Nach Polizeiangaben sind in ganz Frankreich etwa 200.000 Menschen auf die Straße gegangen. Wirklich blockiert wurde das Land von der Bewegung "Bloquons tout" nicht.
Tränengas, Barrikaden und Tausende von Menschen auf den Straßen - Frankreichs neuer Premierminister Sébastien Lecornu tritt sein Amt mitten in einer Protestwelle an. Am Mittwoch demonstrierten Zehntausende in der Hauptstadt und im ganzen Land unter dem Motto "Bloquons tout" ("Alles blockieren"). Alles blockiert haben die Protestierenden nicht.
Die Regierung setzte landesweit rund 80 000 Polizisten ein. In Paris versuchten einige Demonstranten am frühen Morgen, öffentliche Verkehrsmittel und den Autoverkehr an entscheidenden Punkten zu blockieren, wurden aber schnell von der Polizei auseinandergetrieben. In ländlichen Regionen gab es Protest von ehemaligen Gelbwesten an Kreisverkehrsplätzen. 2018 und 2019 hatten die Gelbwesten immer wieder den in Frankreich beliebten Kreisverkehr blockiert.
In Lyon war der Place Bellecour in der Innenstadt für den Verkehr abgeriegelt. Die Polizei lieferte sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit vorwiegend schwarz gekleideten jungen Leuten. Viele Geschäfte machten vorübergehend dicht, weil die Sicherheitskräfte immer wieder Tränengas einsetzten, um die Protestierenden zu vertreiben.
Zuvor hatten sich in Paris Hunderte vor dem Gare du Nord, einem der verkehrsreichsten Bahnhöfe Europas, versammelt. Später kamen viele weitere auf dem Place du Châtelet im Zentrum von Paris, zusammen - diesmal in einer viel ruhigeren Atmosphäre, aber unter der Oberfläche ist die Wut spürbar.
"Lecornu ist wirklich das Schlimmste"
Dass Emmanuel Macron seinen langjährigen Vertrauten Sébastien Lecornu zum Premierminister ernannt hat, bringt viele politische Gegner auf die Palme.
Sandrine Rousseau, Abgeordnete der Grünen Partei, sagte in Paris im Gespräch mit Euronews: "Sébastien Lecornu ist das Symptom der Krise, mit anderen Worten, er ist wirklich das Schlimmste vom Schlimmsten, was wir uns im Moment vorstellen können."
Rousseau wirft Macron auch eine Art Alleinherrschaft vor: "Es ist unglaublich, dass Emmanuel Macron dies getan hat, nach der Niederlage von Bayrou bei der Vertrauensabstimmung, nach der Entlassung von Barnier. Wir können es nicht mehr ertragen. Emmanuel Macron, Sie haben nicht Recht - gegen alle. Emmanuel Macron, Sie sind nicht der Einzige, der weiß, was zu tun ist. Es reicht. Tatsache ist, dass Sie nur eine Minderheit im Land vertreten, Sie können Politik nicht allen und gegen alle durchsetzen."
Eric Challal - Eisenbahner und Gewerkschaftsvertreter - beklagt, dass die Vorschläge der Regierung Bayrou an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigehen: "Die Ankündigung des Bayrou-Plans, an zwei Feiertagen umsonst zu arbeiten, die fünftägige Wartezeit, bevor Krankentage bezahlt werden: wir haben es satt, wir sind es leid zu zahlen, wir arbeiten hart, wir halten uns kaum über Wasser mit unseren Gehältern und dann zu sagen, das Defizit wäre unsere Schuld. Es ist unerträglich, das zu hören."
Für den neuen Premierminister war es ein harter erster Arbeitstag. Sébastien Lecornu hat nun die Aufgabe, die politische Stabilität in einem zersplitterten und feindseligen Parlament wiederherzustellen, während er gleichzeitig mit einer massiven Bürgerbewegung konfrontiert ist, die entschlossen ist, den Druck aufrechtzuerhalten.