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Falsche Versprechen? 107 Femizide und Frankreichs Umgang mit Gewalt gegen Frauen

Dutzende von Demonstranten versammelten sich anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Dutzende von Demonstranten versammelten sich anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen Copyright  Euronews
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Von Sophia Khatsenkova
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich zwar den Kampf gegen Gewalt an Frauen auf die Fahnen geschrieben. Doch Feministinnen in Paris und der Europarat beklagen die traurige Realität.

Hunderte Demonstrantinnen und Demonstranten haben sich am Dienstagabend im Zentrum von Paris versammelt, um den Anstieg der Gewalt gegen Frauen zu verurteilen und an die Opfer zu erinnern.

"Wir werden ständig von der Realität überwältigt", sagt die 78-jährige Aktivistin Marie-Josée, als die Menge der fünf Frauen geachte, die allein in der vergangenen Woche in Frankreich von ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet wurden.

Wenige Stunden vor dem Protest hatten eine Richterin und ein Richter der Regierung einen Bericht übergeben, der fordert, die Behandlung von Fällen häuslicher Gewalt im Justizsystem radikal zu reformieren.

Der Bericht wurde am Dienstag dem Justizminister Gérald Darmanin vorgelegt. Das Dokument empfiehlt die Erprobung einer neuen Art von Richtern, die ausschließlich für Fälle innerfamiliärer Gewalt zuständig sind.

In dem Bericht, der Anfang der Woche von der französischen Zeitung Le Parisienanlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen veröffentlicht wurde, wird erklärt, dass "häusliche Gewalt ein komplexes Problem ist, das einen umfassenden Ansatz erfordert".

Trotz jahrelanger politischer Zusagen konstatieren viele engagierte Französinnen, dass sich die Situation der Frauen in Frankreich weiter verschlechtert.

"Ich habe den Eindruck, dass es seit den 1990er Jahren einen Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung gegeben hat", sagt Marie-Josée, der es schwer fällt zu verstehen, "warum es eine solche Gleichgültigkeit gegenüber Frauen gibt, insbesondere gegenüber älteren Frauen".

Maire-Josée hält ein Plakat, das die geschlechtsspezifische Gewalt gegen ältere Frauen anprangert
Maire-Josée hält ein Plakat, das die geschlechtsspezifische Gewalt anprangert, der ältere Frauen ausgesetzt sind Euronews

Ihre Frustration ist Ausdruck einer zunehmenden Krise. Im Jahr 2024 wurden landesweit 107 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet - ein Anstieg von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Laut jüngsten Daten der MIPROF (Interministerielle Mission für den Schutz von Frauen vor Gewalt) werden in Frankreich jeden Tag mehr als drei Frauen Opfer eines Femizids oder eines versuchten Femizids - eine Zahl, die von Jahr zu Jahr weiter steigt.

Und NGOs für Frauenrechte warnen, dass diese Zahlen noch immer nicht das "ganze Ausmaß" der Krise widerspiegeln.

Die jährliche Beobachtungsstelle der Regierung berichtet ebenfalls, dass "alle sieben Stunden eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird, versucht wird, sie zu töten, in den Selbstmord getrieben wird oder einen Selbstmordversuch unternommen hat".

Eine von vier Frauen, die Gewalt erfahren, ist über 70 Jahre alt

Frauen im Alter von 70 Jahren und darüber machten 26 Prozent der Opfer aus, was einen Anstieg von neun Prozent innerhalb eines Jahres bedeutet.

Der Fall der 72-jährigen Gisèle Pelicot, die von ihrem Ehemann unter Drogen gesetzt und über ein Jahrzehnt hinweg von Dutzenden Männern vergewaltigt wurde, hat nicht nur in Frankreich, sondern in der ganzen Welt Schockwellen ausgelöst.

Die öffentliche Aufarbeitung brachte eine weitgehend verborgene Realität ans Licht: Auch ältere Frauen sind Opfer sexueller Gewalt, eine Tatsache, die aufgrund sexistischer und altersbedingter Vorurteile lange Zeit ignoriert wurde.

Violette ist Mitglied der Gewerkschaft Solidaires und macht bei der Demonstration vor dem Panthéon in Paris mit. Sie sagt, dass die Stimmen älterer Frauen oft überhört werden, weil sie als nicht interessant genug erachtet werden.

Mit Blick auf den Fall Pelicot fügte sie hinzu: "Es hat die Leute für 10 Minuten wachgerüttelt und ist dann wieder verstummt... wir sollten nicht auf einen Medienschock warten, um etwas zu unternehmen."

Frankreichs Strategie beschreibt Violette als nach wie vor inkohärent und chronisch unterfinanziert ist.

"Heute fehlt es an Organisationen, die sagen, dass 3 Milliarden Euro pro Jahr nötig sind, um die Dinge voranzubringen", sagt sie im Interview mit Euronews.

Das Budget der Regierung für die Gleichstellung der Geschlechter im Jahr 2025 beläuft sich auf nur 94 Millionen Euro und liegt damit weit unter dem, was nach Ansicht der NGOs für eine wirksame landesweite Politik erforderlich ist.

Der Europarat hatte bereits die niedrige Verfolgungsrate von Tätern in Frankreich als "besonders besorgniserregend" bezeichnet und Paris aufgefordert, strengere Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen.

Während das französische Parlament neue Vorschläge prüft und Hilfsorganisationen ihre Forderungen nach langfristigen Investitionen verstärken, gingen die Demonstrierenden am Dienstagabend davon aus, dass die Regierung das Ausmaß der Krise noch immer nicht erkannt hat.

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