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Karriereknick nach der Geburt: Die "unsichtbare Mutterschaftsstrafe" im Beruf

Demonstranten nehmen am Samstag, den 29. Oktober 2022, am nationalen Protestmarsch der Mumien im Zentrum Londons teil.
Demonstranten nehmen am Samstag, den 29. Oktober 2022, am nationalen Protestmarsch der Mumien im Zentrum von London teil. Copyright  AP
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Von Servet Yanatma
Zuerst veröffentlicht am
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Weniger Verantwortung, weniger Sichtbarkeit: Eine neue Studie zeigt, warum Mutterschaft im Berufsleben oft zu einem schleichenden Karriereknick führt.

Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern wirkt sich auf die wirtschaftlichen und sozialen Lebensrealitäten von Frauen in nahezu allen Bereichen aus. Sie zeigt sich in Lohn-, Beschäftigungs- und Einkommensunterschieden, in Mustern beruflicher Segregation sowie in der geringen Präsenz von Frauen in Führungspositionen und politischen Institutionen.

Für Frauen, die den Großteil der Kindererziehung übernehmen, fallen diese Unterschiede oft noch deutlicher aus – häufig genau in einer Phase, in der Karrieren ansonsten an Fahrt aufnehmen würden.

Eine Studie aus Deutschland zeigt, dass Frauen, sobald sie Verantwortung für die Kinderbetreuung übernehmen, seltener analytische, komplexe und interaktive Aufgaben erhalten. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren – Veränderungen, die die späteren Aufstiegschancen stillschweigend beeinträchtigen können.

Die Strafe für Mutterschaft

In einer kürzlich im Journal of Marriage and Family veröffentlichten Studie mit dem Titel The Job Task Penalty for Motherhood analysieren Wiebke Schulz von der Universität Bremen und Gundula Zoch von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg die Veränderungen beruflicher Aufgaben von 1.978 Frauen. Grundlage sind Daten des Nationalen Bildungspanels aus dem Zeitraum von 2011 bis 2020.

Untersucht wurden Veränderungen in fünf zentralen Dimensionen von Arbeitsaufgaben, die den Frauen in drei Erhebungswellen über einen Zeitraum von zwölf Jahren zugewiesen wurden: analytische, komplexe, autonome, interaktive und manuelle Tätigkeiten.

Interaktive und analytische Aufgaben

Wiebke Schulz erklärte, interaktive Aufgaben erforderten häufig hohe Planbarkeit und eine ständige "Rufbereitschaft" für Kollegen oder Kundschaft. Treten Betreuungsengpässe auf – oder wird angenommen, dass sie zunehmen könnten –, ließen sich diese Aufgaben besonders leicht neu verteilen, da sie meist zeitkritisch und koordinationsintensiv seien.

Auch analytische und komplexe Aufgaben könnten aus zwei Gründen zurückgehen. In vielen Berufen erfordern sie anhaltende Konzentration oder Verantwortung für längere Arbeitsprozesse – Anforderungen, die unter Zeitdruck und fragmentierten Arbeitszeiten schwerer zu erfüllen sind.

"Wichtig ist jedoch, dass der Rückgang auch Erwartungen von Vorgesetzten widerspiegeln kann", sagte Schulz zu Euronews Business. Führungskräfte könnten Mütter vorsorglich von verantwortungsvollen und wachstumsrelevanten Aufgaben fernhalten – unabhängig von deren tatsächlicher Leistungsfähigkeit.

Sie betonte, dass sich viele Tätigkeiten, die Frauen nach der Geburt eines Kindes zugewiesen werden, von "hochkognitiven und interaktionsintensiven" Aufgaben hin zu einem enger umrissenen Aufgabenspektrum verschieben. Dabei gehe es nicht nur um den Wechsel von Positionen, sondern auch um die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeit – insbesondere bei reduzierter Arbeitszeit.

Schon kleine, kurzfristige Veränderungen könnten langfristige Folgen haben. "Wenn analytische, komplexe und interaktive Aufgaben zentrale Orte für Kompetenzaufbau, Leistungsbewertung und den Weg in Führungspositionen sind, kann der Verlust des Zugangs zu diesen Tätigkeiten das Lohnwachstum bremsen, Beförderungschancen verringern und Karrieren auf eine flachere Bahn lenken – selbst dann, wenn sich die offizielle Stellenbezeichnung nicht ändert", so Schulz.

Obwohl sich die Studie auf Deutschland konzentriert, seien die Ergebnisse grundsätzlich übertragbar. Ähnliche Muster fänden sich in ganz Europa, auch wenn Ausmaß und Ausprägung je nach institutionellem Rahmen und gesellschaftlichen Normen variierten.

Empfehlungen zur Verringerung der Ungleichheit

Ein Ansatzpunkt ist, die Verteilung von Aufgaben transparenter zu machen. Wer systematisch erfasst, welche Beschäftigten vor und nach Elternzeiten oder dem Wechsel in Teilzeit wachstumsrelevante Aufgaben übernehmen – etwa die Betreuung wichtiger Kunden, komplexe Fallarbeit oder Projektleitungen – kann erkennen, wann und wie solche Chancen schleichend verloren gehen.

Zudem könnten Arbeitgeber die Gestaltung von Teilzeitstellen überdenken. Durch die Aufteilung komplexer Tätigkeiten in modulare Aufgaben, klar geregelte Übergaben und eine stärkere Teamverantwortung müssten anspruchsvolle Aufgaben nicht ausschließlich Vollzeitstellen vorbehalten bleiben.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Schulung von Führungskräften im Umgang mit erwartungsbedingten Verzerrungen. Besonders problematisch sei die vorauseilende Umverteilung von Aufgaben: Tätigkeiten würden nicht aufgrund veränderter Leistung, sondern auf Basis von Annahmen über künftige Verfügbarkeit oder Engagement neu zugewiesen.

Zu den politischen Empfehlungen zählen der Ausbau der Ganztags- und Schulbetreuung, die Stärkung eines Rechts auf flexible Arbeitsmodelle mit Karriereschutz sowie gezielte Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen und Betreuungsaufgaben zu übernehmen. Ziel sei es, die verbreitete Norm der "Mutter als Standardbetreuerin" zu durchbrechen, die Erwartungen von Arbeitgebern maßgeblich prägt.

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