Zwei Experten erklärten gegenüber Euronews, dass die EU sich darauf vorbereiten müsse, angesichts der Aggressivität des kommenden Donald-Trump-Regimes standhaft zu bleiben.
Die Forderung einiger Mitglieder von Trumps Team, Europa solle wichtige Vorschriften für soziale Medien abschwächen oder aufgeben, würde die Demokratie schwächen und Europas Sicherheit auf lange Sicht nicht garantieren, so Guntram Wolff von der Denkfabrik Bruegel und Georg Riekeles vom European Policy Centre.
"Wir waren alle überrascht, wie aggressiv sowohl Musk als auch Donald Trump in der ersten Januarhälfte aufgetreten sind. Sie haben nicht Russland oder China, sondern ihre Verbündeten verbal angegriffen", sagte Guntram Wolff, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der ULB, gegenüber Euronews' Europe Conversation.
"Elon Musk hat eine große Kampagne gegen die derzeitige britische Regierung geführt und das hat in ganz Europa die Alarmglocken läuten lassen", erklärte er.
Beide Experten forderten die Europäische Kommission dazu auf, Musk und andere soziale Medien zu konfrontieren, wenn es zu Verstößen gegen das EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) kommt und diese eine echte Bedrohung für die europäische Demokratie oder Gesellschaft darstellen.
Das Gesetz über digitale Dienste ist das wichtigste Rechtsinstrument der EU zur Überwachung von sozialen Medien bezüglich Desinformation und schädlicher Inhalte.
Elon Musk hat in Großbritannien eine politische Debatte über die Verbrechen von Männerbanden neu entfacht, die über mehrere Jahrzehnte hinweg systematisch Kinder in englischen Städten vergewaltigten.
In einer Flut von Beiträgen auf seiner Social-Media-Plattform X hat der Milliardär führende Persönlichkeiten der britischen Labour-Partei ins Visier genommen und behauptet, Premierminister Keir Starmer sei "im Austausch für Stimmen ein wesentlicher Komplize bei den Massenvergewaltigungen gewesen".
Außerdem bezeichnete er die Ministerin für Schutzmaßnahmen, Jess Phillips, als "Vergewaltigungsgenozid-Verteidigerin" und forderte ihre Inhaftierung.
Ein Sprecher der Europäischen Kommission sagte, dass die Kommission Musks Aktivitäten im Hinblick auf eine mögliche Einmischung in die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland beobachte.
Musk hat die rechtsextreme AfD-Partei als "letzten Funken Hoffnung" für Deutschland bezeichnet und kürzlich ein 90-minütiges Interview mit der AfD-Chefin Alice Weidel auf seiner Plattform geführt.
"Ich halte das Interview nicht für wirklich problematisch. Problematisch wird es aber, wenn der Algorithmus von X so manipuliert wird, dass er rechtsextreme Inhalte pusht", so Wolff.
Diesbezüglich wies er auf die zögerliche Haltung der europäischen Regierungen und der Kommission hin, entschieden gegen Musk vorzugehen, da Trump mit Vergeltungsmaßnahmen in Form von Wirtschaftszöllen reagieren könnte.
"Wir brauchen politischen Handlungswillen. Das ist todernst", so Riekeles, der ehemalige Berater von Michel Barnier bei der Europäischen Kommission.
"Hier geht es um grundlegende Bedrohungen für unsere Demokratien, um die Destrukturierung unseres öffentlichen Raums, um die Verbreitung von Lügen und extremen Inhalten, was die Ausübung der Demokratie zunehmend erschweren oder unmöglich machen wird", warnte er.
Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance hat angedeutet, dass die Trump-Regierung die Unterstützung für die NATO reduzieren oder einstellen könnte, wenn die EU ihre Regulierung von X weiterverfolgt.
"Man muss sich Schikanen immer entgegenstellen", sagte Wolff bezüglich des Dilemmas der EU. Wenn die Union ihr eigenes Regulierungssystem zum Schutz der Demokratien anwendet, verärgert sie Trump, der mit Handelszöllen reagieren oder die Unterstützung der europäischen Sicherheit in einer Zeit großer Gefahr einstellen könnte.
"Wenn man sofort nachgibt, werden die Forderungen nur noch größer. Und es gibt keinerlei Garantie dafür, dass plötzlich alle Sicherheitsprobleme gelöst sind, wenn man sich X und dessen Schikanen nicht entgegenstellt", merkte er an.
Die europäischen Regulierungsbehörden beobachten X schon seit Dezember 2023, aber Musks enge Verbindungen zu Trump werfen Fragen dazu auf, wie die Union mit der Plattform und ihren mutmaßlichen DSA-Verstößen umgehen wird.
Die Kommission, die deutsche Bundesnetzagentur und die großen digitalen Plattformen, darunter auch X, werden sich am 24. Januar treffen, um Einmischungen bei der deutschen Wahl zu verhindern.