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Verluste in Milliardenhöhe? Kanzler Merz lädt zum Stahlgipfel

Ein Stahlarbeiter geht an Stahlcoils im Thyssenkrupp-Stahlwerk in Duisburg, Deutschland vorbei.
Ein Stahlarbeiter geht an Stahlcoils im Thyssenkrupp-Stahlwerk in Duisburg, Deutschland vorbei. Copyright  AP Photo
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Von Franziska Müller
Zuerst veröffentlicht am
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Wandert die deutsche Stahlproduktion ins Ausland ab, drohe ein Wertschöpfungsverlust von 50 Milliarden Euro pro Jahr, so eine Studie. Bundeskanzler Merz lädt aufgrund der düsteren Aussichten zum Stahlgipfel.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) lädt am Donnerstag zum Stahlgipfel ins Kanzleramt ein - denn nach einer Schätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hängen rund 605.000 Arbeitsplätze von der Industrie ab. Die Stahlindustrie selbst steckt in der Krise: hohe Energiepreise und verlorene Exportchancen durch ausländischen Billigstahl belasten den Markt.

Mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland arbeiten im Zusammenhang der Stahlindustrie, etwa als Zulieferer oder Kunde. Aufgrund von hohen Energiepreisen und günstigen Importalternativen steht die Branche unter Druck.

Studie: 50 Milliarden Euro Wertschöpfungsverlust

In Deutschland sind es vor allem die hohen Energiepreise, die die Kosten der Stahlproduktion nach oben treiben. Die Produktion ist allerdings auf sehr hohe Temperaturen und dadurch viel Energie angewiesen.

Die deutsche Stahlindustrie leidet unter hohen Energiepreisen.
Die deutsche Stahlindustrie leidet unter hohen Energiepreisen. AP Photo

Dadurch verliert deutscher Stahl seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Stahlimporten aus dem Ausland. Im schlimmsten Fall könnte der Standort Deutschland seine Bedeutung verlieren, es könnte zu Abwanderung kommen. Laut einer Studie der Universität Mannheim im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung sollte die Politik dies verhindern.

Eine Verlagerung ins Ausland hätte milliardenschwere volkswirtschaftliche Verluste zur Folge. Mindestens 30.000 Beschäftigte könnten ihren Arbeitsplatz verlieren, heißt es in der Studie. Der deutschen Wirtschaft würden ohne inländische Stahlproduktion bis zu 50 Milliarden Euro jährlicher Wertschöpfungsverlust drohen.

Branchen wie Metallerzeugung, Maschinenbau, Elektrotechnik und Autobranche müssten laut den Autoren der Studie im Krisenfall teuer für ausländischen Stahl bezahlen. Die Wirtschaftsforscher halten langfristig eine Produktion von mindestens rund 40 Millionen Tonnen jährlich in Deutschland für notwendig, um den Bedarf verlässlich zu decken.

US-Zölle und chinesische Subventionen verschieben Wettbewerb

Während die deutsche Wirtschaft nicht so recht ins Plus kommt, hat China Rekordsubventionen für die Stahlindustrie investiert. Dadurch produziert das Land innerhalb Asiens am meisten Stahl und kann es noch dazu im Wettbewerb günstig verkaufen.

Die USA reagierten mit hohen Zöllen. Importe von Stahl stehen seit Donald Trumps Zollpolitik unter hohen Zusatzzahlungen. Europäischer Stahl ist seitens der USA mit 500 Prozent Zöllen belegt. Der deutsche Export von Stahl gerät dadurch in Schwierigkeiten.

Stahl steht zum Abtransport in Duisburg bereit. Die Branche kann nicht mehr so viel exportieren wie früher.
Stahl steht zum Abtransport in Duisburg bereit. Die Branche kann nicht mehr so viel exportieren wie früher. AP Photo

Die EU ist zwar der zweitgrößte Stahlproduzent weltweit, nimmt allerdings nur einen Anteil von rund 14 Prozent der weltweiten Stahlproduktion ein, so der Jahresbericht des europäischen Wirtschaftsverbands Eurofer. Vorreiter ist Asien mit knapp drei Viertel Produktion des globalen Rohstahls. Deutschland ist innerhalb der EU der größte Stahlproduzent.

Doch Stahlproduktion in der EU ist rückäufig. 2024 hat Europa nach der Erhebung von Eurofer 130 Millionen Tonnen Rohstahl produziert, 2010 waren es noch etwa 170 Millionen Tonnen. Auch in Deutschland war 2024 ein schwaches Jahr für die Stahlproduktion. Zudem kündigte der größte deutsche Hersteller Thyssenkrupp an, 11.000 Stellen im Jahr 2025 abbauen zu wollen.

EU will Zölle auf Stahl verdoppeln

Die Nachfrage sinkt seit einigen Jahren aufgrund der andauernden eher schwachen Wirtschaftssituation. In Europa kommt zu den hohen Energiepreisen, die sich im Verkaufspreis niederschlagen, zunehmend asiatische Konkurrenz zu deutlich günstigeren Preisen.

Die Konkurrenz könnte zunehmen, wenn China noch mehr günstigen Stahl wegen der erhöhten US-Zölle in die EU umleitet, vermuten Branchenexperten. Untersuchungen der EU-Kommission zeigten, dass chinesische Importe zu Preisen unterhalb der Produktionskosten auf den EU-Markt gelangt sind. Das ist beispielsweise bei zinnbeschichtetem oder organisch beschichtetem Stahl der Fall. In diesen Produktkategorien gelten erhöhte Anti-Dumping-Zölle.

Die EU bewertet den Wettbewerb durch China als unfair. Kritiker fordern eine breitere Anwendung von Anti-Dumping-Zöllen, damit Stahlimporte die Preise hierzulande nicht mehr unterbieten könnten.

Anfang Oktober hat die EU eine Ausweitung der Zölle auf Stahl vorgeschlagen. Künftig soll nur noch halb so viel Stahl zollfrei in die EU kommen dürfen wie bislang. Darüber hinaus soll ein Aufschlag von 50 Prozent fällig werden. Europaparlament und die EU-Staaten müssen dem Vorschlag allerdings noch zustimmen.

Das kann Deutschland tun: Industriestrompreis als Lösung?

Die Stahlbranche ringt seit Längerem mit der geopolitischen und wirtschaftlichen Situation. Zentrale Sorge ist neben den US-Zöllen auch die Umleitung von billigerem Stahl aus China in die EU, da er in den USA mit ebendiesen hohen Zöllen belegt ist.

"Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die überarbeiteten Schutzmaßnahmen der EU für Stahl robust und wirksam sind, um einer weiteren Umleitung der Stahlimporte, die den EU-Markt überschwemmen, sofort und entschlossen entgegenwirken zu können. Die Zeit ist gekommen", hatte Henrik Adam, der Präsident der europäischen Wirtschaftsverbands Eurofer, vor der Vorstellung der Kommissionspläne gesagt.

An der geopolitischen Lage kann Deutschland nicht viel ändern. Ein möglicher Hebel könnte jedoch die Regulierung des Strompreises sein. Die IG Metall fordert den im Koalitionsvertrag angekündigten Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde zum 1. Januar 2026. Am Montag hatte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zwar angekündigt, dass es 2026 einen Industriestrompreis gegen würde, doch eine konkrete Benennung der Kosten blieb aus.

Thyssenkrupp ist der größte Stahlproduzent in Deutschland und Deutschland wiederum der größte Produzent innerhalb der EU.
Thyssenkrupp ist der größte Stahlproduzent in Deutschland und Deutschland wiederum der größte Produzent innerhalb der EU. AP Photo

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl hofft ebenfalls auf wettbewerbsfähige Strompreise. Die Gewerkschaft und die Unternehmensvertretung nehmen am heutigen Gipfel im Kanzleramt teil. Ein Industriestrompreis würde deutsche Unternehmen bisher um bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich entlasten, hat das IW berechnet. Bleibt die Regelung allerdings nur drei Jahre bestehen, so wie derzeit vorgesehen, so mache dies nach Einschätzung der Wirtschaftsexperten nur einen unzureichend kleinen Teil aus.

Die Mannheimer Forscher der oben genannten Studie forderten mehr Investitionen in Anlagen für eine klimafreundlichere Stahlproduktion. Die Umstellung ist teuer, allerdings wird es immer dringlicher, die CO2-Emmissionen der Branche zu reduzieren. Im Bereich der grünen Primärstahlproduktion bestehe eine erhebliche Investitionslücke. Einem künftigen Bedarf von rund 20 Millionen Tonnen jährlich stehe lediglich eine geplante Produktionskapazität von etwa acht Millionen Tonnen gegenüber.

"Ein Ende der Stahlproduktion in Deutschland würde den Industriestandort insgesamt massiv gefährden – mit schwerwiegenden Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und die politische Stabilität im Land", sagte Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall, der Deutschen Presse-Agentur_._

Bund und Länder müssten alles tun, um die Stahlindustrie in Deutschland und Europa zu sichern und zukunftsfähig zu machen.

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