CDU-Europa-Abgeordneter: Merkel wird Selektoren-Liste vorlegen

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In Europa haben Enthüllungen für einen Aufschrei gesorgt, denen zufolge der deutsche Auslandsgeheimdienst BND im Auftrag der amerikanischen NSA in

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In Europa haben Enthüllungen für einen Aufschrei gesorgt, denen zufolge der deutsche Auslandsgeheimdienst BND im Auftrag der amerikanischen NSA in Europa spioniert haben soll.

Deutsche Ermittler prüfen Berichte, nach denen der BND gegen die Gesetze verstoßen und den USA dabei geholfen haben soll, europäische Regierungen und Unternehmen auszuspionieren.

Und Medienberichten zufolge steht der Vorwurf im Raum, dass der BND Tausende Suchbegriffe aus seiner Datenbank gelöscht haben soll.

Wie gefährlich kann der Skandal Merkels Großer Koalition werden? Was für eine peinliche Situation, da zuvor ihr Handy vom NSA abgehört wurde …

Im Europaparlament in Brüssel diskutieren: Elmar Brok, der Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments und Mitglied von Kanzlerin Merkels CDU.

Außerdem: Jeppe Kofod, den Stellvertretenden Vorsitzenden der Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, der Däne gehört der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten an.

Und Klaus Buchner, er ist Europa-Abgeordneter der ÖDP, MItglied des Auswärtigen Ausschusses und Mitglied des Ausschusses Sicherheit und Verteidigung.

Die erste Frage: Wie sehr können die europäischen Regierungen und Unternehmen dem BND noch vertrauen, angesichts dieses Skandals?

Elmar Brok:

Ich würde überhaupt keinem Nachrichtendienst vertrauen, dafür gibt es vielerlei Gründe. Wir wissen, dass der britische Geheimdienst in Europa spioniert hat, auch zusammen mit der NSA.

Viele andere Dienste werden das ebenfalls tun. In Deutschland scheint es nur so zu sein, dass das alles ohne Wissen der Regierung geschah.

Wir müssen die Nachrichtendienste besser kontrollieren, als das bisher geschehen ist.

euronews:

Jeppe Kofod, sehen Sie das alles etwas optimistischer oder nicht?

Jeppe Kofod:

Es ist sehr wichtig, dass wir die Nachrichtendienste kontrollieren und das sie sich an Gesetz und Verfassung halten. Sie müssen dazu verpflichtet werden.

Wir sehen nun, dass es da in Deutschland ein Problem gibt. Das ist schon ein bisschen peinlich, nach den Vorwürfen, dass die NSA in Deutschland spioniert.

Und nun scheint es so, als ob der deutsche Nachrichtendienst selbst in die Sache verwickelt ist. Diesen Aktivitäten muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden.

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euronews:

Macht Ihnen das Sorgen, Klaus Buchner?

Klaus Buchner:

Im Prinzip stimme ich damit überein. Aber die Frage ist nicht, ob wir den Geheimdiensten trauen können. Die Frage ist, ob wir den Regierungen vertrauen können.

Sie haben die Aufgabe, diese Dienste zu kontrollieren. Die Frage ist also wirklich, können wir der deutschen und der amerikanischen Regierung vertrauen?

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euronews:

Hat der BND denn tatsächlich das Gesetz gebrochen oder war das Verhalten zulässig, angesichts des Anti-Terror-Kampfs nach dem 11. September? In Folge dessen gab es eine rege Zusammenarbeit zwischen NSA und BND.

Elmar Brok:

Das ist das Problem, wir wissen es bislang nicht. Das deutsche Parlament untersucht das und versucht herauszufinden, was genau geschah.

Aber es sieht so aus, und das ist schon beschämend, dass ein Teil des BNDs mit der NSA auf eine sehr naive Weise zusammenarbeitete oder aus einem bestimmten Grund.

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Gesetzeswidrig wurden Datenströme mit Selektoren durchsucht.

euronews:

Zurück zu ihnen Klaus Buchner. Denken Sie, es wurde gegen Gesetze verstoßen?

Klaus Buchner:

Sie haben ganz klar gegen das Gesetz verstoßen. Spionage dieser Art ist in Deutschland verboten.

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Und auch wenn die NSA kein deutsches Unternehmen ist, sie muss sich an die dortigen Gesetze halten.

euronews:

Jeppe Kofod, der BND hat erklärt, man arbeite nur noch eingeschränkt mit der NSA zusammen. Reicht das? Und könnte das Anti-Terror Operationen gefährden, wenn der Kontakt eingeschränkt wird?

Jeppe Kofod:

Wir müssen gemeinsam mit den Amerikanern die Regeln für dieses Spiel festlegen. Man spioniert keine Freunde aus und keine Verbündeten.

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Man redet mit ihnen, und wenn es ein Problem gibt, wendet man sich an die Regierungen, an demokratisch gewählte Regierungen.

Man klärt das nicht heimlich mit Nachrichtendiensten. Da müssen wir hinkommen.

euronews:

Was kann konkret getan werden? Kann man etwas auf europäischer Ebene unternehmen? Oder ist das ausschließlich ein nationales Thema?

Elmar Brok:

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Der Nachrichtendienst, das ist eine nationale Angelegenheit. Aber was wir auf europäischer Ebene unternehmen können ist, die USA dazu zu bringen, dass sie dem
Datenschutzrahmenabkommen zustimmt.

Damit die europäischen Bürger mehr Rechte haben, wenn ihre Daten in Amerika missbraucht werden. Und wir müssen klarstellen, dass es bei der Zusammenarbeit um die Terrorbekämpfung geht und nicht darum, unsere eigenen Bürger auszuspionieren.

euronews:

Das Thema berührt auch die Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen TTIP. Wie sehr belastet das die Gespräche, Jeppe Kofod?

Jeppe Kofod:

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Es gab schon nach dem Merkel-Abhörskandal nur noch wenig Vertrauen. Nun haben wir einen weiteren Fall, in dem ein Geheimdienst ein anderes Land ausspioniert.

Wir müssen endlich damit aufhören, wenn wir beim TTIP zu guten Ergebnissen kommen wollen. Und wir brauchen das Abkommen. In der heutigen Welt brauchen sich Europa und die USA gegenseitig.

euronews:

Aber könnte der Skandal die Verhandlungen scheitern lassen?

Klaus Buchner:

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Nein, das Abkommen wird vieles in unserem Rechtssystem verändern. Es wird neue Gesetze geben, bei der Umwelt, im Sozialbereich usw. usf.

Sollte das Vertrauen also zerstört sein, dann muss es wiederhergestellt werden, bevor die Gespräche weitergehen.

euronews:

Aber was ist mit dem Vertauen der Deutschen? Rund 60 Prozent von ihnen sagen laut einer Umfrage, die Spionage-Affäre habe Merkels Glaubwürdigkeit beschädigt. Steht ihr Job auf dem Spiel?

Elmar Brok:

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Um Frau Merkels Job mache ich mir keine Sorgen. Es ist wichtig, dass die deutsche Regierung solche Entwicklungen stoppt.

In Großbritannien arbeitet die Regierung beim Thema Spionage mit dem Geheimdienst zusammen. Das ist ein großer Unterschied.

Frau Merkel muss etwas dagegen unternehmen, dass Freunde ausspioniert werden und dass Industriespionage stattfindet.

Die Amerikaner müssen verstehen, dass dieses Misstrauen gefährlich ist für die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.

euronews:

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Es gibt also einiges zu reparieren. Klaus Buchner. Sie sind in einer anderen Partei. Denken Sie, Frau Merkel steckt in Schwierigkeiten, besonders mit ihrer Großen Koalition?

Klaus Buchner:

Auf jeden Fall. Und der eigentliche Skandal ist, dass in Deutschland jeder in Bezug auf diese Stichworte ausspioniert wurde. Dieses Vertrauen ist zerstört.

Jeppe Kofod:

Auf europäischer Ebene brauchen wir eine Debatte darüber, wie wir unsere Nachrichtendienste kontrollieren wollen. Wir brauchen sie beim Anti-Terror-Kampf.

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Aber sie müssen sich im Rahmen der Gesetze bewegen. Wir müssen wissen, dass das, was sie tun, korrekt ist und nicht gegen das Gesetz verstößt.

euronews:

Sie könnten sich also Maßnahmen auf europäischer Ebene vorstellen. Sie auch Elmar?

Elmar Brok:

Es geht um die Beziehungen zwischen den Regierungen, das muss geregelt werden. Nationale Behörden dürfen nicht europäische Institutionen ausspionieren. Das ist erschreckend.

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euronews:

Es gibt noch etwas, worauf ich zu sprechen kommen möchte. Frau Merkel sagte, sie werde die Liste mit den Tausenden von Selektoren nicht veröffentlichen, mit denen der BND im Auftrag der NSA die Datenströme durchsuchte. Denken Sie, das ist richtig, Klaus Buchner?

Klaus Buchner:

Man braucht solche Stichworte, wie ich sie nenne. Aber sie müssen von der Regierung kontrolliert werden und vom Regierungschef. Darum gehts.

euronews:

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Jeppe, denken Sie, das ist richtig?

Jeppe Kofod:

Wir brauchen eine stärkere demokratische Kontrolle der Nachrichtendienste.

Wir brauchen auch eine parlamentarische Kontrolle in Deutschland – ich weiß, es gibt da einen Ausschuss im Parlament, der dafür zuständig ist.

Dessen Rolle muss gestärkt werden, damit wir den Nachrichtendiensten wieder vertrauen könne.

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Elmar Brok:

Zunächst einmal: Es gibt einen Untersuchungs-Ausschuss. Der und andere Einrichtungen des Bundestags werden die Liste sehen.

Frau Merkel ist bereit, vor dem Ausschuss auszusagen. Aber ich würde auch gern einmal die Liste mit den Selektoren der Franzosen, der Briten, der Dänen und des italienischen Geheimdienstes sehen.

euronews:

Denken Sie, europäische Unternehmen sollten mehr unternehmen, um sich vor Spionage zu schüztzen? Ist das aktuell ein Thema? Klaus?

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Klaus Buchner:

Das ist ein wichtiges Thema. Ein Unternehmen braucht diesen Schutz, Privatpersonen brauchen ihn. Das ist eine existenzielle Frage.

Die Privatsphäre darf nur unter ganz bestimmten Bedingungen verletzt werden, und diese müssen von der Regierung kontrolliert werden.

euronews:

Elmar, ist das überhaupt möglich?

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Elmar Brok:

Die Unternehmen müssen mehr tun. Es geht nicht nur um die Geheimdienste in demokratischen Ländern.

Es wird Cyber-Kriege geben. Wir werden sehen, wie sich Russland und China da verhalten.

Wir brauchen da viel mehr Schutz. Man sieht, das ist ein freies System, wir können über unsere Geheim-Dienste debattieren.

Das können Sie in Russland oder China nicht.

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euronews:

Und sie haben das letzte Wort, es geht sicherlich auch um die Privatsphäre, oder?

Jeppe Kofod:

Wir brauchen bessere Prinzipien hinsichtlich der Nachrichtendienste, und wir benötigen einen besseren Datenschutz. Aber wir sind auch auf unsere Nachrichtendienste angewiesen.

Wir haben Feinde, die nutzen Methoden, die sind für uns wirklich gefährlich. Einige Länder sind eine echte Gefahr für Europa.

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