Nach tagelangen Unruhen in Neukaledonien im Südpazifik fliegt nun der französische Präsident Emmanuel Macron in das französische Überseegebiet. Er will Lösungen finden und den Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen auf der Insel herstellen.
Wegen der Unruhen in Neukaledonien ist der französische Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch in das französische Überseegebiet im südlichen Pazifik geflogen. Er wird am Donnerstagmorgen Ortszeit bzw. heute Abend französischer Zeit in Neukaledonien erwartet.
Der französische Präsident fliegt in das Überseegebiet, rund 16.000 Kilometer vom französischen Festland entfernt, um eine politische Lösung für die Unruhen, bei der schon mindestens sechs Menschen getötet wurden, zu finden. Die massiven Proteste haben neue Fragen über Macrons Umgang mit Frankreichs kolonialem Erbe aufgeworfen.
Die Unruhen brachen am 13. Mai aus, als in der Assemblée National, dem Unterhaus des französischen Parlaments, über eine Verfassungsreform debattiert wurde, mit der die Wählerschaft, die bei Provinzwahlen und Referenden abstimmen darf, erweitert werden soll. So sollen künftig Einwohner, die seit zehn Jahren auf der Inselgruppe leben an Provinzwahlen teilnehmen dürfen.
Die Unabhängigkeitsbefürworter befürchten, dass die Maßnahme pro-französischen Politikern in Neukaledonien zugute kommt und das indigene Volk der Kanaken, die einst unter einer strengen Segregationspolitik und weit verbreiteter Diskriminierung litten, weiter an den Rand drängt.
Macron wird sich bei seinem Besuch in Neukaledonien nach Angaben des Elysée-Palastes darauf konzentrieren, die Ordnung wiederherzustellen und den Dialog zwischen den lokalen politischen Oberhäuptern zu erleichtern. Außerdem soll bei seinem Besuch erörtert werden, wie hoch der Bedarf für den Wiederaufbau sein wird. Bei den gewalttätigen Ausschreitungen sind Schäden in der Höhe von schätzungsweise Hunderten von Millionen Euro entstanden.
Macron engagiert sich seit langem aktiv in der politischen Landschaft Neukaledoniens, insbesondere bei der Förderung des Dialogs zwischen den Befürwortern der Unabhängigkeit und den Befürwortern Frankreichs.
Die gewaltsamen Proteste
Die Zahl der auf dem französischen Überseeterritorium Neukaledonien getöteten Personen ist am Samstag vergangener Woche auf sechs gestiegen. Französische Sicherheitskräfte meldeten einen weiteren Todesfall bei den bewaffneten Zusammenstößen. Bisher sind sechs Menschen bei den Ausschreitungen getötet worden, darunter zwei Polizeibeamte.
Das australische Militär flog bisher drei Evakuierungsflüge, um gestrandete australische Touristen von der Inselgruppe zu holen. Auch Neuseeland entsandte Flugzeuge, um Touristen zu evakuieren.
Die französischen Maßnahmen gegen die Proteste
Das Hochkommissariat von Neukaledonien teilte am Mittwoch mit, dass 1.050 Verstärkungstruppen der Gendarmerie, der Polizei und der zivilen Sicherheitskräfte eingesetzt wurden, über 90 Straßensperren abgebaut wurden, mehr als 280 Personen festgenommen wurden, 84 Polizisten und Gendarmen verletzt wurden und keine neuen Todesopfer zu beklagen waren.
Der französische Hochkommissar Louis Le Franc hatte vergangenen Freitag strenge Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustands angekündigt. Der Ausnahmezustand soll mindestens elf Tage lang in Kraft sein. In der Zeit gilt eine Ausgangssperre von 18.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Zum Schutz von Häfen und Flughäfen sowie zur Unterstützung der Polizeitruppen werden die Streitkräfte eingesetzt.
Verstöße gegen die Ausgangssperre werden mit einer Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten und einer Geldstrafe geahndet, fügte der französische Diplomat hinzu, der mit der Verwaltung des Territoriums beauftragt ist.
Seit Jahren Spannungen auf der Inselgruppe
Seit Jahrzehnten gibt es Spannungen zwischen dem indigenen Volk der Kanaken, die 41 Prozent der Bevölkerung des Gebiets ausmachen, und den anderen Bewohnern der Insel. Die indigene Bevölkerung strebt die Unabhängigkeit des 270.000 Einwohner zählenden Territoriums an. Die Nachfahren der Kolonisten und anderen, die sich auf der Insel niedergelassen haben, wollen allerdings Teil Frankreichs bleiben.
Neukaledonien hat bereits drei Referenden über die Unabhängigkeit von Frankreich abgehalten, die alle mit einer Mehrheit gegen die Unabhängigkeit endeten.
Der letzte Urnengang, der 2021 während der COVID-19-Pandemie stattfand, wurde von den Befürwortern der Unabhängigkeit boykottiert.