Unterstützung für polnische Abtreibungs-Aktivistin Justyna Wydrzyńska

Pro-Abtreibungs-Demonstration in Polen
Pro-Abtreibungs-Demonstration in Polen Copyright ASSOCIATED PRESS
Von Saskia O'DonoghueEuronews
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Die polnische Abtrebungsaktivistin Justyna Wydrzyńska erhält seit ihrer Verurteilung durch ein Warschauer Gericht Anfang des Monats viel Unterstützung.

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"Abortion Without Borders" (AWB) hat seit Beginn des Ukraine-Konflikts, der vor etwas mehr als einem Jahr begann, mehr als 1.800 Frauen geholfen, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen.

AWB ist eine Initiative von sechs Organisationen aus ganz Europa, die Informationen, Unterstützung und Zugang zu Abtreibungspillen bereitstellen, auch für Frauen, die für einen Eingriff in ein anderes Land reisen müssen. Dies hat sich für betroffene Frauen oft als schwierig erwiesen, insbesondere bei eingeschränktem Zugang zu Abtreibungen wie in Polen.

Verurteilung einer Abtreibungsaktivistin in Polen

Anfang dieses Monats hat ein Warschauer Gericht die Aktivistin Justyna Wydrzyńska für schuldig befunden, während der COVID-19-Pandemie bei einer Abtreibung geholfen zu haben, und verurteilte sie zu monatlich 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit für insgesamt zehn Monate. 

Ihr drohten bis zu drei Jahre Gefängnis, doch ihre vergleichsweises mildes Urteil ist wenig Trost für Frauen in ganz Europa und darüber hinaus, die eine Abtreibung brauchen - insbesondere in dem Kontext einer Verschärfung des Abtreibungsrechts weltweit und nach dem Kippen des Abtreibungsrecht in den USA durch den Obersten Gerichtshof.

Laut "Amnesty International" ist der Prozess gegen Wydrzyńska der erste Fall in Europa, in dem eine Abtreibungsaktivistin wegen der Bereitstellung von Abtreibungspillen angeklagt wurde. Seit sie strafrechtlich verfolgt wurde, fordert die NGO, dass die Anklagen gegen sie fallen gelassen wird und der Zugang zu Abtreibungen in Polen „vollständig entkriminalisiert“ wird.

"Abortion Without Borders" - Abtreibung ohne Grenzen

Eine der sechs Organisationen des "Abortion Without Borders"-Netzwerks ist das in Großbritannien ansässige "Abortion Support Network" (ASN).

Sam Smethers, Direktorin von ASN, erklärt, wie wichtig "Abortion Without Borders" bei der Hilfe für Frauen in der vom Krieg heimgesuchten Ukraine ist, und sagt, dass Frauen aus diesem Land „mit äußerst komplexen und herausfordernden Umständen konfrontiert sind“.

Zum 24. Februar – genau ein Jahr nach der russischen Invasion der Ukraine - hat AWB 1.814 Frauen beim Zugang zu Abtreibungen geholfen. Die meisten erhielten Abtreibungspillen, und rund 30 Ukrainerinnen wurde geholfen, in ein anderes europäisches Land zu reisen, um ihre Abtreibung durchzuführen.

Abtreibungen nach 12. SSW selbst bei Anomalien fast unmöglich

Während Abtreibungen in der Ukraine bis zur 12. Schwangerschaftswoche legal sind, ist es nach dieser Frist viel schwieriger, Zugang zu einer Abtreibung zu erhalten, und es ist besonders schwierig, da sich das Land im Krieg befindet.

AWB arbeiter mit der gemeinnützigen Organisation "Women Help Women" zusammen, die Forscher:innen auf vier Kontinenten beschäftigt und sich auf die Unterstützung von selbst druchzuführenden statt chirurgischen Abtreibungen konzentriert, insbesondere an Orten, an denen der Zugang zu einer Abtreibung durch Gesetze, Stigmatisierung oder Mangel an medizinischer Versorgung eingeschränkt ist.

"Women Help Women" hat dazu beigetragen, dass AWB etwa 40.000 Packungen Abtreibungspillen und 100.000 mal die "Pille danach" an feministische Organisationen in der Ukraine liefern konnte.

Bei vielen der über 30 Ukrainerinnen, denen bei Auslandsreisen für eine Abtreibung im zweiten Schwangerschaftsttrimester geholfen wurde, wurden fötale Anomalien diagnostiziert. Ihnen wurde dennoch eine Abtreibung in Polen und anderen Nachbarländern verweigert.

Ein dunkler Tag für Polen

Der Fall von Justyna Wydrzyńska hat gezeigt, wie streng die Gesetze im streng katholischen Polen sind. Das Land hat ein De-facto-Abtreibungsverbot verhängt, was den Zugang zur Behandlung für ukrainische Frauen in Not noch schwieriger macht.

Die Aktivistin Justyna Wydrzyńska ist eine Gründerin des "Abortion Dream Teams" – auch Mitglied bei AWB -  und arbeitet als Doula, begleitet Frauen bei Abtreibungen und bietet Schulungen und Ratschläge für eine sichere Abtreibung an.

Lorne Cook/AP
Von links nach rechts: "Abortion Dream Team"- Mitglieder Kinga Jelinska, Justyna Wydrzynska und Natalia Broniarczyk bei einer Pressekonferenz in BrüsselLorne Cook/AP

Von links nach rechts: "Abortion Dream Team"- Mitglieder Kinga Jelinska, Justyna Wydrzynska und Natalia Broniarczyk bei einer Pressekonferenz in Brüssel, Donnerstag, 23. März 2023

Lorne Cook/AP

Vor zwei Jahren, im Mai 2021, erließ die Staatsanwaltschaft in der polnischen Hauptstadt Wars einen zur Durchsuchungsbefehl für Wydrzyńskas Wohnung, nachdem sie Informationen über ihre Beteiligung an der Unterstützung einer schwangeren Frau erhalten hatte, die während der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 Abtreibungstabletten benötigte. Wydrzyńska wurde beschuldigt, dieser schwangeren Frau die Abtreibungspillen gegeben zu haben, die Opfer häuslicher Gewalt war. 

Beschlagnahmung von Medikamenten

Am 1. Juni 2021 beschlagte die Polizei bei Wydrzyńskas Abtreibungspillen – darunter Mifepriston und Misoprostol – einen Computer, USB-Sticks und Mobiltelefone, die Wydrzyńska und ihren beiden Kindern gehörten. Sie wurde im November wegen Beihilfe zur Abtreibung und unerlaubten Besitzes von Medikamenten angeklagt. Sowohl Mifepriston als auch Misoprostol sind in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) enthalten, obwohl polnische Staatsanwälte argumentiert haben, dass sie nicht zur Verwendung in Polen zugelassen sind.

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Polens Abtreibungsgesetzgebung gehört zu den restriktivsten in ganz Europa. Der Eingriff ist nur bei Vergewaltigung, Inzest oder Lebensgefahr für die Schwangere zulässig. Im Oktober 2020 wurde es noch verschärft, als das polnische Verfassungsgericht entschied, dass Abtreibung selbst bei einer tödlichen oder schweren fötalen Beeinträchtigung strafbar sei. Vor diesem Urteil erfolgten mehr als 90 % der ungefähr 1.000 legalen Abtreibungen jährlich in Polen genau aus diesem Grund.

"Amnesty International" hatte gefordert, den Prozess gegen Wydrzyńska gerichtlich abzulehnen und laut ASN haben mehr als 110.000 Menschen Briefe an die Staatsanwaltschaft geschickt, in denen sie die Einstellung der Anklage gegen sie forderten.

Der nächste Schritt für Wydrzyńska ist die Berufung. Sie sagt, sie habe von vielen Frauen Solidaritätsbotschaften erhalten, darunter auch Angebote, die Strafe an ihrer Stelle zu verbüßen.

Es ist unwahrscheinlich, dass ihre Berufung Erfolg haben wird. Polen befindet sich vor den für diesen Herbst angesetzten Wahlen im Wahlkampfmodus. Umfragen zufolge wird die konservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), die das Land seit 2015 regiert, zwar wieder die meisten Stimmen gewinnen, vielleicht aber die Mehrheit im Parlament verfehlen.

Obwohl das De-facto-Abtreibungsverbot die größten Demonstrationen im postkommunistischen Polen auslöste, kommt die zutiefst konservative Haltung der Regierungspartei bei großen Teilen der Wählerschaft weiter gut an.

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