Amr Moussa über die Krisen im arabischen Raum

Amr Moussa über die Krisen im arabischen Raum
Von Euronews
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euronews:
Der scheidende Präsident der Arabischen Liga, Amr Moussa, hat bei Euronews in Brüssel in einem Exklusiv-Interview seinen Standpunkt in Bezug auf die Krisen in Libyen und Syrien, seine Präsidentschaftsambitionen in Ägypten und die arabisch-israelischen Beziehungen erklärt.

Herr Moussa, glauben Sie, dass die EU, die derzeit mit Wirtschaftskrisen in einigen ihrer Länder zu kämpfen hat, den sich transformierenden arabischen Staaten eine wirkungsvolle wirtschaftliche Unterstützung leisten kann?

Amr Moussa:
Die EU ist ja nicht die Einzige, die Hilfe bringt. Es gibt die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, die Regierungen der Industrieländer und die arabischen Gelder – und die EU wird ihren Teil der Hilfen beisteuern können.

euronews:
Europa wurde von den arabischen Revolutionen und ihrer Reichweite überrascht. Die europäische Reaktion war von Zweifeln und unterschiedlichen Meinungen geprägt, die Europa seine Glaubwürdigkeit gekostet haben – wegen dem, was es in Tunesien nicht getan hat, was es in Ägypten nicht verstanden hat und was es in Libyen tut. Kann man trotzdem noch auf die EU zählen?

Amr Moussa:
Die arabischen Länder müssen vor allem auf sich selbst zählen. Die arabischen Revolutionen waren weder von irgendjemandem dirigiert noch inspiriert. Sie entstanden aus einer Realität heraus. Mehrere von uns haben das vorausgesehen, denn die Situationen hatten sich verschlimmert und waren einfach nicht mehr zumutbar. Daher diese Explosion, die den Westen überrascht hat. Dieser hatte sich wohl auf die Stabiliät der autoritären und unterdrückerischen Regimes verlassen.

Wir in unseren Ländern haben die Instabilität dieser Regimes und das Aufkommen der Revolutionen gespürt, während der Westen nicht damit gerechnet hat. Jetzt übt er Selbstkritik – weil er so lange gebraucht hat, um die Realität zu verstehen, und erst dann reagieren konnte.

euronews:
Wie beurteilen Sie die Intervention in Libyen? Und glauben Sie, dass der Westen nun in jedem arabischen Land militärisch eingreift, in dem es eine Revolution gibt?

Amr Moussa:
Ich bin nicht sicher, ob das noch einmal passieren wird. Und ich denke, dass die militärische Gewaltanwendung für die gefährliche Situation in diesen Ländern keine Lösung bringen wird. Aber ein Waffenstillstand ist ein wichtiger Schritt, um die Spannungen zu lindern, Leben zu retten und die Tür für ein neues Libyen zu öffnen. Aber kann so etwas die Zustimmung aller haben? Gibt es die Möglichkeit einer arabischen Intervention? Über all das wird gerade diskutiert.

euronews:
Die Arabische Liga hat direkt in die Krise in Libyen eingegriffen, bei den anderen Revolutionen aber nicht. Warum?

Amr Moussa:
Die Politik der Arabischen Liga bestimmt nicht der Generalsekretär, sondern die Länder der Liga. Was Libyen betrifft, gab es ein klares Votum von 22 arabischen Ländern. Was Syrien betrifft, sind die Länder aber gespalten. Der Generalsekretär füllt seine Rolle aus, aber die Entscheidung hängt von der Fürsprache der Länder ab.

euronews:
Herr Moussa, haben Sie immer noch die Absicht, für die Präsidentschaftswahlen in Ägypten zu kandidieren? Und haben sie schon eine umfassende Idee von der Zukunft Ägyptens, wie auch Général de Gaulle seinerzeit eine umfassende Idee von Frankreich hatte?

Amr Moussa:
Seit einiger Zeit habe ich eine klare Vorstellung von der Zukunft Ägyptens. Deshalb kandidiere ich auch. Denn ich denke, dass ich Ägypten besser dienen könnte als andere Kandidaten.

euronews:
Wenn Sie gewählt werden – wie würde dann die Zukunft des Friedens mit Israel aussehen?

Amr Moussa:
Die Zukunft des Friedens und die arabisch-israelischen Beziehungen sind klar definiert und gehen auf die Entscheidungen des arabischen Gipfels von 2000 zurück, der damals in Beirut stattfand.

Was die ägyptischen Beziehungen zu Israel betrifft, werden sie von einem bilateralen Vertrag geregelt. Um gültig zu bleiben, muss er von beiden Seiten respektiert werden.

euronews:
Wenn Sie gewählt werden – werden Sie sich dann mit Sicherheit nicht zur Wiederwahl stellen?

Amr Moussa:
Mit Sicherheit. Und ich halte meine Versprechen.

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