden über zu niedrige Strafen sowie fallengelassene Verfahren lachen und weitermachen. Auch Gina-Lisa saß einst in einem solchen Verfahren – als Opfer. Sie zeigte zwei Männer wegen Vergewaltigung an. Das zuständige Amtsgericht Berlin-Tiergarten glaubte ihr nicht, sie verlor und musste wegen falscher Verdächtigung 20.000 Euro Strafe zahlen. Heute zieht sie Kraft aus der Erfahrung, will sich nicht kaputtmachen lassen. "Ich bin eine Kämpferin. Ich muss weiterkämpfen."
Eine Statistik des Bundeskriminalamts zeigt: Seit Jahren steigt die Zahl der Vergewaltigungen in Deutschland. 2024 wurden 13.320 Fälle angezeigt – ein Anstieg um 9,3 % im Vergleich zum Vorjahr.
"Wie man sich anzieht, was man arbeitet oder wie man aussieht, gibt niemandem das Recht, einen zu vergewaltigen oder mit einem zu machen, was man will. Man muss fragen, und wenn man klar und deutlich 'Ja' sagt, dann passt es." Aufreizende Kleidung sei kein Freifahrtschein, so der Reality-Star. "Mehr Respekt, mehr Liebe, weniger Hass", wünscht Gina-Lisa sich.
Vergangenes Jahr scheiterte der Versuch, den Grundsatz "Nur Ja heißt Ja" EU-weit einzuführen. Der damalige Justizminister Marco Buschmann (FDP) blockierte das Gesetz. Die EU sei für Gesetzesverschärfungen in dem Bereich nicht zuständig. "Der Beschluss einer offenkundig rechtswidrigen Regelung hätte zu mehr Unsicherheit und damit zum Gegenteil dessen geführt, was wir erreichen wollen – mehr Sicherheit für Frauen", schrieb er auf der Plattform Abgeordnetenwatch, auf der Abgeordnete Bürgerfragen beantworten.
Am 25. November findet der "Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen" statt, an dem weltweit Institutionen und Aktivisten auf Gewalt an Frauen und Mädchen aufmerksam machen.