Mehrere AfD-Abgeordnete reisen zu einer Konferenz nach Sotschi - offiziell, um Gesprächskanäle nach Russland offenzuhalten. Die Vorwürfe russischer Einflussnahme reißen nicht ab, doch die Umfragewerte der in Teilen als rechtsextrem eingestuften Partei bleiben stabil.
Die AfD-Bundestagsfraktion bekräftigte auch nach anhaltender öffentlicher Kritik ihre Unterstützung für die geplante Reise ihrer Mitglieder nach Russland und übernimmt nach eigenen Angaben die Kosten.
Mehrere AfD-Politiker wollen in der kommenden Woche an einer Konferenz im russischen Sotschi teilnehmen - darunter die Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Rainer Rothfuß, Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban sowie der Europaabgeordnete Hans Neuhoff. Thema des Treffens ist laut Parteiangaben das Verhältnis zwischen EU-Staaten und den BRICS-Ländern.
Ziel sei es, „Gesprächskanäle offenzuhalten“, ähnlich wie bei den bestehenden Kontakten zu US-Republikanern und zum Umfeld des US-Präsidenten Donald Trump, heißt es aus der Fraktion.
Hans Neuhoff verteidigte seine Reisepläne am Samstag gegenüber dem Handelsblatt. Die Vorwürfe gegen ihn und seine Parteikollegen nannte er „unqualifiziert“. Er nehme an einem vom Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften organisierten Kongress teil, bei dem es um die Perspektiven der Beziehungen zwischen EU-Staaten und BRICS-Staaten gehe, und werde dort auch selbst einen Vortrag halten.
Zu dem Kongress würden Vertreter aus dem gesamten BRICS-Spektrum sowie aus mehreren EU-Ländern erwartet, so Neuhoff weiter. „Unionspolitiker, die meinen, wir sollten BRICS ignorieren, haben von Geopolitik nichts verstanden“, sagte er. Wer das Bündnis ausblende, „führt Deutschland und Europa ins Abseits, nicht in eine gedeihliche Zukunft“.
Zuvor war über ein mögliches Treffen mit Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew spekuliert worden, der heute als stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrats fungiert. Nach Angaben der AfD ist ein solches Treffen nicht vorgesehen.
Parteiübergreifende Kritik
Die geplante Teilnahme mehrerer AfD-Politiker an der Konferenz im russischen Sotschi sorgte für breite Kritik über Parteigrenzen hinweg. CSU-Generalsekretär Martin Huber warf der AfD vor, als „verlängerter Arm“ von Russlands Präsident Wladimir Putin in Deutschland zu agieren. „AfD-Abgeordnete fahren nach Russland, um mit dem Kreml über die Durchsetzung russischer Interessen zu sprechen. Das ist Landesverrat“, sagte er dem Handelsblatt.
Huber bezeichnete die AfD, die vom Verfassungsschutz als in Teilen gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, zudem als „Sprachrohr Moskaus“. Wer sich „von Putins Schergen seine Politik diktieren lasse“, sei kein Patriot, sondern „eine Marionette und ein Risiko für unser Land“, so der CSU-Politiker.
Auch aus den Reihen der Grünen kommt deutliche Kritik. Der Außenpolitiker Robin Wagener sagte, die AfD stehe „nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, sondern im Dienst des Kremls“. Mit der Reise nach Sotschi machten sich ihre Abgeordneten „zu Propaganda-Verstärkern für das russische Gewaltregime“.
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bezeichnete die Reisepläne als „politisch höchst bedenklich“. Die Aktivitäten der AfD hätten nichts mit ernsthaften Bemühungen um eine Friedenslösung im Ukrainekrieg zu tun, sagte er. Vielmehr dienten sie dazu, „bestehende Allianzen zu vertiefen und die russische Position zu stärken“ - das sei „hochproblematisch“.
Kiesewetter bringt AfD Verbot wieder ins Spiel
Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter zeigte sich angesichts der geplanten Russlandreise empört. Russland sei ein „Terrorstaat“, sagte er dem Handelsblatt. Die AfD-Politiker machten sich mit ihrer Reise „bewusst zum Instrument im hybriden Krieg gegen Deutschland und Europa“.
Nach Ansicht Kiesewetters unterstütze Moskau gezielt den „Aufbau von Kreml-Parteien wie der AfD“, um die deutsche Demokratie zu schwächen. Dass Parteiführung und Bundestagsfraktion solche Reisen mittragen, zeige, „wie systematisch die AfD versucht, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu untergraben und unserem Land zu schaden“.
Kiesewetter sprach sich deshalb für ein „Überprüfungsverfahren“ aus, das ein mögliches Parteiverbotsverfahren vorbereiten könnte. Über ein Verbot könne zwar nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden – „genügend Anhaltspunkte dafür sehe ich jedoch ganz klar“, sagte der CDU-Politiker.
Kontakte zu Russland
Bereits in der Vergangenheit nahmen AfD-Vertreter an Konferenzen teil, die vom russischen Außenministerium organisiert wurden, reisten in von Russland besetzte Gebiete der Ukraine oder trafen bekannte Propagandisten und Oligarchen. Gegen mehrere Funktionäre wird inzwischen strafrechtlich ermittelt - unter anderem wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit oder verdeckter Zahlungen aus Russland.
Recherchen von t-online zeigen, wie tief die Verbindungen reichen. Auch führende Mitglieder der Bundestagsfraktion wie der Außenpolitiker Markus Frohnmaier oder der Europaabgeordnete Petr Bystron gerieten wiederholt durch ihre Nähe zu russischen Netzwerken in die Schlagzeilen. Beobachter gehen davon aus, dass der Kreml gezielt versucht, über Kontakte zur AfD politischen Einfluss in Deutschland zu nehmen.
Ein besonders aufsehenerregender Fall wurde im Herbst 2024 bekannt: Die AfD-Abgeordneten Rainer Rothfuß und Ulrich Singer trafen im russischen Sotschi den stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrats und Ex-Präsidenten, Dmitri Medwedew, einen engen Vertrauten Wladimir Putins, der für seine scharfen antiwestlichen Äußerungen bekannt ist. Begleitet wurden sie vom Europaabgeordneten Maximilian Krah, der heimlich mitreiste.
Auch im Bundestag hat die Nähe zu Russland inzwischen konkrete Folgen. Die Bundestagsverwaltung verweigerte einem Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten den Hausausweis, weil er enge Kontakte zu russischen staatlichen Stellen gepflegt haben soll. Nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts Berlin bestand der Verdacht, dass diese Verbindungen genutzt werden könnten, um Einfluss auf das Parlament und den politischen Prozess in Deutschland zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund werten viele Beobachter die neuerliche Reise nach Russland als weiteres Signal der politischen Annäherung - diesmal ausdrücklich gebilligt und finanziert von der Parteispitze.
Wieder Umfrage hoch
Die anhaltende Diskussion über ihre Russland-Beziehungen scheint der AfD in der Wählergunst jedoch nicht zu schaden. Laut dem aktuellen „Sonntagstrend“ des Instituts Insa für die Bild am Sonntag liegt die Partei weiterhin an der Spitze - mit 26 Prozent bleibt sie vor der Union, die auf 25 Prozent kommt.
Die SPD stagniert bei 15 Prozent, die Grünen verbessern sich leicht auf 12 Prozent. Die Linke erreicht 11 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) liegt bei 4 Prozent, und die FDP fällt mit 3 Prozent erneut unter die Fünf-Prozent-Marke. Die sonstigen Parteien kommen zusammen auf 4 Prozent.
Damit würden aktuell rund elf Prozent der Stimmen an Parteien gehen, die nicht in den Bundestag einziehen würden. Eine Mehrheit wäre rechnerisch bereits mit 45 Prozent möglich. Klassische Koalitionen hätten jedoch keine Mehrheit: Schwarz-Rot käme auf 40 Prozent, Rot-Grün-Rot auf 38 Prozent.