Newsletter Newsletters Events Veranstaltungen Podcasts Videos Africanews
Loader
Finden Sie uns
Werbung

Muslimischer Schüler durfte nicht beten - Schule verklagt!

Ein Berliner Schüler wird beim Beten gestoppt. Jetzt klagt ein Verein: Ist das Schutz des Schulfriedens? Ein ehemaliger Schüler bricht das Schweigen.
Ein Berliner Schüler wird beim Beten gestoppt. Jetzt klagt ein Verein: Ist das Schutz des Schulfriedens? Ein ehemaliger Schüler bricht das Schweigen. Copyright  JOERG SARBACH/AP
Copyright JOERG SARBACH/AP
Von Diana Resnik
Zuerst veröffentlicht am
Teilen Kommentare
Teilen Close Button

Stört das Beten wirklich den Schulfrieden? Ein Berliner Schüler wurde während seiner Mittagspause beim Gebet lautstark vom Schulleiter gestoppt. Jetzt klagt ein Verein, und der Schüler bricht sein Schweigen.

Ein muslimischer Schüler betet während seiner Mittagspause allein im Dachgeschoss eines Berliner Gymnasiums. Eigentlich stört er niemanden. Doch sein Schulleiter bemerkt ihn und fordert lautstark, dass er das Gebet sofort unterlassen soll.

"Mit jedem Schritt, den er auf mich zukam, wurde er lauter und aggressiver", erinnert sich der Schüler, der anonym bleiben möchte. "In dem Moment bekam ich Angst, dass er mich schubsen könnte. Dann habe ich angefangen zu weinen."

Inzwischen hat der Schüler die Schule abgeschlossen. Doch auch nach fünf Jahren ist der Fall weiterhin aktuell: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat eine Verbandsklage gegen das Gebetsverbot an dem Berliner Gymnasium eingereicht. Das Verbot untersagt Schülern das sichtbare Beten -"im Interesse des Schulfriedens", wie es in der Schulordnung heißt.

Euronews hat die Schule kontaktiert, die sich jedoch nicht persönlich äußern wollte und auf die zuständige Bildungsbehörde verwies.

Gefährdet das Beten den Schulfrieden?

Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie verwies auf das Neutralitätsgebot, das Schulen verpflichtet, weltanschaulich und religiös neutral zu handeln. Ein Verbot käme in Betracht, wenn durch öffentliche Gebete der Schulfrieden gestört oder der geordnete Ablauf des Schulbetriebs beeinträchtigt werde.

Euronews sprach dazu mit der Juristin des GFF, Soraia Da Costa Batista. Sie erklärt: Der abstrakte Verweis auf den Schulfrieden reiche nicht, um die Religionsausübung pauschal zu verbieten.

Es stehe allen Schüler*innen verfassungsrechtlich ein Grundrecht zur Religionsfreiheit zu. Das in der Schule auszuüben sei ihr gutes Recht, betont die Juristin.

"Hä? Dann lasst sie doch auch beten"

Dieses Grundrecht wurde dem ehemaligen Schüler damals verwehrt. Der 24-Jährige erinnert sich noch genau an die Begründung des Schulleiters: Andere Schüler dürften nicht benachteiligt werden. "Im Nachhinein denke ich mir: 'Hä? Dann lasst sie doch auch beten.'"

Heute kann er offen darüber sprechen. Damals stand er unter Schock. Aus einstigen Vertrauenspersonen wurden Aufseher. Mit der Zeit wurden Lehrer beauftragt, im Treppenhaus zu patrouillieren, damit keine Schüler dort beten konnten, erinnert sich der ehemalige Schüler.

Gefährdet die individuelle Religionsfreiheit die Neutralität der Schule?

Es stehe der Schule nicht zu, die grundrechtlich geschützte Religionsausübung der Schüler*innen zu bewerten oder sogar ungerechtfertigt einzuschränken, betont Da Costa Batista.

Die Juristin stellt klar: Die religiöse Neutralität an Schulen betreffe zwar die Schulen als staatliche Institutionen, nicht jedoch die Grundrechte der Schüler.

Wo liegt der Unterschied?

Die individuelle Religionsfreiheit der Schüler sei dem Staat nicht zuzurechnen. "Wenn die Schüler*innen [ihre Religion] ausüben, dann identifiziert sich der Staat nicht mit der Religionsausübung der Schüler*innen", so Da Costa Battista.

Anders verhält es sich, wenn sich die Schule etwa dazu entscheidet, ein christliches Symbol an die Wand zu hängen. Damit würde sich die Schule als staatliche Institution wiederum mit einer Religion identifizieren - "und darin liegt der Unterschied", erklärt die Rechtsanwältin.

"Warum soll man Angst haben und sich verstecken?"

Der ehemalige Schüler ist überzeugt: Die Schule sollte ein Ort sein, wo Kinder sich frei entfalten können. "Wenn ein Kind einfach mal zur Ruhe kommen will, gehört das zu seiner Entwicklung mit dazu", sagt er. Solange niemand gestört oder Propaganda gemacht wird sei das Beten kein Problem, meint er. "Warum soll man Angst haben und sich verstecken?"

Die Schule begründet das Verbot mit negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit. Vor etwazwanzig Jahren soll es Konflikte im Zusammenhang mit Religionsausübung gegeben haben, erzählt die Juristin auf Nachfrage von Euronews. Diese Konflikte stünden jedoch nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem islamischen Pflichtgebet, sagt Da Costa Batista.

Diese Erfahrung kann der Schüler, mit dem Euronews sprach, nicht bestätigen: "In meiner Klasse hatten wir Muslime, Christen und Juden", erinnert er sich.

Dabei hätte das Zusammensein der verschiedenen Religionen in seinem Fall genau das Gegenteil bewirkt: "Nicht eine Spaltung, sondern einen noch stärkeren gemeinsamen Zusammenhalt", erzählt er.

"Das Beten in den Treppenhäusern verstößt gegen die Menschenwürde"

Da Costa Batista verweist auf die pädagogischen Pflichten der Schulen: "Wenn es zu Konflikten aufgrund der Religionsausübung kommt, hat die Schule erstmal viele pädagogische und schulgesetzliche Instrumente wie Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, mit denen sie auf solche Konflikte reagieren kann."

Die Religionsfreiheit zu verbieten, wäre die allerletzte Option, wenn alles andere ausgeschöpft sei, sagt die Juristin. Doch selbst in diesem Fall könne die Religionsausübung nicht dauerhaft verboten werden, sondern nur solange, wie die Funktionsfähigkeit der Schule wiederhergestellt wird, meint Da Costa Batista.

"Als ob die Schüler eine Straftat begehen würden"

"Dass so aggressiv dagegen [das Beten] vorgegangen wurde, kann ich absolut nicht verstehen", sagt der ehemalige Schüler. "Als ob die Schüler eine Straftat begehen würden." Das erinnere an eine Diktatur. Diese Zustände dürften in der heutigen Zeit nicht sein, betont er. "Das Beten in den Treppenhäusern verstößt gegen die Menschenwürde."

Seiner Meinung nach wäre das Problem leicht zu lösen: mit Gebetsräumen an Schulen. Alle sollten die Möglichkeit haben, in unterrichtsfreien Zeiten zu beten, sagt er. "Ob Christ, Jude, oder Moslem - das spielt keine Rolle."

Zu den Barrierefreiheitskürzeln springen
Teilen Kommentare