Dänemark überarbeitet EU-„Chatkontrolle“: Scans „freiwillig“. Ex-MdEP Patrick Breyer warnt: Richtervorbehalt fällt, Chatverbot für unter Sechzehnjährige, Anonymität in Gefahr.
Eine der wichtigsten Stimmen für den Datenschutz in Europa, der ehemalige Europaabgeordnete Patrick Breyer, schrieb am vergangenen Donnerstag, Dänemark habe den Vorschlag der Europäischen Union zur Chatkontrolle überarbeitet und setze nun auf freiwillige Suchläufe nach sensiblen Inhalten in privaten Chats statt auf allgemeine Überwachung.
„Statt die allgemeine Überwachung privater Chats anzuordnen („Erkennungsanordnungen“), blieben die Suchläufe für Anbieter freiwillig, wie bisher“, so Breyer.
Zugleich sieht er drei große Probleme als ungelöst: Der Vorschlag folgt weiterhin nicht der Linie des Europäischen Parlaments, wonach nur Gerichte den Zugriff auf Kommunikationskanäle anordnen dürfen. Er verbietet Jugendlichen zudem, Messenger-Apps herunterzuladen. Und anonyme Kommunikation wäre faktisch nicht mehr möglich.
Vorschlag des Europäischen Parlaments bleibt unbeachtet
Patrick Breyer schreibt, der aktuelle dänische Entwurf folge nicht der Position des Europäischen Parlaments (EP), nach der Scans von Kommunikation nur per richterlicher Anordnung zulässig sind.
Der EP-Ansatz ist eine grundlegende Schutzmaßnahme für die Vertraulichkeit der Kommunikation in Europa. Er setzt einen Standard, der nicht später durch zusätzlichen Druck von EU-Institutionen aufgeweicht werden darf – etwa durch die bekannten „freiwilligen Verhaltenskodizes“, wie wir sie bei Allzweck-KI und Desinformation gesehen haben.
„Freiwillig“ ist in Europa oft nicht wirklich freiwillig: Wer sich einem „freiwilligen Kodex“ entzieht, muss mit schärferer Behandlung rechnen. Das drängt Tech-Unternehmen in Richtung faktisch verpflichtender Scans, ohne sie ausdrücklich zu regeln.
Keine Messenger für Teenager?
Zweitens, so Breyer, würde Artikel 6 des aktuellen Vorschlags unter 16-Jährige daran hindern, Messenger-Apps wie WhatsApp, Telegram, Snapchat, X und andere zu installieren – angeblich, um sie „vor Cybergrooming zu schützen_“._
Die Erfahrung im Vereinigten Königreich mit dem Online Safety Act zeigt, wie leicht Teenager solche Regeln mit VPNs und anderen Tools umgehen. Das würde so bleiben, solange die VPN-Nutzung nicht ebenfalls streng reguliert würde. Das ist an sich schon ein alarmierender Gedanke.
Keine anonymen Chats mehr
Breyer schreibt außerdem, Artikel 4(3) des dänischen Entwurfs würde anonyme E-Mail- und Messenger-Konten sowie anonymes Chatten faktisch verbieten:
„Sie müssten einen Ausweis oder ihr Gesicht vorzeigen, wären also identifizierbar. Das erhöht das Risiko von Datenlecks.“
Das allein sollte Journalistinnen und Journalisten sowie zivilgesellschaftliche Organisationen alarmieren, die auf vertrauliche Kommunikation mit Whistleblowern angewiesen sind.
Dieser Artikel erschien zuerst auf EU Tech Loop und wurde im Rahmen einer Vereinbarung bei Euronews veröffentlicht. Die in diesem Beitrag geäußerten Meinungen sind die des Autors und spiegeln in keiner Weise die redaktionelle Haltung von Euronews wider.