Bioökonomie liegt im Trend

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Bioökonomie liegt im Trend
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Von Julian GOMEZ
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Auch dank Unterstützung der Europäischen Union geht der Strukturwandel von einer erdöl- zu einer biobasierten Wirtschaft voran.

Nachwachsende Rohstoffe sind zunehmend auch eine Alternative zum Öl. Mithilfe von innovativer Technologie ist es heute möglich, vielfältige Produkte herzustellen, die nicht nur ohne Erdöl auskommen, sondern sogar bessere Produkteigenschaften besitzen. Immer mehr Unternehmen setzen bei der Herstellung ihrer Produkte bereits heute auf einen Rohstoffmix aus verschiedenen nachhaltig erzeugten nachwachsenden Ressourcen und haben bereits zahlreiche neue Produkte entwickelt.

In den vergangenen Jahren hat die Europäische Union fast vier Milliarden Euro in die Forschung zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung investiert. Im Sektor Bioökonomie werden bereits 18 Millionen Menschen beschäftigt, der Jahresumsatz liegt bei rund zwei Billionen Euro.

In den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Lebensmittel oder Bioenergie gibt es ein riesiges wirtschaftliches Potenzial. Derzeit werden eine Vielzahl biobasierte Produkte für ganz Europa entwickelt.

Bioökonomie boomt

Eine Holzmühle in Finnland arbeitet am Strukturwandel von einer eröl- zu einer biobasierten Wirtschaftsweise; dort werden jährlich bis zu 6,5 Millionen Kubikmeter Zellstoffholz ohne den Einsatz von fossilen Brennstoffen verarbeitet.

240 Lastwagen und 70 Güterwagen versorgen das Unternehmen Metsä Fibre täglich mit Birke, Fichte und Kiefer. Aus dem Holz wird Zellstoff gewonnen; die jährliche Produktion liegt bei rund 1,3 Millionen Tonnen. Laut Aussage des Unternehmens werden im gesamten Produktionsprozess keine fossilen Brennstoffe verwendet. Das Werk arbeitet autark.

"Wir produzieren zweieinhalb Mal mehr Energie, als wir selbst verbrauchen", erklärt Camilla Wikström, Senior Vize-Präsidentin bei Mestsä Fibre. "Wir haben Schlacke, daraus erzeugen wir Biogas. Und dann haben wir Rinde, aus der wir Produktgas herstellen. Außerdem verkaufen wir die Rinde auch als Energierohstoff."

Das gesamte System basiert auf der Idee, nachhaltige Produkte mit weniger Wasser und weniger Energie herzustellen. Außerdem arbeitet man an neuen Anwendungen - Zellstoffholz wird üblicherweise für die Papier- und Kartonproduktion eingesetzt.

"Dann gibt es ein laufendes Projekt, bei dem wir Textilien aus der Pulpe herstellen", so Camilla Wikström, "und es gibt die Möglichkeit, Verbundwerkstoffe daraus zu machen, um Kunststoffe zu ersetzen."

In Laboren werden die Materialeigenschaften von Rohstoffen untersucht. Hier treiben die Forscher derzeit die Entwicklung nachhaltiger Dreischichtkartons für innovative Verpackungen voran.

"Wir entwickeln unsere Hochertragszellstoffe weiter und optimieren den Dreischichtaufbau", so Terhi Saari, Chemikerin und Direktorin des Technology Center, Metsä Board, "dafür müssen wir die Eigenschaften der Oberflächenschichten und der sperrigen Mittelschicht kennen. Unser Ziel ist, eine ausreichende Festigkeit und Belastbarkeit unserer Produkte zu erreichen".

Bisher wurden 1,2 Milliarden Euro in das Werk investiert. Das Management vertraut darauf, dass innovative grüne Produkte aus Holz dazu beitragen, diese riesigen Investitionen zu amortisieren. Metsä-Spring-Chef Niklas von Weymarn sagt:

"Die meisten der in den vergangenen 50 Jahren entwickelten neuen Produkte basierten auf Öl, das sind petrochemische Produkte. Aber die Situation der Wirtschaft ändert sich, auch der Klimawandel spielt eine Rolle. Das eröffnet neue Möglichkeiten, Produkte aus Holz herzustellen".

Italien: Mit experimenteller Technologie wird an Biokunststoffen gearbeitet

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wird die Fähigkeit sein, mehr und besser biologisch abbaubare, kompostierbare Biokunststoffe herzustellen. Das ist das Ziel der experimentellen Technologie, die derzeit in Norditalien entwickelt und getestet wird.

Maisstärke, Zellulose und Pflanzenöle sind die Rohstoffe, mit denen bei Novamont gearbeitet wird. Eine komplexe Herstellungskette - darunter mechanische Prozesse wie Extrusion - verwandelt diese Naturmaterialien in bioplastische Folien, aus denen später biologisch abbaubare Einkaufstüten hergestellt werden.

"Mit der Zeit und unter den richtigen Bedingungen bei der industriellen Kompostierung oder der biologischen Abbaubarkeit werden die Moleküle dieser Biokunststoffe durch die Wirkung von Mikroorganismen nach und nach zersetzt", erklärt der Novamont-Chemiker Alessandro Delicio. "Die Moleküle verwandeln sich im Laufe der Zeit in etwas Elementares wie organischen Kohlenstoff oder einfach Kompost".

Biokunststoffe müssen die gleiche Festigkeit und Belastbarkeit aufweisen wie herkömmliche petrochemische Kunststoffe. Deswegen unterliegen sie mechanischen Prüfungen, so Alessandro Delicio:

"Neben den mechanischen werden auch qualitative Tests durchgeführt. Wir können zum Beispiel die Abriebsrate oder alle Eigenschaften messen, die mit der Durchlässigkeit der Biomaterialien oder ihren optischen Eigenschaften zusammenhängen".

Diese Untersuchungen sind Teil eines europäischen Forschungsprojekts, dessen Ziel es ist, die gesamte Kunststoff-Wertschöpfungskette zu überdenken, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Umwelt besser zu schützen.

"Wir wollen nicht einfach nur ein Produkt mit einem anderen ersetzen. Das ist nicht unser Interesse", so Luigi Capizzi, Leiter der Novamont Forschungs- und Entwicklungsabteilung. "Wir wollen ein System entwickeln, das die Ressourcen des Planeten besser nutzt, weniger dieser Ressourcen verbraucht und sie gerechter und effizienter verteilt".

Die EU arbeitet an einer neuen Bioökonomie-Strategie für ein nachhaltiges Europa

Forscher treffen sich regelmäßig, um über Innovationen und Ökodesigns aus Biokunststoffen zu diskutieren. Europa produziert jedes Jahr rund 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle. Nur ein Drittel wird recycelt, der Rest wird entweder verbrannt, oder landet auf Deponien. Man braucht dringend andere Lösungen wie Biokunststoffe, aus denen beispielsweise das Verpackungsinnere von Waschmitteln besteht.

"Mit der Verwendung dieser Biokunststoffe beginnen wir mit einer bestimmten Art von Produkten", erklärt Andrea Bozic, Leiterin des Bildungs- und Informationszentrums Saponia. "Wir vermitteln unseren Verbrauchern, dass das besser für sie und die Umwelt ist. Wenn wir dann nach einiger Zeit feststellen, dass diese Art von Kunststoffen, diese Art von Produktverpackungen von den Verbrauchern akzeptiert werden, verwenden wir die Biokunststoffe auch für andere Produkte."

Die Forscher hoffen, dass ihre Arbeit dazu beiträgt, dass bis 2025 in Europa aus rund 10 Millionen Tonnen recycelten Kunststoffen neue Produkte entstehen. Um dieses Ziel zu erreichen, spielt nach Ansicht der Wissenschaftler neben Forschung und Innovation auch die Bildung eine entscheidende Rolle.

"Es gibt Länder in Nordeuropa, deren Kunststoffabfallmanagementsystem sehr gut entwickelt und umgesetzt ist. Aber in anderen Ländern werden Kunststoffabfälle nicht einmal entsorgt. Und viele Bürger haben keine Ahnung von den negativen Folgen, dass Kunststoffe in die Ozeane oder die Nahrungskette gelangen. Deshalb ist eine unserer Hauptaufgaben, die Bedürfnisse der einzelnen europäischen Länder zu verstehen und so viele individuelle Lösungen wie möglich zu finden", meint Montserrat Lanero, CIRCE/CIRC-PACK-Projektmanagerin.

Dafür arbeiten Forscher mit dem Konzept der "Bürgerwissenschaft". In der Zusammenarbeit mit Verbraucherverbänden untersucht man die sozialen und marktwirtschaftlichen Erwartungen, um die Kreislaufwirtschaft im Kunststoffsektor zu stärken.

Belén Ramos, Projektanbieterin Umwelt, Spanische Verbraucherorganisation OCU fordert: "Wir müssen die Bürger aufklären. Denn oft wissen die Menschen gar nicht, dass ihre Kaufentscheidung wichtig ist, um den Markt in Richtung eines nachhaltigeren Trends zu bewegen. Aber wir müssen auch den Markt stärken, damit er den Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten bieten kann."

Innovative Bioprodukte für eine Vielzahl von Branchen

Und abschließend schauen wir uns an, wie man Bäume in innovatives Biomaterial verwandeln kann - für so unterschiedliche Branchen wie die Automobil-, Klebstoff- oder Kosmetikindustrie. Daran arbeiten Wissenschaftler in einer Bioraffinerie in Norwegen.

Eine Million Kubikmeter norwegische Fichte werden dort jedes Jahr zu Cellulose, Bioethanolen und Cellulosefasern verarbeitet. Durch Fibrillation werden diese Cellulosefasern zu Bioprodukten. Ein europäisches Forschungsprojekt untersucht die Anwendungsmöglichkeiten eines der daraus resultierenden Produkte namens Exilva, das für viele verschiedene Anwendungen nützlich sein könnte, bei denen bisher Chemikalien oder ölbasierte Produkte verwendet wurden:

"Einige Kunden sind zum Beispiel an der Produkteigenschaft der kontrollierten Viskosität interessiert, z.B. wird damit beim Lackieren, beim Auftragen von Farbe auf die Wand Tropfenbildung vermieden", so Jarle Wikeby, Ingenieur bei Borregaard AS und Exilva Projektkoordinator. "Oder man kann den Aushärtungsprozess von Klebstoffen steuern, und man kann es auch als Inhaltsstoff von Kosmetik am z.B. für Anti-Falten-Cremes verwenden."

Im Labor werden die Produkteigenschaften für weitere industriellen Anwendungen untersucht und verbessert. Die Wissenschaftler arbeiten an der Entwicklung eines Produkts, das sich durch hohe Effizienz und Robustheit in rauen Umgebungen auszeichnet.

"Wir untersuchen die Partikelgröße oder bestimmte Aggregatgrößen", so die Chemikerin Kristin Weel. "Wie Sie vielleicht wissen, gibt es zwei verschiedene Qualitäten, eine ist faseriger als die andere. Wir haben auch angefangen, uns mit weiteren Folieneigenschaften zu befassen. Mit dem Produkt können Sie Folien herstellen, die sehr gute Barriereeigenschaften, Sauerstoffbarrieren aufweisen und den Produkten Festigkeit verleihen".

Das Produkt ist eines der 700 Produkte auf Basis natürlicher Rohstoffe, die hier entwickelt werden. Der Strukturwandel von einer erdöl- zu einer biobasierten Wirtschaftsweise durch Forschung und Entwicklung wird sich weiter entwickeln, weiß Pal Romberg, Vizepräsident Borregard AS:

"Unser Produkt gibt typischerweise den Anstoß. Man muss nur die Herstellung ein bisschen ändern, um ein Produkt komplett von öl- auf wasserbasiert umzustellen. Es ist also nicht wirklich ein Kostenproblem, denn das Konsumbewusstsein und die Öffentlichkeit verlangen mehr Nachhaltigkeit und umweltfreundlichere Produkte. Und das motiviert Unternehmen, sich dafür zu interessieren und in die Entwicklung neuer, besserer Produkte zu investieren."

Biobasierte Produkte werden weiter den Markt erobern. Auch weil die Europäische Union plant, bis 2027 weitere 10 Milliarden Euro in die Bioökonomieforschung zu investieren.

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