Estland teilt mehr als 290 Kilometer Grenze mit Russland. In den vergangenen Monaten kam es immer wieder Drohungen von russischer Seite, jetzt haben drei Grenzsoldaten NATO-Gebiet unerlaubt betreten. Das estnische Außenministerium fordert eine Erklärung.
Drei russische Grenzschützer sollen illegal estnisches Gebiet betreten haben, so das Außenministerium von Estland. Auf einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie drei Personen einen Wellenbrecher, der auch als Kontrolllinie zwischen Estland und Russland funktioniert, betreten haben.
Am Mittwochmorgen hat die estnische Polizei- und Grenzschutzbehörde (PPA) nach Angaben des Außenministeriums festgestellt, dass drei Grenzschutzbeamte der Russischen Föderation die provisorische Kontrolllinie zwischen Estland und Russland am Wellenbrecher des Flusses Narva illegal überschritten haben.
"Es bestand keine unmittelbare Sicherheitsbedrohung", sagte Estlands Innenminister Igor Taro im estnischen Fernsehen. Dennoch habe die Polizei und der Grenzschutz ihre Präsenz und Patrouillen nun deutlich verstärkt, führte er weiter aus.
Russische Soldaten überschreiten NATO-Außengrenze
Der Vorfall soll sich gegen 10 Uhr morgens ereignet haben. Demnach sollen die Beamten illegal die Kontrolllinie auf einem Wellenbrecher im Grenzfluss Narva nahe dem Ort Vasknarva überquert haben, an dem sie mit einem Luftkissenfahrzeug eingetroffen und zu Fuß entlanggegangen waren.
Daraufhin kündigte das Außenministerium von Estland Gespräche mit dem russischen Botschafter in Tallin an. Es werde am Donnerstag "eine Erklärung verlangen" und den Botschafter "vorladen", teilte das Ministerium auch auf der Plattform X mit.
Demnach sind drei Grenzschutzbeamte, die Russland zugeordnet werden, mit einem Luftkissenboot zum Wellenbrecher gefahren und haben den Landstreifen zu Fuß betreten. Auf dem Wellenbrecher befindet sich die Kontrolllinie zwischen Estland und Russland, ein Teil der mehr als 3.000 Kilometer langen NATO-Außengrenze.
Estland fordert Erklärung von Russland
Nach dem illegalen Grenzübertritt sollen die Soldaten zu ihrem Luftkissenboot zurückggekehrt und zum russischen Ufer zurückgefahren sein. Ein Video, das vom Außenministerium veröffentlicht wurde, soll die drei Soldaten zu Fuß auf dem Wellenbrecher zeigen.
Der Leiter des Grenzschutzbüros der östlichen Präfektur, Eerik Purgel, erklärte, dass mehrere estnische Grenzschutzpatrouillen auf den Grenzvorfall reagiert hätten.
"Der Vorfall wurde von Überwachungsgeräten aufgezeichnet, und es wurde auch eine erste Inspektion der Mole durchgeführt. Es wurde offizieller Kontakt mit dem Grenzvertreter der Russischen Föderation aufgenommen, um Erklärungen einzuholen", sagte er.
Die Präfektur Ost hat außerdem die Zahl der Patrouillen erhöht, um auf weitere Zwischenfälle vorbereitet zu sein.
Für Donnerstagvormittag ist ein Treffen der Grenzvertreter Estlands und Russlands geplant, bei dem Estland eine Erklärung zum Grenzübertritt erwartet. Das Außenministerium wird den Geschäftsträger ad interim der russischen Botschaft vorladen.
Zunehmend Verstöße an der NATO-Außengrenze
Im Oktober kam es bereits zu einem anderen Vorfall an der östlichen Grenze Estlands. Damals war eine Gruppe bewaffneter Männer in Militärkleidung, allerdings ohne Abzeichen, in der Nähe einer schmalen Straße, die durch russisches Gebiet führt, aufgetaucht.
Nach Angaben der estnischen Grenzschutzbeamten hätten sich die Männer quer über die Straße aufgestellt und Erinnerungen an die "little green men" geweckt. Im Jahr 2014 hatte Russland während der Krim-Übernahme solche Truppen eingesetzt.
Experten schätzten den Vorfall im Oktober als psychologischen Schachzug ein und halten dies für keine echte militärische Bedrohung. Vielmehr würde Russland seine Präsenz verstärken und durch diese Art der Demonstration daran erinnern.
Anfang November wurde darüber hinaus ein russisches Küstenwachenschiff auf dem Fluss Narva gesichtet, das die Fahne der russischen Wagner-Söldnerkompanie hisste. Am 19. September sollen drei russische MiG-31-Kampfjets für 12 Minuten in den Luftraum des baltischen Staates eingedrungen sein. Auch in Litauen ist es zur Verletzung des NATO-Luftraumsdurch russische Militärflugzeuge gekommen.
Die Reihe von Verstößen hat die Spannungen zwischen Russland und der NATO verschärft. Westliche Staats- und Regierungschefs warnen vor der Möglichkeit eines offenen Konflikts innerhalb der nächsten fünf Jahre.
Anfang dieser Woche warnte der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter vor einer unmittelbar bevorstehenden Bedrohung der NATO-Ostflanke aufgrund der offensichtlichen Präsenz einer beträchtlichen Anzahl russischer Soldaten auf belarussischem Boden.
Estland ist seit 2004 NATO-Mitglied und teilt eine 290 Kilometer lange Grenze mit Russland. Daher gilt es weithin als eines der am stärksten gefährdeten Mitglieder des Bündnisses.