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Migration im Wahlkampf: Wer entscheidet, wer bleibt?

Migration spielt eine große Rolle im Wahlkampf
Migration spielt eine große Rolle im Wahlkampf Copyright  AP Photo/Kerstin Joensson, Grafik: Andrea Steffens
Copyright AP Photo/Kerstin Joensson, Grafik: Andrea Steffens
Von Johanna Urbancik
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Migration dominiert den Wahlkampf: Union, AfD, SPD und Grüne präsentieren unterschiedliche Pläne zur Grenz- und Einwanderungspolitik.

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Kaum ein Thema dominiert die Medien, Debatten und öffentlichen Auftritte der Parteien derzeit so sehr wie die Migration.

Aber womit werben die Parteien in ihren Regierungsprogrammen, wenn es um die Einwanderung geht? Euronews hat sich die Wahlprogramme der vier Parteien, die momentan in den Umfragen über zehn Prozent liegen, angeschaut und analysiert. Bei den Parteien handelt es sich um die Union, AfD, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

Migration und Einwanderung

Um die Frage der Migration kommt momentan keine Partei herum. Darum wurde dem Thema auch viel Aufmerksamkeit in den Regierungsprogrammen geschenkt.

Gegenüber Euronews erklärt die Journalistin Gilda Sahebi, dass so, wie die Debatten momentan im Bereich der Migration momentan geführt werden, "nichts Neues" sind. "Alle Parteien suggerieren, man könne Migration so steuern, wie sie es uns erklären. Das stimmt nicht, sonst wäre Migration schon lange 'gesteuert'", meint sie.

So wirbt die Union in ihrem Regierungsprogramm mit einer "grundsätzlichen Wende in der Migrationspolitik" und fordert, die "Kontrolle über die Migration zurückzugewinnen". Das soll mit Kontrollen an den deutschen Staatsgrenzen und konsequenten Zurückweisungen an der Grenze durchgeführt werden.

So schreibt die Union, dass "wir wieder selbst entscheiden müssen, wer zu uns kommt und wer bleiben darf."

Steuerbare Migration? Die Debatte um Kontrolle und Realität

Sahebi fügt hinzu, dass man natürlich Maßnahmen unternehmen kann, wie zum Beispiel bessere Kontrollen. "Das wurde auch gemacht. Im vergangenen Jahr sind die Zahlen deswegen auch heruntergegangen an den Grenzen. Aber zu sagen, wir könnten Migration wie mit einem Knopf steuern, stimmt nicht." Für Sahebi ist das die Wurzel der Debatte. Ihrer Meinung nach seien die Wahlprogramme gerade bei der Migration deswegen, "überspitzt gesagt, weitgehend irrelevant".

"Gerade bei der Migration ist es noch extremer als in vielen anderen Feldern, da Parteien nicht auf basis von Fakten und Ratio agieren, sondern auf basis von Emotionen und kurzfristigen Umfragen", erklärt sie.

Die Zahl der Asylanträge in Deutschland sank 2024 im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel auf rund 250.900. Auch die unerlaubten Grenzübertritte sind um 36 Prozent auf 83.000 zurückgegangen, mit den meisten Übertritten an der deutsch-polnischen Grenze, heißt es laut einer Recherche von Mediendienst Integration.

Polizei spürt eine Gruppe von Migranten auf, die die Grenze von Polen nach Deutschland überschritten haben, Oktober 2023
Polizei spürt eine Gruppe von Migranten auf, die die Grenze von Polen nach Deutschland überschritten haben, Oktober 2023 Markus Schreiber/Copyright 2023 The AP. All rights reserved

Die AfD fordert eine "maßvolle legale Einwanderung aus Drittstaaten nach qualitativen Kriterien", mit den "Interessen Deutschlands als Sozialstaat, Wirtschafts- und Kulturnation" im Vordergrund.

Zudem soll das Asylrecht nicht als "Vehikel der Masseneinwanderung" missbraucht werden, weswegen die AfD das individuelle Asylgrundrecht durch eine "institutionelle Garantie" ersetzen will und die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 "anpassen" möchte.

Unterschiedliche Konzepte in der Migrationspolitik

Gegenüber Euronews erklärt der Psychologe und Autor Ahmad Mansour, dass "wir das Thema nicht mehr moralisch betrachten können." Er bemerke das vor allem bei den Grünen und der SPD, da "die Parteien sich massiv schwertun, über das Thema zu reden oder es konkret zu behandeln."

SPD und Grüne setzen in ihren Regierungsprogrammen beide auf eine "humanitäre" Migrationspolitik. So fordern die Grünen eine klare Trennung zwischen Flucht und Arbeitsmigration. Die SPD unterstützt in ihrem Programm das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), das ab 2026 in Kraft treten soll.

Das GEAS soll durch einheitliche Verfahren Migration in der gesamten EU steuern, indem Asylverfahren vereinheitlicht, Staaten mit hoher Belastung entlastet, humanitäre Standards geschützt, irreguläre Migration durch schnellere Verfahren an den Außengrenzen begrenzt und der Schengen-Raum durch eine geregelte Asylpolitik erhalten wird.

Die SPD befürwortet zudem die "Familienzusammenführung für subsidiär Schutzbedürftige", da sie eine entscheidende Voraussetzung für Integration sei. Dem widerspricht das Regierungsprogramm der Union, da diese den subsidiären Schutzstatus abschaffen wollen. Die SPD will auf europäischer Ebene darauf hinwirken, "zum ursprünglichen Geist der Genfer Flüchtlingskonvention zurückzukehren".

"Sofortplan" und "Zehn-Punkte-Plan" ergänzen die Regierungsprogramme

Neben den Regierungsprogrammen haben sowohl Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz als auch Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck separate Pläne geteilt, wie sie Migration begrenzen wollen.

Merz hatte seine Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration nach dem Messerangriff im bayerischen Aschaffenburg vorgestellt. Bei dem Angriff wurden zwei Menschen, darunter ein Kleinkind, getötet.

Der Tatverdächtige, ein 28-jähriger Afghane, war dem bayerischen Innenministerium zufolge in psychiatrischer Behandlung und war in der Vergangenheit bereits dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen. Berichten zufolge hatte er sein Asylverfahren zuvor abgebrochen und war deshalb bereits ausreisepflichtig.

Der Entschließungsantrag zu Merz' Plan wurde nur wenige Tage nach dem Angriff mit einer knappen Mehrheit, unterstützt von Stimmen der rechtspopulistischen AfD, angenommen, doch nur wenige Tage später ist ein entsprechender Gesetzesentwurf der Union im Bundestag gescheitert.

Am Parteitag der CDU stellte Merz daraufhin einen "Sofortplan" vor, der von der Partei noch am selben Tag verabschiedet wurde.

Merz spricht auf dem 37. Bundesparteitag der CDU in Berlin, Deutschland, Montag, 3. Februar 2025.
Merz spricht auf dem 37. Bundesparteitag der CDU in Berlin, Deutschland, Montag, 3. Februar 2025. Ebrahim Noroozi/Copyright 2025 The AP. All rights reserved.

Das Programm enthält ähnlich wie Merz' Fünf-Punkte-Plan dauerhafte Grenzkontrollen, Zurückweisungen an den Grenzen und einen zeitlich unbefristeten Ausreise-Arrest für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder. Auch das im Bundestag gescheiterte "Zustrombegrenzungsgesetz" ist in diesem Programm enthalten.

Grünen-Kanzlerkandidat Habeck stellte dagegen seinen Zehn-Punkte-Plan vor, bei dem er unter anderem "Sicherheit für alle" forderte. Im Regierungsprogramm der Grünen heißt es, dass "wir eine gemeinsame europäische Migrationspolitik vorantreiben wollen – mit einer fairen, verbindlichen und solidarischen Verteilung von Schutzsuchenden in Europa." Daran hält Habeck auch in seinem Zehn-Punkte-Plan fest. Er drängt zudem darauf, dass die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) "umgehend umgesetzt wird".

Dennoch schreckt auch Habeck in seinem Plan nicht vor Abschiebungen zurück. So heißt es darin: "Nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle müssen konsequent abgeschoben werden. Bestehende Hindernisse, wie fehlende Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer, müssen aus dem Weg geräumt werden."

Abschiebungen und Rückführungen

Abschiebungen werden nicht nur in Habecks Zehn-Punkte-Plan thematisiert, sondern auch in den Regierungsprogrammen der Union, AfD, SPD und Grünen.

Die Union möchte die Zahl der Rückführungen erhöhen. So heißt es in ihrem Regierungsprogramm, dass "Asylbewerber ohne Schutzberechtigung unser Land wieder verlassen müssen". Zudem sollen Rücknahmeabkommen mit Herkunftsländern verstärkt abgeschlossen werden, darunter auch mit Syrien und Afghanistan.

Die AfD fordert zudem, dass alle rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber "unverzüglich außer Landes gebracht" werden sollen, insofern sie nicht freiwillig ausreisen. "Vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern dürfen nicht gleichzeitig Anreize zum Bleiben gegeben werden", heißt es im Programm der Partei.

"Unter anderem ist ihre Sozialhilfe dauerhaft auf ein rechtlich zulässiges Minimum in Sachleistungen zurückzuführen", schreibt die AfD in ihrem Regierungsprogramm und fügt hinzu, dass sie auch die Bleiberechtsregelungen abschaffen will.

Die SPD möchte Rückführungen "human und konsequent" durchführen. Bei Verweigerung der freiwilligen Ausreise setzt die Partei hingegen auf "rasche wie konsequente Abschiebungen". Aber auch der derzeitige Bundeskanzler und SPD-Kanzlerkandidat hat in dem WDR-Format "Auf einen Döner mit..." weitere Abschiebungen, auch nach Afghanistan, versprochen.

Bei den Grünen sollen Rückführungen nicht pauschal, sondern mit "rechtsstaatlichen Standards" erfolgen.

Die Frage der Integration

Die Grünen setzen jedoch einen größeren Fokus auf Integration und möchten, dass das Chancenaufenthaltsrecht gestärkt wird, "um gut integrierten Menschen eine Bleibeperspektive zu geben."

Gegenüber Euronews erklärt der Psychologe und Autor Ahmad Mansour, dass er bei allen Parteien sehe, dass viel über Migration, aber nicht über Integration gesprochen wird. "Auch wenn wir morgen keine neuen Geflüchteten mehr bei uns haben, weil wir die Grenze kontrollieren und illegale Migration nicht nur beschränken, sondern stoppen, haben wir Millionen Menschen, die bereits in unserem Land leben."

Für Mansour sei demnach entscheidend, was nach der Wahl passiert. "Wir müssen Antworten finden, weil das Thema die Leute beschäftigt. Dass die Politik damit jetzt Wahlkampf macht, ist schön und gut, aber ich möchte, dass man das Thema auch nachher konkret behandelt und Lösungen anbietet."

Integration ist für ihn "eine gesunde Durchmischung, eine Grenze geben und ein Ankommen in der Gesellschaft." "Man kann politisch über das Thema Migration diskutieren, wie man möchte. Aber was ich nicht akzeptieren möchte, ist, das Thema nur auf Migration zu begrenzen. Denn das Thema Aschaffenburg ist ein Integrationsthema und nicht nur ein Migrationsthema", schließt er.

Noch weitere Fragen zu den Regierungsprogrammen der Parteien?

Natürlich kann man bei der Wahl noch mehr Parteien wählen, als die, die wir aufgezählt haben. Fragen Sie hierzu einfach den KI-Chatbot von wahl.chat.

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