Machtwechsel in Litauen: Die litauischen Sozialdemokraten gewinnen die erste Runde der Parlamentswahlen und streben eine Mitte-links-Koalition an.
In Litauen deuten die ersten Wahlergebnisse der Parlamentswahlen auf einen möglichen Regierungswechsel hin.
Die oppositionellen Sozialdemokraten (SD) haben in der ersten Wahlrunde mit 19,5 Prozent der Stimmen die Nase vorn, gefolgt von der konservativen Vaterlandsunion (17,8 Prozent) von Ministerpräsidentin Ingrida Šimonytė. Die neu gegründete populistische Partei Morgenröte von Nemunas erreichte 15,0 Prozent.
Die Wahlbeteiligung lag bei 52,1 Prozent - höher als letzten Wahl vor vier Jahren.
Vilija Blinkevičiūtė, die Vorsitzende der Sozialdemokraten, kündigte an, eine Mitte-links-Koalition mit anderen Parteien zu bilden, um die soziale Ungleichheit zu bekämpfen. „Unsere Wähler haben deutlich gemacht, dass sie Veränderungen wollen“, erklärte sie und nannte Einkommensgerechtigkeit, Wohnungsbau, Gesundheitsversorgung und Bildung als zentrale Themen.
Hintergründe
Die nationale Sicherheit ist für Litauen, das zur Ostflanke der NATO und der Europäischen Union gehört und an die russische Exklave Kaliningrad sowie an Weißrussland grenzt, ebenfalls ein zentrales Anliegen. Litauen ist ein überzeugter Verbündeter der Ukraine und ein scharfer Kritiker der russischen Invasion.
Seit Beginn des Krieges im Februar 2022 hat die litauische Regierung Kiew militärische Hilfe geleistet. Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas erklärte im September, dass Vilnius allein in diesem Jahr 153 Millionen Euro an Unterstützung bereitgestellt hat.
Ministerpräsidentin Šimonytė sieht sich seit einiger Zeit kritischen Stimmen ausgesetzt. Während ihrer Amtszeit wurden strenge Maßnahmen während der COVID-19-Pandemie kritisiert, da viele Wähler der Meinung waren, ihre Regierung habe nicht ausreichend Unterstützung für Unternehmen während der Lockdowns bereitgestellt.
Zudem berichteten viele, dass Tausende von Menschen keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten hatten. Auch ihr Umgang mit Migranten, die über Belarus nach Litauen kamen, wurde als unzureichend wahrgenommen.
Stichwahlen am 27. Oktober
Die Abstimmung am Sonntag war der erste von zwei Wahlgängen: Die Wähler entschieden zunächst über 70 Sitze im Parlament nach dem Verhältniswahlrecht. In zwei Wochen werden sie dann über 71 Direktmandate abstimmen.
Über Koalitionen dürfte daher erst nach der Wahl gesprochen werden, doch die Sozialdemokraten und die Mitte-links-Partei „Für Litauen“ (9,3 Prozent) haben bereits angekündigt, eine Regierung bilden zu wollen.
Sollte Blinkevičiūtė die Regierungsbildung gelingen, wird erwartet, dass sie Litauens harte Haltung gegenüber Russland und die hohen Verteidigungsausgaben beibehält.