Aqeela Asifis Mission: Mädchen in Pakistan eine Chance geben

Aqeela Asifis Mission: Mädchen in Pakistan eine Chance geben
Von Euronews
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Aqeela Asifi is keine gewöhnliche Lehrerin. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, afghanische Flüchtlingsmädchen auszubilden. Genau wie sie selbst

Aqeela Asifi is keine gewöhnliche Lehrerin. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, afghanische Flüchtlingsmädchen auszubilden. Genau wie sie selbst sind die meisten Mädchen vor dem Krieg in Afghanistan geflohen. Als sie vor 23 Jahren ins pakistanische Exil flüchtete, waren dort bereits drei Millionen Afghanen. Den Mädchen im Flüchtlingslager war der Zugang zu Bildung verwehrt. Aqeela Asifi hat das im Alleingang geändert.

Bildung spielte keine Rolle

Auch Aqeela Asifi floh mit ihrer Familie:
“1992, als der Bürgerkrieg in Afghanistan ausbrach und die Leute rastlos wurden, da musste auch ich vor diesem Krieg in Afghanistan fliehen. Ich verließ Kabul. Als wir hier ankamen, sahen wir, dass es zahlreiche neue Flüchtlinge gab. Diese Neuankömmlinge waren alle sehr nette Menschen. Sehr gastfreundlich, kultiviert und überhaupt sehr freundlich. Aber unter all diesen Leuten konnte man fühlen, dass sie einander fremd waren und dass Bildung keine Rolle spielte. Es wäre ihnen nie in den Sinn gekommen, einen Satz wie “Bildung für Mädchen” auszusprechen. > Aqeela Asifi gewinnt Nansen Flüchtlingspreis 2015 für Ihr Engagement für Flüchtlingsmädchen. http://t.co/qUwdGfy8jnpic.twitter.com/hwvu8KYYyx

— UNHCR Germany (@UNHCR_de) September 15, 2015

“Also dachte ich mir: Ich werde ihnen helfen. Denn ich wusste sehr genau, wie man ganz allein gegen Ignoranz ankämpfen kann. Letztendlich, auch wenn das mit großen Schwierigkeiten verbunden war, erhielt ich die Erlaubnis der Dorfältesten.”

Für ihre Arbeit im “Kot Chandna” Flüchtlingslager in Nordpakistan wurde Aqeela Asifi mit dem renommierten Nansen-Flüchtlingspreis geehrt. Der Preis wird jährlich vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) verliehen und zeichnet Menschen aus, die sich in Flüchtlingsangelegenheiten besonders verdient gemacht haben.

So etwas wie 'Bildung für Mädchen' gab es hier nicht

Es war anfangs nicht leicht: Aqeela Asifi hatte große Schwierigkeiten, die anderen von ihrer Idee, Mädchen auszubilden, zu überzeugen. Und: es gab auch keinen Ort zum Unterrichten. “So etwas wie ‘Bildung für Mädchen’ gab es hier nicht. Sie sagte, wenn ich einverstanden bin, muss ich ihr einen geeigneten Ort zur Verfügung stellen. Ich erwiderte, dass ich erst Rücksprache mit meinem Stamm halten müsse. Sie fing an, die Kinder in einem Zelt zu unterrichten, aber erst kamen nur wenige. Dann, nach ungefähr einem Monat, wurden es immer mehr. Sie arbeitete so ein, zwei Jahre in diesem Zelt, bevor ein neuer Ort gefunden wurde.

Nachdem ihre Schule zehn bis zwölf Jahre so lief, als die Leute verstanden hatten, was da passierte, als sie sahen wie sich unsere Kinder entwickelten, wurde eine weitere Schule, dort drüben eröffnet und die da drüben, neben dem Markt, wurde auch eröffnet. Die in Sra Zakhira und die in Wali Khailo folgten wenig später.”, sagt Agha Muhammad, der das Flüchtlingslager leitet.

Aqeela Asifis Engagement hat sich bezahlt gemacht: 23 Jahre nach ihrer Ankunft in Pakistan gehen mehr als 600 Mädchen auf die fünf Schulen im Flüchtlingslager. Inzwischen kommen auch Mädchen aus den umliegenden pakistanischen Dörfern .

Aqeela Asifi motiviert ihre Schülerinnen: “Wir alle – wo immer wir sind, wer auch immer wir sind, wir müssen uns bemühen, unser Wissen zu entwickeln, zu erweitern und es zu teilen. Hierher zu kommen hat nur einen Zweck, einen einzigen Zweck, und das ist…?” – “Wissen!” antworten die Kinder im Chor.

Die Ausbildung hier geht bis zur 8. Klasse. Die Mädchen lernen Urdu, Pashtu und Englisch. Weitere Fächer sind Mathematik, Wirtschaft und Biologie.

Aqeela Asifi: Vorbild für viele Mädchen

Eine afghanische Schülerin sagt: “Ich lerne ständig, schon seitdem ich 2 Jahre alt war. Wenn unsere Lehrerin nicht hierher gekommen wäre, wären wir auch nicht hier. Sie ist Afghanin. Wir sind Afghaninnen. Es gab keine anderen afghanischen Lehrer hier. Frau Aqeela ist mein großes Vorbild, ich möchte genau so gebildet sein wie sie oder eine Ärztin werden oder vielleicht eine Ingenieurin. Ich lese meinem Vater die Nachrichten auf seinem Handy vor. Ich lese die Stromrechnung. Ich bin die einzige Person in meiner Familie, die lesen kann, was wir wissen müssen.” Mit der Zeit, da die Zahl der Schülerinnen ständig wuchs, stieg auch der Bedarf an Lehrerinnen. Wazira Bibi ist eine von ihnen. Auch sie ist aus Afghanistan geflohen und war eine von Aqeela Asifis Schülerinnen:
“Es gab nichts als wir hier ankamen. Ich bin mit meinem Mann und meinen Kindern geflohen. Ich war sehr durcheinander, als wir hier ankamen. Einige Zeit später hörte ich, dass Aqeela hier eine Schule leitet und dass sie zu wenige Lehrerinnen hatte. Deshalb habe ich hier angefangen. Acht oder neun Monate lang habe ich beides gemacht, gelernt und unterrichtet. Ihretwegen habe ich seit 18 Jahren eine bezahlte Arbeit. Das alles habe ich ihr zu verdanken.”

Aqeela Asifi war bereits eine ausgebildete Lehrerin, als sie in Pakistan ankam. Sie floh aus Kabul mit ihrer Familie, und fünf ihrer sechs Kinder leben noch dort. So auch ihre jüngste Tochter Sawera. Natürlich wird auch sie von Aqeela ausgebildet. Ihr Ehemann, ein Ladenbesitzer, hat sie von Beginn an bei ihrer Initiative unterstützt:
“Sie begann ihre Arbeit hier aus Anteilnahme. Aus Mitgefühl. Deswegen hat sie hier angefangen. Wir alle, mich eingeschlossen, unser gesamtes Dorf ist glücklich über ihre Arbeit, und sehr dankbar.”

Aqeela Asifi ergänzt: “Ich habe große Freude an meiner Arbeit. Ich bin stolz darauf, eine Frau zu sein. Eine Lehrerin. Ich habe einen internationalen Preis gewonnen. Darüber bin ich sehr glücklich. Mein Mann steht mir zur Seite, er greift mir unter die Arme, wo immer es geht.” und: “In jeder Hinsicht haben sich die Familien so verändert, dass die Menschen wesentlich besser leben können als vorher. Viele von ihnen haben ein erfülltes Leben dank dieser Mädchen. In jedem Haushalt gibt es mindestens ein Mädchen, das bis zur 8. Klasse die Schule besucht hat.”

Auch pakistanische Mädchen bekommen hier eine Ausbildung

Aqeela gibt sich nicht damit zufrieden, die afghanischen Mädchen zu unterrichten. Sie hat sich sie auch dafür eingesetzt, dass die Mädchen aus den Nachbardörfern ebenfalls zur Schule gehen können. Viele von ihnen kommen aus verarmten pakistanischen Dörfern und haben oft keine Möglichkeit, dort zur Schule zu gehen. Manche dieser Mädchen haben einen langen Schulweg von mehreren Stunden, den sie zu Fuss zurücklegen. Das tun sie ausschließlich, um sechs Mal pro Woche am Unterricht teilzunehmen. Eine pakistanische Schülerin berichtet: “Unser Haus ist zwei Stunden von hier entfernt. Wir gehen zu Fuß, weil wir kein Geld haben. In unserem Dorf gibt es nur eine Schule für Jungen, die bis zur 10. Klasse geht. Für Mädchen geht die Schule dort nur bis zur 5. Klasse und es gibt auch nicht viele Lehrerinnen im Dorf. Es wird dort nicht viel unterrichtet. Die Schülerinnen spielen mehr und lernen nicht viel. Ich möchte gern Pilotin werden, wenn ich erwachsen bin und dann möchte ich Pakistans Entwicklung voranbringen.”

Traumberuf Lehrerin, Ärztin oder Ingenieurin

In einem kleinen pakistanischen Dorf, unweit des Flüchtlingslagers treffen wir ihreTante. Auch sie hat von Aqeela Asifis Unterricht profitiert:
“Ich war eine von Frau Aqeelas Schülerinnen. Sie hat mich bis zur 8. Klasse unterrichtet. Sie hat uns immer ermutigt, weiter zu lernen und uns weiter zu entwickeln. Mein Studium geht weiter: Ich mache meinen Bachelor Abschluss, denn ich möchte wirklich gern selbst lehren. Wenn Frau Aqeelas Schule nicht gewesen wäre, wäre es mir genauso ergangen wie allen anderen Frauen hier – ich wäre Analphabetin geblieben.” Der Schlüssel zu Aqeela Asifis Erfolg: Die Einstellung der Menschen vor Ort zu ändern. Nicht nur ihre Schülerinnen, sondern das gesamte Dorf unterstützt sie. Sie verstehen, dass eine Ausbildung ihren Kindern neue Wege aus der Armut eröffnet: “Aufgrund der Armut bekommen die Schüler keine Ausbildung. Manche sammeln Müll, andere gehen in die Ziegelfabriken zum Arbeiten. Ich selbst habe keine Ausbildung und deshalb unterstütze ich ihre Ausbildung. Ich habe selbst viele schwere Erfahrungen machen müssen. Ich würde weder meinen Kindern -noch meinen Enkeln eine Ausbilung vorenthalten. Es hilft ihnen, eine anständige Arbeit zu finden.” so Agha Muhammad, der Leiter des Flüchtlingslagers.

Aqeela Asifi ist sich sicher: “Ohne Wissen und Ausbildung bleibt eine Gesellschaft auf der Strecke. Von unseren Mädchen hier haben 125 ihren Abschluss an meiner Schule gemacht. Und mehrere von ihnen haben ihre Ausbildung an einer weiterführenden Schule fortgesetzt. Sie haben jetzt bezahlte Arbeit und sorgen dafür, dass es ihren Familien gut geht.”

Dank Aqeelas Entschlossenheit und Vison haben es zwei Generationen afghanischer Flüchtlingsmädchen geschafft, in Zukunft ein bessere Chance zu haben. Manche studieren weiter und einige werden es schaffen, sich in ihrem Traumberuf als Ärztin, Ingenieurin oder Lehrerin zu verwirklichen.

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