Der lange Weg der Ukraine nach Europa

Der lange Weg der Ukraine nach Europa
Von Euronews
Diesen Artikel teilenKommentare
Diesen Artikel teilenClose Button
WERBUNG

In Kiew weht die Europafahne neben der blau-gelben Nationalflagge der Ukraine. Kiew ist ganz klar auch die Hauptstadt der ukrainischen EU-Befürworter, die mit Freunde gehört haben, wie ihr neugewählter Präsident Petro Poroschenko sagte: “Am 27. Juni werde ich das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen.”

Damit endet dann auch ein harter Kampf um den Weg der Ukraine nach Europa. Das Assoziierungsabkommen war im Spätherbst 2013 unterschriftsreif. Es sollte beim Gipfel in Vilnius unterzeichnet werden. Der damalige Präsident Viktor Janukowitsch erklärte im letzten Moment, dass er nicht unterschreiben werde. Er erschien in Vilnius, um nicht zu unterschreiben, was den Affront noch verstärkte.
Sofort wurde als Grund Druck aus Moskau vermutet.

Ukrainische Bürger gingen in Kiew auf die Straße, um zu protestieren. Es war der Beginn einer neuen Volksbewegung, wie sie Kiew zuletzt bei der “Orangenen Revolution” vor neuen Jahren erlebt hatte.

Am 30. November prügelten erstmals Sicherheitskräfte auf die Protestierenden ein. Der Innenminister erließ ein Demonstrationsverbot, dass die Befürworter eines ukrainischen Weges nach Europa aber nicht mehr aufhalten konnte. Als letzten Versuch unterschrieb Präsident Janukowitsch in Moskau einen Vertrag mit seinem Amtskollegen Putin. Moskau versprach darin Gaslieferungen zu Vorzugspreisen und weitere Finanzspritzen für die marode ukrainische Wirtschaft.
Die Demonstranten verstanden das als ein Mittel, der Ukraine ihr Selbstbestimmungsrecht abzukaufen. Auf dem Maidan wurde aus dem friedlichen Protest Gewalt. Es fielen Schüsse. Menschen starben.
Gleichzeitig erschienen unter den Europafreunden Männer des sogenannten “Rechten Sektors”, ukrainische Nationalisten mit extrem rechten Tendenzen.

Die Europäer versuchten zu vermitteln. Die Außenminister aus Frankreich, Deutschland und dem Nachbarland Polen brachten für einen ganz kurzen Moment die verfeindeten Parteien an einen Tisch. Die Vereinbarung wurde gebrochen, noch ehe die Tinte trocken war. Derweil heizten Seraratisten auf der Krim die Spannungen an und Mitte März erklärte nach einem überstürzten Referendum auf der Krim Russland den Anschluß der Halbinsel an die Russische Föderation.

Drei Tage später unterschrieb der Chef der ukrainische Übergangs-Regierung, die nach dem Sturz von Präsident Janukowitsch von den Demonstranten auf dem Maidan berufen worden war, in Brüssel den Entwurf für ein Assoziierungsabkommen. Es folgte die vorgezogene Präsidentschaftswahl im Mai, die Petro Poroschenko klar gewann.

euronews
Wir sind mit Amanda Paul vom “European Policy Centre in Brüssel verbunden. An sie die Frage:
Die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen EU und Ukraine wird jetzt in einem völlig anderen Umfeld geschehen, als es vor sieben Monaten geplant war. Da fragen sich viel Ukrainer, ob es nicht schon zu spät ist. Wie sehen Sie das?

Amanda Paul:
Jetzt haben wir alle zusammen eine andere Situation.
Ich denke, die Präsidentschaftswahlen haben klar gezeigt, dass die Ukrainer mit Petro Poroschenko die pro-europäische Karte gewählt haben. Sie haben gezeigt, dass die ukrainische Gesellschaft wirklich die Integration in die EU will. Von Seiten der EU haben wir in den vergangenen Monaten mehr Dynamik gesehen beim Bestreben, auf die Ukraine zuzugehen.. Beide haben sich politisch und ökonomisch mehr für den Integrationsprozeß engagiert. Natürlich ist das nicht einfach. Wir und auch die Ukrainer wissen um das Risiko, das vom großen Nachbarn Russland ausgeht, der immer noch total gegen eine EU-Integration der Ukraine ist.

euronews:
Welche Botschaft senden Ukraine und EU denn nun mit dieser Unterzeichnung an Russland? Vor allem vor dem Hintergrund von Gas- und Handelsstreit zwischen Moskau und Kiew.

Amanda Paul:
Das Abkommen zu unterzeichnen ist sehr wichtig. Die klare Botschaft an Russland lautet: die Ukraine trifft ihre souveräne Entscheidung auf EU-Integration, obwohl Einschüchterung und Druck von russischer Seite weitergehen. Sie lautet, die Ukraine werde sich nicht von Russland ihre Zukunft als unabhängiges Land nehmen lassen. Natürlich hat Russland noch andere Asse im Ärmel. Das Gas zum Beispiel. Man kann nur auf eine Lösung in baldiger Zukunft hoffen. Wir können die notwendigen Maßnahmen zur Lösung dieses Problems unternehmen, wenn die Ukraine korrekt in den EU-Energiemarkt integriert wird. Dann wird am Ende die Russische Föderation das Land sein, das den höchsten Preis zahlt.

euronews:
Glauben Sie, der Vertragsabschluß kann helfen, die pro-russischen Kräfte in der Ukraine einschließlich Krim davon zu überzeugen, dass die Wahl der neuen pro-europäischen Führung in der Ukraine korrekt verlaufen ist.?

Amanda Paul:
Diese ukrainische Regierung wird von der ukrainischen Gesellschaft aufmerksam beobachtet.
Vom Euro-Maidan wird genau auf das Einhalten aller Versprechen geachtet. Ich glaube, wenn eine starke Ukraine aufgebaut wird, dann kann in Übereinstimmung mit dem Gesetz und mit anderen Grundrechten eine Einbeziehung des ganzen Landes gelingen. Wenn das Land stark wird und jene Elemente der Gesellschaft einbezieht, die jetzt nicht gerade zufrieden sind, dann wird man die Leute auch von solch schlimmen Taten abhalten können, wie sie jetzt in der Ost-Ukraine geschehen.

euronews:
Ist Europa in naher Zukunft bereit, der Ukraine beizustehen und ihr bei Reformen zu helfen?

Amanda Paul:
Ich denke, die EU wird das ihre tun, um bei diesem Prozess zu helfen. Aber wenn Sie fragen, ob Europa bereit ist, der Ukraine Mitgliedsperspektiven anzubieten, dann wäre das der beste Anreiz für die Ukraine, um schnell den Reformprozess erfolgreich zu gestalten. Ich sehe das aber eher mittelfristig, nicht kurzfristig. Ich meine, die Ukraine als europäischer Staat verdient es, in die EU zu kommen. Die EU kann die Ukraine enorm unterstützen. Dafür müssen aber in Russland andere Elemente weiter verbessert werden – Elemente wie Zivilgesellschaft. Soll heissen, die Opposition muss vorankommen. Dieser Region muss bevorzugte Aufmerksamkeit zukommen. Wir können nicht zusehen, wie sie von der Tagesordnung verschwindet.

Diesen Artikel teilenKommentare

Zum selben Thema

756 Tage Ukraine-Krieg: Neue EU-Sanktionen gegen Russland - und wie weiter?

Ukraine: blutige Bilanz nach zwei Jahren des russischen Angriffskriegs

Nur 10% der Europäer glauben, dass die Ukraine Russland besiegen kann