Ungarns Premierminister Viktor Orbán sagt, ein ungarischer Staatsbürger sei zu Tode geprügelt worden, nachdem er in der Ukraine den Wehrdienst verweigert hatte. Kyjiw bestreitet die Vorwürfe und fordert Ungarn auf, sich nicht einzumischen.
Ungarn hat Sanktionen der Europäischen Union gegen ukrainische Beamte gefordert, nachdem berichtet wurde, dass ein ungarischer Staatsbürger während einer militärischen Mobilisierung in der Ukraine ums Leben gekommen ist.
Nach Angaben von Ministerpräsident Viktor Orbán sei József Sebestyén, ein 45-jähriger ethnischer Ungar aus der ukrainischen Region Transkarpatien, zu Tode geprügelt worden, weil er sich geweigert habe, der ukrainischen Armee beizutreten. Die ukrainischen Behörden haben die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. Sie erklärten, die Mobilisierung sei rechtmäßig gewesen und Sebestyén sei an einer Lungenembolie gestorben, ohne Anzeichen einer körperlichen Verletzung.
"Die ungarische Regierung hat veranlasst, dass die für den Tod von József Sebestyén verantwortlichen ukrainischen Führer auf die Menschenrechtssanktionsliste der EU gesetzt werden", teilte Orbán über Facebook mit.
Außenminister Péter Szijjártó sagte am Dienstag in Brüssel, Ungarn werde offiziell Sanktionen im Rahmen der Globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte beantragen, welche auf Personen abzielt, die an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind.
"Wir werden offiziell vorschlagen, dass alle verantwortlichen ukrainischen Militärs auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden", erklärte Szijjártó während der Sitzung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten.
Ungarische regierungsnahe Medien berichteten, Sebestyén sei während einer Zwangsmobilisierung mit Eisenstangen geschlagen worden und drei Wochen später gestorben. Ein von seiner Schwester veröffentlichtes Video zeigte ihn auf den Knien, wie er auf Ukrainisch spricht, was die Empörung weiter anheizte. Seit Jahren besteht ein Ringen um eine Beschneidung von Minderheitenrechten der Transkarpatien-Ungarn.
Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück und identifizierte den Mann als Shebeshten Yosip Yosipovich, einen ukrainischen Staatsbürger. Da die Ukraine die doppelte Staatsbürgerschaft nicht anerkennt, wurde er offiziell nicht als Ungar betrachtet. Kyjiw fügte hinzu, dass der Mann seine militärische Ausbildung abgebrochen habe und später wegen akuten Stresses in der Psychiatrie behandelt worden sei. Die Behörden versprachen eine transparente Untersuchung und warnten Ungarn davor, unbestätigte, emotional aufgeladene Behauptungen zu verbreiten.
Wachsende Spannungen
Der Vorfall hat die bereits angespannten Beziehungen zwischen Ungarn und der Ukraine weiter verschärft. Budapest hat den ukrainischen Botschafter einbestellt und seine Kritik an Kyjiw verschärft.
Orbán, der sich seit langem gegen einen EU-Beitritt der Ukraine ausspricht, führt den Todesfall als weiteren Beweis für die Untauglichkeit der Ukraine als EU-Beitrittsland an. Nach einer unverbindlichen Umfrage, in der sich 95 % der ungarischen Befragten gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine aussprachen, warnte Orbán vor einer "wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Katastrophe", sollte der Beitritt erfolgen.
Die ungarische Regierung hat kürzlich eine Plakatkampagne gestartet, auf der der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj neben Oppositionsführer Péter Magyar abgebildet ist. Damit entsteht der Eindruck, die Opposition diene ausländischen Interessen.
Ungarn lehnt weiterhin die militärische und finanzielle Unterstützung der EU für die Ukraine ab und fordert stattdessen einen sofortigen Waffenstillstand.