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Von 'Hype um Heidi' bis 'Mission Silberlocke': Wie die Linke die AfD auf Social Media kontert

Olaf Krostitz 
Olaf Krostitz  Copyright  Die drei Silberlocken der Linke
Copyright Die drei Silberlocken der Linke
Von Anne Frieda Müller
Zuerst veröffentlicht am
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Drei alte weiße Männer singen und erklären Politik bis hin zu einer Wutrede im Bundestag: auf Social Media hat die Linke die Klicks und liegt in den Umfragen plötzlich wieder bei fünf Prozent.

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"Totgesagte leben länger", so die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek beim Bericht aus Berlin. Momentan steht die Linke bei der aktuellen Sonntagsumfrage vom 8. Februar bei fünf Prozent, teilweise lag sie schon bei sechs Prozent.

Zuvor war nicht klar, ob und wie die Partei es wieder in den Bundestag schafft. Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow haben als "Mission Silberlocke" um drei Direktmandate geworben, um über die Grundmandatsklausel einziehen zu können.

Kann man den Erfolg der Linken auf die "Mission Silberlocke" und den starken Social Media-Auftritt der Partei zurückführen?

Dietmar Bartsch, ehemaliger Parteivorsitzender und Direktmandat für Rostock sieht hier keinen Zusammenhang und erklärt gegenüber Euronews, dass "es nicht seriös wäre, einzelne Effekte in Umfrageergebnissen ausmachen zu wollen, schon gar nicht als beteiligte 'Silberlocke'."

Er fügt jedoch hinzu, dass er den Erfolg der "Mission Silberlocke" bei vielen Menschen im Land zur Kenntnis nehme und, dass die Veranstaltungen der Linken "brechend voll" seien, die Leute würden Schlange stehen.

"Wir drei 'Silberlocken' erfahren gerade bei Jüngeren und vor allem in den Sozialen Medien einen Zuspruch, von dem wir zum Start unserer Mission kaum gewagt hätten zu träumen", ergänzt er.

Drei alte weiße Männer, die auf Social Media über linke Positionen sprechen, singen oder lustige Gruppenbilder posten? Das kommt anscheinend gut an.

Auf TikTok hat die Partei rund 238.000 Follower und auf Instagram rund 284.000. In der vergangenen Woche hatte die Linke auf X, Tiktok und Youtube über sieben Millionen Views.

Nicht nur die Silberlocken kommen auf den sozialen Medien gut an

Aber nicht nur die drei "Silberlocken" ziehen Follower auf den sozialen Netzwerken an, sondern auch Reden aus dem Bundestag.

Ein Video, in dem Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek über den Fall der Brandmauer geredet hat, hat bislang über eine Million Likes generiert. Der Spiegel nennt es den "Heidi-Hype".

Die CDU hatte erstmals mithilfe der AfD über den "Fünf-Punkte-Plan" zur Migration von Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz abgestimmt.

Aber warum ist gerade diese Rede viral gegangen? André Haller, Kommunikationswissenschaftler und Dozent erklärt, dass in diesem genannten Fall mehrere Faktoren zusammenkamen, die eine "Viralität" begünstigten.

"Erstens gab es ein konfliktbehaftetes Thema, nämlich die Abstimmungen der Union, die unter anderem mit der AfD zustande kamen - hier war also bereits ein Konflikt vorhanden, an den man 'andocken' konnte", antwortet Haller auf schriftliche Anfrage von Euronews.

Dazu kommt, dass über diese Bundestags-Entscheidung schon intensiv auf Social Media gestritten wurde, erklärt Haller: "Das führte dazu, dass Reden beziehungsweise Ausschnitte von Reden schnell und häufig geteilt wurden. Drittens wirkte Reichinneks Auftritt sehr authentisch, die Empörung und die Appelle waren spürbar und wirkten nicht aufgesetzt. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in Social Media: Authentizität."

Das Ziel ist, Heidi Reichinnek zuerst durch ihre Persönlichkeit und erst später durch ihre politische Positionierung zu erfahren.
Maik Fielitz
Wissenschaftlicher Referent am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft

Und mit Heidi Reichinnek hat die Linke auf Social Media einiges richtig gemacht. Was genau erklärt Maik Fielitz vom Institut für Demokratie und Zivilgesellchaft in Jena: "[Wir sehen], wie Kandidatinnen wie Heidi Reichinnek als politische Influencerin auftreten, womit sie die Tendenz zur Personalisierung in den sozialen Medien bedienen. Das Ziel ist, sie zuerst durch ihre Persönlichkeit und erst später durch ihre politische Positionierung zu erfahren. Ein Prinzip, das rechte Influencer seit vielen Jahren recht erfolgreich erprobt haben."

Denn bisher galt vor allem die AfD als die stärkste Partei auf Social Media.

Auf Youtube hatte sie vergangene Woche mit fast acht Millionen Views mit am Abstand die höchste Reichweite. Auf TikTok hat die Linke sie diese Woche mit etwas über fünf Millionen Views knapp überholt.

Populismus funktioniert

Auf die Frage, warum gerade die AfD auf Social Media so gut ankommt, hat Haller eine Antwort: "Dies liegt vor allem an den Grundmustern populistischer Kommunikation: Parteien wie die AfD setzen auf extremen Konflikt und postulieren, dass alle anderen Parteien gegen die Bevölkerung handeln. Dies wird mit aggressiven Botschaften und drastischen Bildern vermittelt, was in Social Media oft zu einer hohen Viralität führt."

Kurz gesagt: In den sozialen Medien wollen die Leute kurze, schnelle Videos, möglichst zugespitzt und möglichst aggressiv. Und genau das liefert die AfD.

So setzt zum Beispiel der AfD-Europapolitiker Maximilian Krah auf eine Influencer-Taktik. Direkter Blick in die Kamera, mit peppiger Musik unterlegt, sagt er dem User ins Gesicht: "Du kommst nur durchs Leben, wenn du das wirst, was du bist. [...] Deshalb sind echte Männer rechts und echte Frauen sind auch rechts." Es geht um Geschlechterrollen, die die anderen verklären. Man solle auf ihn hören. Er prangert an, vereinfacht.

"Andere Parteien agieren zumeist nicht nach den Grundmustern populistischer Kommunikation," erklärt Haller.

"Die Rollen in Wahlkämpfen sind immer klar verteilt: Regierungsparteien zielen darauf ab, positive Ergebnisse ihrer Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen. Oppositionsparteien üben zwar Kritik, diese wird aber in der Regel nicht schrill formuliert, damit die Masse an gemäßigten Wählern nicht abgeschreckt wird."

Der Demokratieforscher Maik Fielitz ergänzt: "Die AfD bricht zudem mit den Gepflogenheiten eines verständigungsorientierten Diskurses: Negative Berichterstattung, Fake News und koordinierter Aktivismus im Hintergrund tragen zu einer metrischen Verzerrung bei, die den Eindruck vermitteln soll, dass Kennzahlen in den sozialen Medien kongruent mit der Stimmung im Land seien."

Dass sie gegen diese Masse an Fake News und Propaganda nicht ankommt, weiß auch die Linke. "Aber wir versuchen dieser Flut gut gemachten, glaubwürdigen Linken-Content entgegenzusetzen, Falschinformationen aufzuklären und eigene Themen zu setzen", schreibt die 'Silberlocke' Dietmar Bartsch auf Euronews-Anfrage.

Wir freuen uns sehr, dass wir den Rechten Reichweite nehmen.
Dietmar Bartsch
Die Linke

"Mal witzig, mal ernst, mit allem, was geht, und freuen uns sehr, dass wir den Rechten Reichweite nehmen und dafür sorgen, dass auch in den Sozialen Medien über Mietendeckel, Umverteilung von Reichtum oder eine Senkung von Lebensmittelpreisen lebhaft diskutiert wird. Und auch mit uns und über uns gelacht wird, weil wir uns selbst nicht immer so bierernst nehmen."

Und die Linke weiß, warum es so wichtig ist, gerade auf Social Media aktiv zu sein: "Viele, vor allem jungen Menschen informieren sich inzwischen fast ausschließlich über Social Media. Wenn man sie erreichen will, muss man dort präsent sein", schreibt Langzeit-Politiker Gregor Gysi.

Dass ich auf meine alten Tage nochmal als TikTok-Star gelte und frühere Reden von mir inzwischen für Techno-Rhythmen remixt werden, hätte ich mir auch nicht träumen lassen.
Gregor Gysi
Die Linke

"[...] Dass ich auf meine alten Tage nochmal als TikTok-Star gelte und frühere Reden von mir inzwischen für Techno-Rhythmen remixt werden, hätte ich mir auch nicht träumen lassen."

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