Neben dem Ölreichtum verfügt Venezuela über riesige Reserven an Erdgas, Eisenerz und Bauxit, dem Grundstoff für die Aluminiumindustrie. Liegt darin der Fokus von US-Präsident Trump begründet?
Der "Ressourcenfluch" sucht Venezuela heim, so wie er 2003 denIrak heimgesucht hat und es immer noch tut. So sehen es viele Experten und Beobachtende in der arabischen Welt. Donald Trumps Rhetorik steht in krassem Gegensatz zu der "Soft-Power"-Philosophie, die seine Vorgänger - Republikaner wie Demokraten - seit Jahrzehnten praktiziert haben.
Zunächst beschränkte sich der US-Präsident darauf, den Drogenhandel anzuprangern und Nicolas Maduronach einer umstrittenen Wahl zu beschuldigen, ein illegitimer Präsident zu sein. Doch inzwischen scheint der republikanische Staatschef - beeinflusst durch seine Weltsicht des Geschäftsmanns - zum Kern der Sache vorzudringen, indem er Caracas beschuldigt, Ressourcen, Land und Vermögenswerte der USA zu veruntreuen. Trump hat eine Seeblockade angekündigt, die darauf abzielt, diese Ressourcen gewaltsam zurückzuholen.
Aber warum betrachtet Trump die Reichtümer Venezuelas als seine eigenen?
Jahrzehnte der Spannungen
Bis Mitte der 1930er Jahre war Venezuela auf den Export von Kaffee angewiesen, doch die Entdeckung von Erdöl - die Anfang des 20. Jahrhunderts begann und später ihren Höhepunkt erreichte - veränderte die wirtschaftliche Ausrichtung des Landes.
In der Zwischenzeit begannen die Vereinigten Staaten mit der Herstellung und dem Export von Autos, und ihr Bedarf an Treibstoff stieg, da sie in ihrem Nachbarland einen wachsenden Markt fanden.
US-amerikanische Ölgesellschaften wie Shell, Gulf Oil und Standard Oil drängten bald nach Caracas. Bis 1929 förderten die USA rund 60 Prozent des Öls des lateinamerikanischen Landes, kontrollierten die Bohrungen und Explorationen und festigten ihren politischen Einfluss, so dass Venezuela während des Zweiten Weltkriegs zum größten Ölexporteur der Welt und zur finanziellen Rettungsleine für die Alliierten wurde.
Der linksgerichtete Chávez
Die Situation änderte sich jedoch, nachdem der ehemalige Präsident Hugo Chavez 1999 durch die so genannte Bolivarische Revolution an die Macht kam. Er warb mit dem Slogan des "Antiimperialismus" und baute freundschaftliche Beziehungen zu Washington feindlich gesinnten Regimen wie Kuba, Irak und Libyen auf.
Chavez verstaatlichte große Wirtschaftssektoren, vom Erdöl über die Landwirtschaft bis hin zur Industrie sowie Grund und Boden. Er gründete die PDVSA, auf die rund 50 % der Staatseinnahmen und 80 % der Exporte des Landes entfallen. Dies wirkte sich negativ auf die Interessen mehrerer US-amerikanischer Unternehmen aus und trug zur Entstehung von Feindseligkeiten bei, die so weit gingen, dass der damalige US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den venezolanischen Staatschef mit "Adolf Hitler" verglich.
Nach dem Tod von Chavez kam Nicolás Maduro 2013 in Caracas an die Macht und sah sich mit einer radikalen Änderung der Politik Washingtons gegenüber seinem Land konfrontiert.
Während die Regierungen Obama und Biden eine Politik des Abwartens und des allmählichen Drucks verfolgten, verfolgte Trump schon in seiner ersten Amtszeit eine Politik der direkten Konfrontation mit dem Ziel Maduros Regime zu stürzen.
Im Jahr 2019 erkannte die erste Trump-Regierung offiziell den Oppositionsführer Juan Guaidó als legitimen Interimspräsidenten Venezuelas an und bezeichnete Maduro als "Usurpator der Macht" inmitten einer einheimischen Opposition, die ihm Totalitarismus und Populismus vorwirft.
Die rosarote Flut der Linksregierungen stoppen
Die Beziehungen zwischen den USA und Venezuela sind seit Jahrzehnten ein Sonderfall, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Es wird vermutet, dass Washington Caracas als ein Tor zur Beendigung der "rosa Flut" linker Regierungen in Lateinamerika betrachtet hat.
Da Putsche oder Sanktionen nicht zum Ziel führten, griff das Weiße Haus zu direktem Druck, um diese Regierungen zum Rücktritt zu zwingen, was manche als "Strafe" für jedes politische Regime bezeichnen, das seine Wirtschaft nicht für das internationale Kapital öffnet, so Gregory Wilbert, ein US-amerikanischer Wissenschaftler, der sich auf venezolanische Angelegenheiten spezialisiert hat.
2025: Das Jahr der Eskalation
Im Januar 2025 wurde Maduro nach einer Wahl, deren Fairness angefochten wurde, für eine dritte Amtszeit vereidigt, und Trump kehrte für eine zweite Amtszeit ins Weiße Haus zurück. Letzterer wartete nicht lange, um zu beenden, was er begonnen hatte, indem er Maduro des Wahlbetrugs beschuldigte und dann den vorübergehenden Schutzstatus (TPS) aufhob, der etwa 600 000 in den USA lebende Venezolaner vor der Abschiebung bewahrte.
Die Trump-Administration bezeichnete daraufhin die venezolanische Gruppe "Tren de Aragua" als "ausländische terroristische Organisation", behauptete ohne nachrichtendienstliche Beweise, dass diese eine Fassade für Maduro sei. Washington kündigte Venezuelas Ölkonzessionen, die von der Biden-Administration gewährt worden waren, und verhängte einen 25-prozentigen Zoll für Länder, die Öl aus Caracas kaufen.
Im August setzte Trump eine Belohnung von bis zu 50 Millionen Dollar für die Festnahme Maduros aus und bezeichnete ihn als "globalen Terroristenführer" des "Cartel de los Soles". Daraufhin kündigte der US-Präsident Marine-Einsätze zur Drogenbekämpfung in der Karibik und im Pazifik an, bevor er mit einer militärischen Intervention drohte, die über das Meer hinaus auf das Land ausgedehnt werden könnte - eine Anspielung auf die Invasion im Irak 2003.
Venezuelas Reichtümer
Venezuela verfügt über die größten nachgewiesenen Ölreserven der Welt, die sich 2014 auf rund 298 Milliarden Barrel beliefen. Das Öl ist das Rückgrat der Wirtschaft von Caracas, das fast 90 Prozent der Gesamteinnahmen beisteuert und einen konstanten Handelsüberschuss erwirtschaftet.
Neben den Erdölvorkommen verfügt das Land über große Reserven an Erdgas, Eisenerz und Bauxit, dem Grundstoff für die Aluminiumindustrie.
Wasserkraft deckt etwa 25 % des Strombedarfs des Landes, und der Überschuss wird in die Nachbarländer Kolumbien und Brasilien exportiert. Am Karuni-Fluss werden große Staudämme gebaut, wobei der Guri-Damm (der 1978 in Betrieb genommen wurde) einer der größten Staudämme der Welt ist, was die Produktionskapazität angeht.
Eisen und Aluminium:
- Eisenerz: Es konzentriert sich im Hochland von Guyana und wird von der staatlichen Gesellschaft CVG Ferrominera Orinoco abgebaut und intern zu Eisen und Stahl verarbeitet.
- Bauxit: Das zweitwichtigste Mineralerz des Landes, das für die Herstellung von Aluminium abgebaut wird und Venezuela zu einem der weltweit größten Lieferanten dieses Metalls macht.
- Die lokale Eisen- und Aluminiumindustrie profitiert von billiger Wasserkraft, was ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöht.
Andere Ressourcen: Venezuela verfügt über einen vielfältigen Reichtum an anderen Metallen und Mineralien wie Gold, Silber, Uran, Nickel, Phosphor, Kohle, Blei, Zink, Kupfer, Titan und Diamanten. Die Ausfuhren dieser Ressourcen machen jedoch im Vergleich zu Öl und anderen wichtigen Rohstoffen nur einen geringen Anteil am Weltmarkt aus.
Warum ist China an der Karibik interessiert?
Während die Spannungen in der Karibik eskalieren, stellt sich die Frage, ob Trumps Drohungen tatsächlich zu einem militärischen Eingreifen führen werden oder ob sie lediglich ein Mittel sind, um Maduro zum Rücktritt zu bewegen. Aber es gibt einen internationalen Akteur, der dies alles stillschweigend beobachtet: China.
Am 3. Dezember 2025 erklärte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian, dass die Sperrung des venezolanischen Luftraums gegen internationale Normen verstoße und die nationale Souveränität verletze. Ihr Land lehne eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas "unter jedem Vorwand" ab - und China rief alle Parteien auf, Lateinamerika als "Zone des Friedens" zu erhalten.
Peking hat im Rahmen einer Strategie zur Ausweitung seiner Präsenz in Regionen, die lange Zeit von den USA dominiert wurden, enge Beziehungen zu mehreren lateinamerikanischen Ländern, darunter Venezuela, aufgebaut.
Seit der Ära Chavez, der für ein multipolares internationales System eintrat, ist China zum wichtigsten Abnehmer für venezolanisches Öl geworden und kaufte bis 2024 täglich 268.000 Barrel.
Beobachter gehen davon aus, dass jede Militäraktion der USA in Venezuela die regionale Besorgnis verstärken könnte. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Peking militärisch intervenieren wird, um lateinamerikanische Länder zu schützen. Chinas Strategie ist eher darauf ausgerichtet, entwicklungspolitischen Einfluss zu nutzen, um politische Ziele zu erreichen, ohne sich zur Verteidigung seiner Partner zu verpflichten.
Trumps Aktionen könnten jedoch Chancen für China bieten, wie z. B. die Ausweitung des chinesischen Waffenmarktes in Lateinamerika. Venezuela kauft eine Vielzahl von Kampfmitteln, von Ausrüstung zur Aufstandsbekämpfung bis hin zu Raketen und möglicherweise in Zukunft auch Kampfflugzeugen, und Peking hat militärische Güter an Argentinien, Bolivien und Ecuador verkauft.