Der Massenvergewaltigungsprozess um Dominique Pelicot erschüttert Frankreich – und zeigt weitreichende Folgen: Ein Pariser Hilfszentrum verzeichnet eine Welle von Anrufen von Betroffenen und Fachleuten.
Der Pelicot-Massenvergewaltigungsprozess in Frankreich, der international für Schlagzeilen sorgte, zeigt weitreichende Folgen: Seit der Urteilsverkündung in der vergangenen Woche verzeichnet ein Callcenter eines Pariser Krankenhauses (APHP) einen deutlichen Anstieg von Hilferufen.
Das spezialisierte Zentrum unterstützt Menschen, die vermuten, gegen ihren Willen betäubt oder Opfer sexualisierter Gewalt geworden zu sein. Bis zu zehn Anrufe pro Tag werden dort registriert.
Unterstützung für Betroffene
Um 9 Uhr beginnt die Apothekerin und Abteilungsleiterin Leïla Chaouachi damit, Betroffene zurückzurufen.
Viele von ihnen befürchten ein ähnliches Schicksal wie Gisèle Pelicot erlitten zu haben – die zentrale Figur des Prozesses.
Ihr Ex-Ehemann, Dominique Pelicot, wurde vergangene Woche zu 20 Jahren Haft verurteilt, nachdem er seine Frau über ein Jahrzehnt hinweg unter Drogen gesetzt und anderen Männern für Vergewaltigungen "angeboten" hatte.
Auch die fünfzig Männer, die an den Taten beteiligt waren, erhielten fast alle Haftstrafen.
"Niemand hat das Recht, dich anzufassen. Es gibt keine Rechtfertigung für Vergewaltigung oder Gewalt", sagt Chaouachi ruhig, aber bestimmt, während sie mit einer Anruferin spricht.
Auch wenn sie Betroffene dazu ermutigt, eine Anzeige bei den Behörden zu erstatten, zeigt sie Verständnis, wenn diese noch nicht bereit dazu sind: "Ich möchte niemanden unter Druck setzen. Manchmal brauchen die Menschen einfach jemanden, der ihnen zuhört."
Haaranalysen als Beweismittel
Das Zentrum bietet Betroffenen die Möglichkeit, ihre Haare im Rahmen eines nationalen Forschungsprogramms auf Betäubungsmittel zu untersuchen.
"Drei Haarsträhnen werden entnommen – eine für Cannabinoide, eine für Medikamente und Betäubungsmittel und eine für GHB, die sogenannte K.O.-Tropfen. Die Ergebnisse erhalten die Betroffenen nach etwa zwei Monaten", erklärt der Leiter des Zentrums.
Der Pelicot-Prozess hat das Thema "chemische Unterwerfung" ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Bereits 2022 registrierte die Pariser Einrichtung knapp 2.000 Beschwerden oder Anfragen – ein Anstieg von 69 % im Vergleich zum Vorjahr. Etwa 80 % der Betroffenen waren Frauen, die meisten zwischen 20 und 29 Jahren.
Neue Sensibilisierung bei Fachkräften
Neben den Anrufen von Betroffenen melden sich zunehmend Fachleute wie Ärzte, Richter oder Vertreter von NGOs. Der Prozess hat viele schockiert, wie lange Gisèle Pelicots Symptome unbemerkt blieben.
"Es ist alarmierend, dass niemand diese Anzeichen als mögliche Substanzverabreichung erkannt hat", sagt Chaouachi. "Viele Fachkräfte haben erkannt, dass auch sie solche Fälle übersehen könnten. Deshalb setzen wir verstärkt auf Schulungen, um Warnsignale besser zu erkennen."
Politischer Handlungsbedarf
Die französische Regierung hat angekündigt, Reformen einzuleiten, um Betroffenen besser zu helfen. Dazu gehören staatlich finanzierte Testkits für Menschen, die befürchten, gegen ihren Willen betäubt und angegriffen worden zu sein.
Chaouachi sieht den Pelicot-Prozess als Wendepunkt: "Wie schon die #MeToo-Bewegung 2017 könnte auch dieser Fall das Bewusstsein nachhaltig verändern."