Seit einer Woche drohte ein massiver Felssturz, das Bergdorf Blatten in der Schweiz wurde evakuiert. Jetzt wurden Teile des Walliser Dorfes verschüttet, so der regionale Führungsstab.
Das Dorf Blatten lebt eigentlich vom Tourismus und seiner bildschönen Lage in den Schweizer Alpen. Seit Tagen drohte ein massiver Felssturz, jetzt haben gewaltige Geröllmassen das Dorf verschüttet. "Das Unvorstellbare ist eingetroffen", so Matthias Bellwald, der Gemeindepräsident von Blatten. "Wir haben das Dorf verloren", sagte er auf einer Pressekonferenz nach dem Ereignis.
Auch der Chef der Dienststelle für Naturgefahren, Raphaël Mayoraz, spricht vom "Worst-Case-Szenario". Die Experten und Politiker geben sich dennoch zuversichtlich. Der Bund wolle im Rahmen der Zusammenarbeit alles tun, damit eine Zukunft für das realistisch sei, versicherte der Bundesrat Albert Rösti.
Die Behörden hatten bereits am Wochenende des 18. Mai beschlossen, das Dorf zu evakuieren. Alle 300 Bewohner wurden in Sicherheit gebracht. Laut dem Sprecher des Regionalen Führungsstabes gibt es eine vermisste Personen, weitere Details sind noch unklar.
Unterstützung durch die Armee
Der Gletscherabbruch am Mittwochnachmittag hat Teile des Dorfes verschüttet. Der Kanton Wallis hat deshalb die Armee um Unterstützungg ersucht. Laut dem regionalen Führungsstab dürfte es sich dabei um das "befürchtete Großereignis" handeln, sagte dieser dem Schweizer Sender SRF.
Die Bundespräsidentin teilte ein Foto des Dorfes auf der Plattform X und sprach den Bewohnern Mitgefühl aus.
Zu Beginn des Abends werden Details auf einer Pressekonferenz erwartet.
Evakuierung bereits vergangene Woche
Mehr als 90 Personen wurden am Samstagabend von ihren Häusern in Blatten im Lötschental, einem Tal oberhalb des Rhonetals im südlichen Wallis, in Sicherheit gebracht. Die Evakuierung lief ruhig und geordnet ab, sagte der Sprecher der Gemeinde, Matthias Ebener.
Am Montag, den 19. Mai, kündigten die Walliser Behörden die vollständige Evakuierung des Dorfes mit rund 300 Einwohnern an, mit Ausnahme von zwei Gebieten, und begründeten dies mit der Gefahr von Steinschlag und Erdrutschen.
Es war nicht sofort klar, wann die Bewohner nach Hause zurückkehren können. Nun wird es noch einige Zeit dauern. Auch Tiere wurden in Sicherheit gebracht. Unter anderem wurden einige Kühe mit einem Hubschrauber ausgeflogen.
"Die Situation ist sehr akut", sagte Führungsstab Ebener vergangene Woche gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk SRF. "Es besteht die Gefahr von Felsstürzen", sagte Ebener und verwies auf das nahe gelegene Kleine Nesthorn und den Birkengletscher. In der Gegend hat es immer wieder kleinere Felsstürze gegeben. Auch mehrere Wanderwege und Straßen wurden vorübergehend gesperrt.
Am Bietschhorn, der knapp 4.000 Meter hoch ist, lösten sich große Gesteinsmassen, stellten Geologen fest. Bereits seit Dienstag vergangener Woche war der Berg ins Rutschen gekommen. Insgesamt stürzten schätzungsweise schon 1,5 Millionen Kubikmeter Gestein Richtung Tal. Bei einem Bach etwas oberhalb von Blatten kam der Erdrutsch bisher zum Erliegen.
Weitere bis zu 3,5 Millionen Kubikmeter Felsgestein drohen, ins Tal zu stürzen.
„Es könnten im schlimmsten Fall insgesamt bis zu fünf Millionen Kubikmeter Gestein den Berg hinab donnern“, warnte Alban Brigger von der Abteilung Naturgefahren des Kantons Wallis.
Felsstürze bedrohen immer wieder Alpendorfbewohner
Im Jahr 2023 wurden die Bewohner des Dorfes Brienz in der Ostschweiz evakuiert, als ein riesiger Felsbrocken einen Berghang hinunterrutschte und kurz vor der Siedlung zum Stillstand kam. Vergangenes Jahr wurde Brienz erneut evakuiert, weil die Gefahr eines weiteren Felssturzes bestand.
Im Jahr 2017 wurde das Dorf Bondo von einer Matschlawine getroffen. Felsrutsche passieren immer häufiger in der Alpenregion. Grund dafür ist unter anderem der zunehmend auftauende Permafrost, der die Berge in Bewegung bringt.
Tauender Permafrost bringt die Berge in Bewegung
In den Hochlagen der Schweizer Alpen ist der Untergrund ständig gefroren. Es handelt sich um Permafrost, der verborgen in Felswänden und Berggipfeln vorkommt. Eine typische Landform des Gebirgspermafrosts sind Blockgletscher: Diese aus groben Blöcken und Eis bestehenden Schuttmassen kriechen unter dem Einfluss der Schwerkraft mit einer Geschwindigkeit von Dezimetern bis Meter pro Jahr talwärts und zeigen das Vorkommen von Permafrost auf.
Da Permafrost über die Temperatur definiert ist, reagiert er auf Änderungen der klimatischen Bedingungen empfindlich. Wenn Permafrost auftaut, leidet die Stabilität der riesigen Bergmassen darunter. Durch den Klimawandel kommt es immer häufiger zu diesen Bewegungen und dadurch Erdrutschen und Gefahren für die Bergbewohner.