So übersteht die europäische Fischerei im Corona-Sturm

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Von Denis Loctier
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Wie europäische Fischer die Krise überstehen und wie die EU dazu beiträgt, den Sektor über Wasser zu halten – darum geht es in dieser Folge von Ocean auf Euronews.

Fischereibetriebe und Aquafarmen gehören zu den Wirtschaftszweigen, die stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sind. Fischmärkte und Restaurants sind geschlossen und die Lieferketten unterbrochen, tausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Wie europäische Fischer diese neue Art von Sturm überstehen und wie die EU dazu beiträgt, den Sektor über Wasser zu halten – darum geht es in dieser Folge von Ocean.

An der französischen Riviera ist es ungewöhnlich ruhig. Luxusjachten und Kreuzfahrtschiffe bleiben in den Häfen, nur die Fischer fahren weiterhin aufs Meer und holen Tag für Tag ihre Netze ein. Für sie sind die Monate April bis Juni die wichtigsten des Jahres. Sie müssen sich an die neuen Realitäten des Gesundheitsnotstands anpassen, um zu überleben, meint der Fischer Loïc Gourlaouen aus Antibes: "Unsere Kunden sind normalerweise Restaurants, durch die Schließungen haben wir die verloren. Dann sind da noch Privatkunden. Deshalb mussten wir damit beginnen, sie mit Fisch zu beliefern. Wir fischen morgens und liefern nachmittags. Das sorgt für lange Arbeitstage."

Die Fischer, die Euronews-Reporter Denis Loctier befragt hat, sagen, dass sie etwa die Hälfte ihrer Einnahmen verloren haben. Aber sie fühlen sich verpflichtet, ihre Kunden, die ihre Häuser nicht verlassen können, weiterhin mit frischem Fisch zu versorgen. Bestellungen werden per Telefon entgegengenommen.

Mit den Lieferungen kann so ein Werktag schon mal von 4 Uhr morgens bis 21 Uhr abends dauern. Doch während der Pandemie kann es auch ein Privileg sein, überhaupt Kunden beliefern zu können. In einigen Teilen des Mittelmeers und des Schwarzen Meeres mussten bis zu 90 Prozent der kleinen Fischereien ihre Aktivitäten reduzieren oder einstellen.

Weiterarbeiten statt auf staatliche Rettungsleine verlassen?

Weil die Märkte geschlossen wurden, haben die Fischer in Antibes die Erlaubnis bekommen, ihre Fänge direkt im Hafen verkaufen zu dürfen. Für die diejenigen, die zuhause bleiben, gibt es eine Entschädigung für ihre Einkommensverluste - eine der Notfallmaßnahmen zur Linderung der Krise, die auf EU-Ebene beschlossen wurden sind. Aber die örtlichen Fischer sagen, dass sie lieber weiterarbeiten wollen, anstatt sich auf die Rettungsleine der Regierung zu verlassen.

Der traditionelle Fischer Jérôme Bottero sagt: "Um ehrlich zu sein, ich bin den ganzen Monat März aus Angst Zuhause geblieben. Als ich gesehen habe, dass die Infektionszahlen in Antibes zurückgegangen sind, bin ich wieder rausgefahren und versuche seitdem so wenig Kontakt wie möglich zu haben. Ich fische und mein Kollege verkauft den Fisch."

Der Präsident des Komitees für Fischerei und Aquakultur in Alpes-Maritimes, Denis Genovese, meint: "Für die, die im März ihren Umsatz verloren haben, gab es Subventionen. Ich habe sie auch beantragt und erfhalten. Als die Hilfen auch für den April erneuert wurden, habe ich keinen Antrag mehr gestellt. Ich verdiene zwar nicht dasselbe wie vorher, aber zumindest etwas. Diejenigen, die jetzt gar kein Einkommen haben, müssen berücksichtigt werden."

Wie hilft die Europäische Union der Fischerei in der Krise?

Euronews-Reporter Denis Loctier hat den Europäischen Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei, Virginijus Sinkevičius, gefragt, welche Maßnahmen, die EU bisher ergriffen hat.

Virginijus Sinkevičius:"Zuallererst geht es natürlich um die vorübergehende Einstellung der Aktivitäten - weil der Markt für Frischfisch dramatisch zurückgegangen ist, können einige Fangschiffe ihre Tätigkeit nicht fortsetzen, Fischer sind gezwungen, in den Häfen zu bleiben. Die Kommission wird 75 Prozent der vorübergehenden Einstellung der Tätigkeiten finanzieren."

"Zweitens gibt es immer noch Fangschiffe, die draußen sind, Fischerei- und Aquakulturbetriebe, die ihre Produktion nicht loswerden - sie müssen ihren Fisch irgendwo unterbringen. Die Beihilfe zur Lagerhaltung ist das zweite Hilfsangebot, das sie dabei unterstützt, ihrem Fang in die Zeit zu retten, wenn der Markt wieder anläuft."

"Und drittens wurde die staatliche Beihilfe auf bis zu 120.000 Euro erhöht. Die Mitgliedsstaaten können sehr schnell und proaktiv reagieren und den Fischern mit den ihnen direkt zur Verfügung gestellten Mitteln helfen."

Auswirkungen auf die Zucht- und Fischverarbeitungsbetriebe

Viele Zuchtbetriebe müssen ihre Fische, die eine kommerzielle Größe erreicht haben, verkaufen oder einfrieren. Das Unternehmen Cannes Aquafrais produziert 750 Tonnen Wolfsbarsch und Seebrasse. Restaurants, die früher den Fisch abgenommen haben, sind jetzt geschlossen. Die Aqua-Farm muss ihren Fisch nun an den Einzelhandel verkaufen.

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Guillaume Gilbert und Michel Moragues von Cannes Aquafraiseuronews

Produktionsleiter Guillaume Gilbert:

"Wir hören auf, den Bestand aufzubauen bis die für uns wichtigen Märkte wieder laufen. Wir reduzieren also die Produktion der Zucht ein wenig, um sicherzustellen, dass die Fischdichte in den Käfigen die zulässigen Grenzen nicht überschreitet."

Verkaufsleiter Michel Moragues:

"Gleichzeitig gibt es ganz klar wirtschaftliche Auswirkungen, denn wenn wir ihre Produktivität verringern, verlieren wir Geld. Wir können unseren Bestand aufrechterhalten, aber wir können ihn nicht lange halten".

Auch Fischverarbeitungsbetriebe sind vom Nachfrageeinbruch betroffen. In dieser Fabrik von Puget-sur-Argens wurde die Produktion um 80 Prozent runtergefahren und beliefert hauptsächlich Take-away-Lokale in der Umgebung. Die Unternehmensleitung ist besorgt, dass das Kurzarbeitergeld für die Beschäftigten im Juni auslaufen könnte - obwohl die Krise in diesem Sektor noch lange nicht vorbei ist.

Anthony Garnham ist der Inhaber der Fischfabrik von Puget-sur-Argens: "Unsere Beschäftigten sind zu 80 Prozent in Kurzarbeit, nur fünf bis sechs Leute pro Tag kommen zur Arbeit, je nach dem, was zu tun ist. An manchen Tagen kommen sie für zwei oder drei Stunden, an anderen überhaupt nicht. Und ich denke, dass wir auch nach der Erholung immer noch betroffen sein werden, wir erwarten einen Umsatzrückgang von etwa 50 Prozent."

Spitzengastronom bekocht Krankenhauspersonal

Der lokale Fischereiverein hat sich dafür eingesetzt, die Wertschöpfungskette in der Region an der französischen Riviera am Laufen gehalten wird. Der Fisch von der Aqua-Farm Nahe Cannes wird mit EU-Mitteln aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds in der Fabrik in Puget-sur-Argens verarbeitet und dann an die Meeresfrüchterestaurants geliefert, die für die Öffentlichkeit momentan geschlossen bleiben. Viele von ihnen beliefern ihre Gäste.

Es gibt eine wahre Flut von Solidarität und Unterstützung
Stephan Miso, Gastronom aus Fréjus, Frankreich

Küchenchef Stephan Miso aus Fréjus kocht mit seiner Mannschaft jetzt für das medizinische Personal des örtlichen Krankenhauses.

Stephan Miso: "100 Portionen für 100 Menschen, die so essen werden, als würden sie mein Restaurant besuchen - aber sie essen in dem Krankenhaus, in dem sie arbeiten. Es gibt eine wahre Flut von Solidarität und Unterstützung, von den Fischern, von Europa, von all denen, die mit der Finanzierung helfen. Es ist eine wahre Freude, unsere Küche wieder öffnen und kochen zu können, wieder zu arbeiten, sich nützlich zu fühlen. Das ist wichtig."

Cutter • Jean-Christophe Marcaud

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