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Wehrpflicht, Waffen, Werte: Die Verteidigungspolitik im Wahlkampf

Was sagen die Wahlprogramme der AfD, Union, Grüne und SPD zur Ukraine und zur Bundeswehr?
Was sagen die Wahlprogramme der AfD, Union, Grüne und SPD zur Ukraine und zur Bundeswehr? Copyright  AP Photo/Martin Meissner + Grafik: Andrea Steffens
Copyright AP Photo/Martin Meissner + Grafik: Andrea Steffens
Von Johanna Urbancik
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Wie stehen AfD, Union, SPD und die Grünen zur Bundeswehr, zur Wehrpflicht und zur Ukraine-Hilfe? Ein Blick auf die verteidigungspolitischen Positionen im Wahlkampf.

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Die Zeitenwende und das Sondervermögen für die Bundeswehr: Seit dem russischen Angriffskrieg, vor nun schon fast drei Jahren, ist das Thema Verteidigung auch in Deutschland wieder in den Vordergrund geraten.

Neben der Unterstützung der ukrainischen Selbstverteidigung in Form von humanitären, finanziellen und militärischen Mitteln, war auch die Einsatzfähigkeit der deutschen Bundeswehr für die Ampel-Regierung ein umstrittenes Thema.

Folgerichtig spielen sowohl die Unterstützung der Ukraine und die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr eine große Rolle in den Regierungsprogrammen der Parteien.

Euronews hat sich die Programme der vier Parteien, die bei über zehn Prozent in den aktuellen Umfragen liegen, näher betrachtet. Wir haben die Inhalte der Wahlprogramme von CDU/CSU, AfD, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen analysiert.

Klare Linie für die Ukraine?

Im Wahlkampf und in den Regierungsprogrammen spielt die Ukraine natürlich eine große Rolle. Schon Ende vergangenen Jahres haben die Kanzlerkandidaten von Union, Grünen und SPD mehrfach bekräftigt, dass die Wahl keine negativen Auswirkungen auf die Unterstützung der Ukraine haben wird.

67 Prozent der Deutschen stehen hinter der militärischen Unterstützung der Ukraine, heißt es laut einer repräsentativen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag von ZDF frontal.

Friedrich Merz (CDU) hat bei seiner Reise in die ukrainische Hauptstadt im Dezember 2024 seinen Standpunkt diesbezüglich unterstrichen. "Ich bin nach Kyjiw gereist, um der ukrainischen Regierung und den Menschen in der Ukraine zu versichern, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fest an ihrer Seite steht", so Merz.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Vorsitzende der CDU Friedrich Merz sprechen während ihres Treffens in Kyjiw, Ukraine, Montag, 9. Dezember 2024
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der Vorsitzende der CDU Friedrich Merz sprechen während ihres Treffens in Kyjiw, Ukraine, Montag, 9. Dezember 2024 Efrem Lukatsky/Copyright 2024 The AP. All rights reserved.

Gegenüber Euronews erklärt der Ukraine-Experte Mattia Nelles, dass Merz sich über das Wahlprogramm der Partei hinaus für eine deutliche Unterstützung der Ukraine und sogar deren Sieg ausgesprochen habe. Aber, "gerade weil die Union sich klar gegen schuldenfinanzierte Ukraine-Hilfen ausspricht, ist kaum mit substantiell mehr Ukraine-Hilfen zu rechnen", meint er. 

Dem stimmt auch der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy zu: "Eine völlig andere Ukraine-Linie als Scholz wird auch Merz nicht fahren, zumal es sehr unterschiedliche Blicke auf den russisch-ukrainischen Krieg innerhalb der CDU und auch der CSU gibt - nicht alleine auf ostdeutsche Bundesländer beschränkt. Und im Endeffekt kommt es für die Ukraine auf das Gesamtpaket und nicht etwa 'nur' auf 100 Taurus an, die Kyjiw natürlich wirklich bräuchte, die es aber wiederum alleine nicht richten werden."

Im Wahlprogramm der Union heißt es dazu: "Die Ukraine verteidigt auch uns. Denn fällt die Ukraine, droht der Angriff auf ein weiteres europäisches Land. Daher unterstützen wir die Ukraine mit allen erforderlichen diplomatischen, finanziellen und humanitären Mitteln sowie mit Waffenlieferungen. Sie muss ihr Selbstverteidigungsrecht ausüben können."

Generell werben neben der Union, auch die Grünen und die SPD damit, dass die Ukraine so unterstützt werden muss, dass das Land in Verhandlungen mit Russland aus einer starken Position eintreten kann.

Das soll unter anderem auch mit Waffen ermöglicht werden. Die einzige Partei, die beim Thema Waffen rote Linien aufzeichnet, ist die SPD, die auch in ihrem Regierungsprogramm verspricht, die Ukraine nicht mit dem Taurus-Marschflugkörper zu beliefern. 

Bild: Südkoreanisches Verteidigungsministerium, Taurus-Rakete während einer Übung vor der Westküste Südkoreas, Mittwoch, 13. September 2017
Bild: Südkoreanisches Verteidigungsministerium, Taurus-Rakete während einer Übung vor der Westküste Südkoreas, Mittwoch, 13. September 2017 AP/Copyright 2017 The AP. All rights reserved.

Wenn es um das Programm der SPD geht, ergänzt Trubetskoy, dass es ihm "um das ehrliche Gespräch mit der eigenen Wählerschaft gehe, dass die Ukraine wirklich eine viel stärkere militärische Position bräuchte, um irgendwann auf Augenhöhe verhandeln zu können."

Liegt die Zukunft der Ukraine in der EU und der NATO?

Wenn es um die Zukunft des Landes geht, sind sich die Union und die Grünen in einem weiteren Punkt einig: der EU-Beitritt. So heißt es im Regierungsprogramm der CDU/CSU, dass der EU-Beitritt der Ukraine im sicherheits- und geopolitischen Interesse Deutschlands und Europas liege, fordert jedoch, dass alle Kriterien vollständig vor einem Beitritt erfüllt sein müssen. 

Die Grünen fordern neben dem EU-Beitritt auch den NATO-Beitritt der Ukraine: "Zudem bekräftigen wir das Recht auf freie Bündniswahl und unterstützen die Ukraine auf ihrem Weg zur Mitgliedschaft in der EU und NATO."

Im Programm der AfD hingegen werden weder die Ukraine noch der russische Angriffskrieg erwähnt. Deutlich macht die AfD hingegen, dass "das Verhältnis zu Russland für Deutschland, Europa und die Nato von maßgeblicher Bedeutung ist, denn Sicherheit in  und für Europa kann ohne Russlands Einbindung nicht gelingen." 

Versprochen wird, dass die AfD sich einsetzen will, "Konflikte in Europa friedlich zu regeln und dabei die jeweiligen Interessen zu berücksichtigen." Wie die Partei das machen will und mit welchen Mitteln, wird jedoch nicht erläutert. Langfristig sieht die AfD die Zukunft der Ukraine als neutralen Staat "außerhalb von NATO und EU".

Dem Ukraine-Experten Nelles zufolge liefert keines der Programme Antworten auf die strategischen Fragen, wie ein nachhaltiger und gerechter Frieden in der Ukraine erreicht und durch Sicherheitsgarantien und langfristige Finanzierung abgesichert werden kann.

"Im laufenden Wahlkampf geht es kaum um die weltpolitische Lage. Die Gefahr, die vom russischen Krieg gegen die Ukraine und gegen den Westen ausgeht, wird regelrecht ausgeschwiegen beziehungsweise findet in Nischen statt", findet er.

Im laufenden Wahlkampf geht es kaum um die weltpolitische Lage.
Mattia Nelles
Ukraine-Experte

Deutschland verteidigungsfähig machen

Deutschlands Mitgliedschaft in der NATO wird von keiner der vier Parteien in Frage gestellt. Im Gegenteil, wenn es um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und die Bundeswehr geht, sind sich sowohl die die Union, die AfD, die SPD und die Grünen einig: es muss mehr gemacht werden. 

Ein deutscher Soldat hält seinen Helm während eines Besuchs von Gouverneur Hendrick Wuest in der Feldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf, Deutschland, 30. März 2022
Ein deutscher Soldat hält seinen Helm während eines Besuchs von Gouverneur Hendrick Wuest in der Feldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf, Deutschland, 30. März 2022 Martin Meissner/Copyright 2022 The AP. All rights reserved

Angefangen wird bei den Verteidigungsausgaben, die bei mindestens zwei Prozent des BIP liegen sollen. Diesen Betrag soll Deutschland Berichten zufolge im Februar vergangenen Jahres das erste Mal erreicht haben. Das Ziel von mindestens zwei Prozent steht sowohl im Programm der SPD, der Union als auch von den Grünen. 

So heißt es im Programm der CDU/CSU: "Wir verstehen das aktuelle Zwei-Prozent-Ziel der NATO als Untergrenze unserer Verteidigungsausgaben, um eine vollständig einsatzbereite Bundeswehr mit einer personellen und materiellen Vollausstattung zu ermöglichen."

Schon vor seiner zweiten Amtszeit hat der amtierende US-Präsident gemeint, dass die Verteidigungsausgaben der NATO-Mitglieder seiner Meinung nach auf fünf Prozent ansteigen sollten. Dennoch nennt keiner der Parteien eine konkrete Zahl. 

Eine konkrete Zahl nennt die Union jedoch, wenn es um die Anzahl der Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen geht. Diese soll nämlich laut ihres Regierungsprogramms auf 203.000 erhöht werden. 2024 zählte die Bundeswehr eigenen Angaben zufolge fast 180.000 Soldaten und Soldatinnen.

Ein Soldat feuert ein Maschinengewehr aus einem Leopard 2-Panzer beim Panzerbataillon 203 der Bundeswehr in der Feldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf, 1. Februar 2023
Ein Soldat feuert ein Maschinengewehr aus einem Leopard 2-Panzer beim Panzerbataillon 203 der Bundeswehr in der Feldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf, 1. Februar 2023 Martin Meissner/Copyright 2023 The AP. All rights reserved.

Wehrpflicht: ja oder nein?

Zwei weitere Punkte, bei denen sich die vier Parteien überschneiden, ist die Frage einer wie auch gearteten Wehrpflicht und die Anerkennung der Bundeswehr in der deutschen Gesellschaft.

So heißt es beispielsweise im Regierungsprogramm der AfD, dass "Art. 87a des Grundgesetzes bestimmt: 'Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.' Die Landesverteidigung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Sie betrifft den Kern staatlicher Existenz und unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Daher ist der Auftrag der Bundeswehr Verpflichtung für jeden Staatsbürger. Wir erkennen den Ausnahmefall des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen an, sehen aber den Wehrdienst junger Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten in den Streitkräften als Regelfall an."

Die AfD umgeht somit auch direkt die Frage, ob der Wehrdienst auch für Frauen gelten soll.

Die Union, Grünen und SPD lassen sich beim Thema Wehrpflicht hingegen mehr Spielraum. Der CDU zufolge soll diese nämlich mit einem "verpflichtendem Gesellschaftsjahr" verbunden werden. Was genau darunter zu verstehen ist, wird in dem Programm jedoch nicht erläutert.

Sowohl die SPD und die Grünen wollen den Wehrdienst nicht verpflichtend machen und schlagen deshalb einen freiwilligen Wehrdienst vor. Der SPD zufolge soll dies den Aufbau der Reserve garantieren.

Dem stimmen die Grünen hinzu, wollen aber zudem "den freiwilligen Wehrdienst und die Reserve für eine breite Zielgruppe attraktiver machen und durch gute Lebens- und Arbeitsbedingungen für Soldat*innen Personal langfristig binden."

"Ich weiß nicht, ob die Wehrpflicht der richtige Weg ist", meint Erich Vad, Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr, Unternehmensberater, Publizist und Universitätsdozent, gegenüber Euronews. 

"Wir haben den Bundesfreiwilligendienst. Ein junger Mensch kann jetzt schon sagen, er oder sie möchte ein Jahr zum Militär gehen oder ein Jahr sozialen Dienst machen", sagt er und ergänzt, dass er nicht sonderlich viel davon hält, die Wehrpflicht wieder verpflichtend zu machen. 

"Ich finde, man sollte zusätzliche Anreize schaffen. Zum Beispiel könnte jemand, der ein oder zwei Jahre zur Armee geht oder sozialen Dienst leistet, Punkte für die Vergabe von einem Studienplatz erhalten. So könnte man den Dienst attraktiver machen – und trotzdem auf Freiwilligkeit setzen. Denn wir brauchen keine Massenarmee. Würde man die Wehrpflicht wieder einführen, müsste die gesamte Organisation neu aufgebaut werden. Das würde nicht nur Jahre dauern, sondern auch enorme Kosten verursachen. Man bräuchte zudem viele Soldaten, die als Ausbilder dienen, was zusätzlichen personellen Aufwand bedeutet. Wir haben Tausende Reservisten. Es wäre sinnvoller, Reserveübungen attraktiver zu gestalten, sodass Menschen freiwillig jedes Jahr für ein paar Wochen zur Bundeswehr gehen. Das halte ich für vernünftiger, als jetzt die Wehrpflicht wieder einzuführen", erklärt der Brigadegeneral a. D..

Soldaten der 41. Mechanisierten Infanteriebrigade der Bundeswehr nehmen am Samstag, den 8. Oktober 2022, an einer militärischen Übung auf dem Truppenübungsplatz Gaiziunai teil
Soldaten der 41. Mechanisierten Infanteriebrigade der Bundeswehr nehmen am Samstag, den 8. Oktober 2022, an einer militärischen Übung auf dem Truppenübungsplatz Gaiziunai teil Mindaugas Kulbis/Copyright 2022 The AP. All rights reserved.

Das Ansehen der Bundeswehr ist ein weiterer Punkt, bei dem sich alle vier Parteien einig sind. "Unsere Frauen und Männer in Uniform leisten einen unverzichtbaren Dienst für die gesamte Gesellschaft. Sie verdienen unsere höchste Anerkennung und volle Unterstützung. Ihr Platz ist in der Mitte der Gesellschaft", heißt es im Regierungsprogramm der Union.

Wenn es um das Ansehen der Streitkräfte geht, nennt jedoch nur das Programm der SPD konkrete Punkte: "Wir haben den Nationalen Veteranentag am 15. Juni eingeführt und setzen uns für den empathischen Umgang und die Verbesserung der Versorgung einsatzgeschädigter Soldatinnen und Soldaten sowie ihrer Familien ein. Als SPD stehen wir für das Konzept des 'Staatsbürgers in Uniform'."

Als SPD stehen wir für das Konzept des 'Staatsbürgers in Uniform'.
SPD-Wahlprogramm

Im Gespräch mit Euronews äußert sich Vad bei diesem Thema skeptisch. "Ich finde, dass das schon eine Baustelle in Deutschland ist. Da muss man irgendwie die Mentalität ändern", erklärt er und fügt hinzu, dass ein Gap Year in Australien beispielsweise ein höheres Ansehen als ein oder zwei Jahre Sozialdienst oder Dienst bei der Bundeswehr habe. "Das muss einfach attraktiver gemacht werden", schließt Vad.

Noch weitere Fragen zu den Regierungsprogrammen der Parteien?

Natürlich kann man bei der Wahl noch mehr Parteien wählen, als die, die wir aufgezählt haben. Fragen Sie hierzu einfach den KI-Chatbot von wahl.chat.

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